Günstiges Wohnen:Der Student und die Seniorin

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In Giggenhausen leben eine Seniorin und ein Student einer WG: Er zahlt keine Miete, dafür hilft er ihr im Garten und im Haushalt. Passende Paare für das Projekt "Wohnen für Hilfe" sucht das Landratsamt aus.

Von Gudrun Regelein, Giggenhausen/Freising

Seit ihr Sohn, der zuvor in der oberen Etage des Häuschens mit dem großen Garten gelebt hatte, ausgezogen war, lebte sie alleine. "Die Nachbarn haben schon oft gesagt, ich solle endlich vermieten", erzählt Ingrid Müller. Aber sie wollte lange nicht. "Jetzt bin ich aber doch froh, dass wieder jemand im Haus ist, der auch hilft", sagt die 84-Jährige. Ihr neuer Hausgenosse ist ein junger Student, der für sein Zimmer plus Küche plus Bad keine Miete, sondern gerade einmal 150 Euro Nebenkosten im Monat zahlen muss. Und dazu noch vier Stunden Arbeit in der Woche leistet.

"Wohnen für Hilfe" heißt die alternative Wohnform für Jung und Alt. Junge Menschen, hauptsächlich Studenten, wohnen kostengünstig bei Senioren. Als Gegenleistung helfen sie ihren Vermietern, gehen ihnen - beispielsweise bei der Gartenarbeit oder beim Einkaufen - zur Hand. Die Nebenkosten werden pauschal bezahlt.

"Damals war ich nach einem Sturz nicht mehr einsatzfähig"

Ingrid Müller hat vor ein paar Monaten durch ihre Nachbarin von "Wohnen für Hilfe" erfahren und gleich bei Martin Gerstenberger, dem Koordinator des Projekts im Landratsamt, angerufen. "Damals war ich nach einem Sturz nicht mehr einsatzfähig", erzählt sie. Früher habe sie im Haus und im Garten alles alleine gemacht, das ging nun nicht mehr - sie brauchte Unterstützung. "Mit dem Studenten funktioniert es gut", sagt die alte Dame. Ihr Untermieter sei sehr nett, ruhig und höflich. "Wir passen gut zusammen." Ihre Entscheidung zumindest habe sie nicht bereut - im Gegenteil.

Bevor das außergewöhnliche Zusammenleben startete, besuchte Martin Gerstenberger die alte Dame, schaute sich die freien Zimmer an, maß sie aus und besprach die Höhe der Nebenkosten mit Ingrid Müller. "Als Orientierungsrahmen gilt ein Quadratmeter Wohnfläche gleich eine Stunde Hilfeleistung im Monat", sagt Gerstenberger. Danach gab es noch ein Kennenlern-Gespräch zwischen der zukünftigen Vermieterin und ihrem Untermieter. Erst dann startete das vertraglich geregelte gemeinsame Wohnen, das für beide Seiten profitabel sein soll. Nicht nur wegen der geringen Miete oder der Hilfeleistungen, wie Gerstenberger betont.

Bisher melden sich mehr Studenten als Vermieter

"Bestenfalls entwickelt sich eine gute Beziehung zwischen Alt und Jung", erklärt Martin Gerstenberger. Das Interesse an dem Angebot, das es seit 2015 auf Initiative der Projektgruppe der Stadt Freising hin auch im Landkreis gibt, sei groß. Allerdings meldeten sich mehr Studenten als Vermieter: Auf einen Anbieter kämen etwa sechs Nachfrager, sagt er. Gerstenberger sucht dann die passenden "Paare" aus. Derzeit laufen etwa fünf der außergewöhnlichen Wohngemeinschaften. "Normalerweise funktionieren die gut." Gerade im Landkreis Freising mit seinem äußerst knappen Wohnungsangebot seien diese Partnerschaften eigentlich optimal, findet Gerstenberger: "Wer genügend Wohnraum hat und sich auf dieses Sozialprojekt einlässt, hat dadurch außerdem die Möglichkeit, junge Menschen kennenzulernen", sagt er.

"Es läuft eigentlich sehr gut", bestätigt Markus Finner. Er ist der Student, der bei Ingrid Müller in Giggenhausen lebt. Für ihn sei es im Sommer eine kurzfristige Aktion gewesen, erzählt der 22-Jährige aus Göppingen. Er habe damals erst kurz vor Semesterbeginn eine Wohnung oder ein Zimmer in Freising gesucht - und bald gemerkt, wie schwierig das sei. Durch Zufall habe er dann von "Wohnen für Hilfe" erfahren und den Kontaktbogen ausgefüllt. "Wahrscheinlich wurde ich ausgewählt, da ich Gartenbau studiere. Und Frau Müller hat ja einen großen Garten, um den sie sich nicht mehr kümmern kann", meint Finner. Er sei sehr froh, dass es geklappt habe, denn eine eigene Wohnung könne er sich kaum leisten. Die Arbeitsstunden seien für ihn kein Problem. "Im Garten arbeite ich eh sehr gerne - und jetzt, im Winter, helfe ich im Haushalt." Für seine Vermieterin und auch für ihn sei das Zusammenwohnen mit einem fremden Menschen Neuland gewesen, natürlich dauere es, bis man zueinander findet, aber: "Ich fühle mich wohl", sagt Finner.

Interessierte an "Wohnen für Hilfe" erreichen den Koordinator Martin Gerstenberger telefonisch unter 08161 / 600486.

© SZ vom 19.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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