SZ-Schulratgeber:Jeder nach seinen Fähigkeiten

Lesezeit: 3 min

Susanne Schöneich (links) und Anja Baum unterrichten in der integrativen Kooperationsklasse 2c der St. Korbinian Grundschule in Freising. (Foto: Marco Einfeldt)

In der Grundschule St. Korbinian in Freising werden Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam unterrichtet. Die Lehrer und auch die Schüler empfinden das als echte Bereicherung.

Von Gudrun Regelein, Freising

Die kleine Anna (alle Schülernamen geändert) baut sich erwartungsvoll vor ihrer Klassenleiterin auf. "Die Marie hat noch kein Gummibärchen", sagt sie. Die Süßigkeit, die sie von Anja Baum bekommt, bringt sie dann sofort Marie, ihrer Klassenkameradin. "Unsere Schüler haben alle eine hohe soziale Kompetenz", sagt ihre Lehrerin stolz. Gerade weil in ihrer Klasse Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam den Unterricht besuchen.

Marie ist eins der insgesamt sieben Kinder mit einer Behinderung in der Klasse 2c der St. Korbinian Grundschule in Freising. Zwei Tandemklassen mit Kindern, die einen hohen sonderpädagogischen Förderbedarf des Schwerpunktes geistige Entwicklung haben, gibt es hier; seit 2011 darf sich die Schule offiziell als Inklusionsschule bezeichnen. In St. Korbinian gibt es aber bereits seit 2001 eine aus Eigeninitiative der Schule in Kooperation mit der Lebenshilfe und der Fröbelschule ins Leben gerufene integrative Kooperationsklasse. Damals wurden fünf geistig behinderte Kinder in eine erste Klasse mit 16 Regelkindern integriert. Heute sind es 28 behinderte Kinder: 14 in den zwei Tandemklassen und 14, die teilweise mit Schulbegleitern verschiedene Klassen besuchen. Das Ganze läuft in enger Kooperation mit dem Bildungszentrum in der Gartenstraße.

Interaktiver Schulatlas für München und Landkreise
:Welche Schule für mein Kind?

Wenn der Übertritt auf eine weiterführende Schule bevorsteht, stellt sich für Eltern eine Frage: Was ist das Beste für mein Kind? Diese interaktive Karte gibt einen Überblick über die Schulen in und um München.

Von Elisa Britzelmeier

Für die Lehrer bedeute das einen nicht nur zeitlich wesentlich höheren Aufwand, sagt Rektorin Heike Schmidtborn. Die zeigten alle ein großes Engagement, müssten Weiterbildungen absolvieren und eng mit den anderen beteiligten Lehrern zusammenarbeiten. "So etwas geht nur im Team", sagt die Rektorin. Der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung sei aber eine Bereicherung für alle, betont sie. In den Klassen würden die Kinder vom gemeinsamen Unterricht profitieren, sich gegenseitig stärken und unterstützen. "Wir haben sehr viele Anfragen, nicht nur von Eltern behinderter Kinder, sondern auch viele von Eltern von Regelschülern." Vielleicht, weil diese wüssten, dass die großzügige Lehrerausstattung, die Arbeit in kleinen Gruppen und die differenzierte Förderung allen Kindern gut tue - und dass das Achten auf die Schüler mit Behinderungen die emotionale und soziale Entwicklung fördere. Dass Eltern sich einen gemeinsamen Unterricht wünschten, liege aber auch am differenzierten Konzept. Neben dem gemeinsamen Lernen gebe es Stunden, in denen die Leistungsstarken anspruchsvolle Aufgaben lösen müssen. Diejenigen mit einem hohen Förderbedarf werden dann ausgegliedert, schälen dann beispielsweise auch einmal gemeinsam mit der Kinderpflegerin Karotten und "lernen etwas fürs Leben". Jedes Kind habe einen unterschiedlichen Leistungsstand, werde dort abgeholt, wo es steht, erklärt Schmidtborn. Deshalb sei die Unterrichtsform anders und die Materialen würden differenziert hergestellt, damit jedes Kind etwas damit anfangen könne.

"Wir nehmen nicht nur ein Arbeitsblatt, sondern wir brauchen viele verschiedene Varianten", erklärt die Lehrerin der 2c, Anja Baum. Sie unterrichtet ihre Klasse nicht alleine, sondern bekommt Unterstützung durch eine Sonderschullehrerin und eine Kinderpflegerin. Aber da für die Regelschüler der Grundschullehrplan gelte, die Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf aber lerndifferent unterrichtet werden müssten, bedeute es für sie dennoch eine "große Herausforderung". Denn der Unterricht müsse so gestaltet werden, dass alle Kinder am gleichen Unterrichtsthema, aber auf ihrem individuellen Leistungsniveau lernen können.

SZ-Schulratgeber
:"Es ist gut, wo du herkommst"

An der Paul-Gerhardt-Schule gibt es seit 2013 eine Übergangsklasse in der 11- bis 15-jährige Jugendliche von immigrierten Eltern auf den Regelunterricht vorbereitet werden. Der Schwerpunkt des Unterrichtes liegt auf dem Erlernen der deutschen Sprache.

Von Rebecca Seeberg

Gerade geht es in der 2c um das Thema "Berufe". Während die einen den Text von der Tafel in ihre Hefte abschreiben, bekommen andere diesen schon in Hohl- oder Pünktchenschrift vorgedruckt und müssen ihn noch nachspuren. Andere dagegen arbeiten mit Bild- und Wortkarten: Die Lehrerin sucht sich ein Kärtchen aus, liest sie das Wort - beispielsweise Bäcker - ihrem Schüler vor, dieser muss nun das entsprechende Bildkärtchen heraussuchen. Jeder Schüler arbeitet dabei in seinem eigenen Tempo. "Sie lernen zwar an einem gemeinsamen Gegenstand, aber sie müssen nicht das Gleiche lernen", erklärt die Sonderschullehrerin Susanne Schöneich. Von dem gemeinsamen Unterricht würden dennoch alle profitieren: Die leistungsstarken Schüler, "weil sie besonders gut lernen, wenn sie ihren behinderten Klassenkameraden etwas erklären, sich um sie kümmern", die anderen, die Schüler mit Behinderung, "weil sie in der Klasse ihr Verhalten anpassen, sich verändern, sich mehr anstrengen". Jedes Förderkind bekommt einen individuellen Lernplan. Es muss zwar keine Proben mitschreiben, wird auch nicht benotet, aber seine individuellen Leistungen und Entwicklung werden dennoch bewertet.

Es sei ein ganz anderes Unterrichten, sagt Anja Baum. Jeder könne nach seinen Fähigkeiten lernen. "Ich mache das hier mit Freude." Die "Schule für alle" sei auch für sie eine wertvolle und wichtige Erfahrung, bestätigt die Rektorin Heike Schmidtborn. Für die Schulgemeinschaft sei das Miteinander völlig normal. "Wir legen großen Wert darauf, offen für alle zu sein." Dennoch lege man Wert darauf, eine Regelschule zu bleiben und wolle nicht zum Förderzentrum werden, betont sie.

© SZ vom 07.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: