Gleichgestellt oder nicht?:"Frauen fallen schnell in alte Muster zurück"

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Eine berührende Ausstellung zum Thema "Gewalt gegen Frauen" hat Petra Lichtenfeld, die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Freising, kürzlich für den Weltfrauentag zusammengestellt. (Foto: Marco Einfeldt)

Bei der Gleichberechtigung gibt es noch erhebliche Defizite - und die Mütter tragen nicht selten ihren Teil dazu bei. Dass Männer selten das Bad putzen, liege auch an der Erziehung, sagt die Gleichstellungsbeauftragte Petra Lichtenfeld.

Interview von Gudrun Regelein, Freising

Auf den ersten Blick scheint die Frau zufrieden auf dem Sofa zu sitzen - erst beim genauen Hinsehen sieht man, dass sie weint. Die lebensgroßen Fotografien auf Leinwänden in der Ausstellung "Blick dahinter", die kürzlich im Kreuzgang des Landratsamtes zu sehen war, erzählen auf berührende Weise von der Gewalt gegen Frauen. Und das ist ein Thema, das Petra Lichtenfeld sehr wichtig ist. Die Gleichstellungsbeauftragte im Freisinger Landratsamt organisierte anlässlich des Internationalen Frauentages diese Ausstellung. Im Gespräch mit der SZ Freising erzählt Lichtenberg, wie es im Landkreis um die Gleichberechtigung bestellt ist - und weshalb junge Frauen auch heute noch dazu neigen, in alte Rollenmuster zu fallen.

SZ: Frau Lichtenfeld, was bedeutet für Sie Gleichberechtigung?

Petra Lichtenfeld: Gleichstellung. Also die gesellschaftliche und rechtliche Gleichstellung - das bedeutet aber nicht Gleichmacherei.

Vor Kurzem war der Internationale Frauentag. Halten Sie solche Tage für sinnvoll und notwendig?

Das ist wie mit all diesen Tagen: Sie sind sinnvoll, da man auf brisante Themen hinweisen kann und dafür eine größere Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit erhält. Und das ist wichtig, gerade auch bei einem schwierigen Thema wie "Gewalt gegen Frauen".

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Und der Muttertag? Ist der auch wichtig?

Ich selber habe diesen Tag nie richtig ernst genommen. Für mich ist das ein Relikt aus alten Zeiten.

Was genau sind Ihre Aufgaben als Gleichstellungsbeauftragte?

Das ist zweigeteilt. Im Landratsamt begleite ich alle Prozesse, die im Amt stattfinden, achte beispielsweise darauf, dass kein Geschlecht benachteiligt wird. Oder ich bin bei Auswahlverfahren und -gesprächen dabei. Das ist gerade auch dann wichtig, wenn es ein Ungleichgewicht bei den Bewerberzahlen gibt oder sich eine Frau für einen Posten bewirbt, der eigentlich eine Männerdomäne ist. Im Landkreis dagegen hat meine Arbeit viel mit Vernetzung zu tun. Es geht darum, Themen zu publizieren - wie derzeit die häusliche Gewalt.

Mit welchen Themen oder Problemen wenden sich Frauen an Sie?

Ganz unterschiedliche. Es handelt sich häufig um berufliche Themen, aber es geht auch um Trennung und Scheidung, um den Kindsumgang oder auch um sexistische Werbung.

Und hat Sie auch schon einmal ein Mann kontaktiert?

Nur selten. Männer im Haus schon eher. Wir haben im November auch immer einen Männertag im Landratsamt. Von außen war es bislang allerdings nur ein einziger, der mich wegen der Umgangsregelung kontaktiert hat. Die Gleichstellung ist tatsächlich eher ein Frauenthema, vielleicht fehlt es den Männern auch etwas an Bewusstsein.

Wie schaut es bei uns mit der Gleichberechtigung aus?

Wir haben die eher ländlichen Bereiche mit den eher traditionellen Strukturen. In den Städten wie Freising, mit vielen jungen und oft auch gut ausgebildeten Frauen dagegen wird die Gleichstellung und Gleichberechtigung schon anders gelebt. So gesehen ist der Landkreis zerrissen.

Wo sehen Sie die großen Defizite im Landkreis?

Wir haben zwar ein relativ gutes Angebot an Kindertagesstätten. Aber die Öffnungszeiten kollidieren häufig mit den Arbeitszeiten der Eltern. Das ist schon ein großes Manko, da ist noch Luft nach oben.

Auch im Landratsamt sind etwa 80 Prozent der Frauen in Teilzeit beschäftigt.

Ja, aber das ist im öffentlichen Dienst generell so, nicht nur in Freising. Das hängt mit den guten Möglichkeiten für junge Frauen, Beruf und Familie zu vereinbaren, zusammen. Allerdings birgt es auch die Gefahr, dass Frauen nicht in die Vollzeit zurückfinden und das hat dann Auswirkungen auf ihre Renten. Die Altersarmut ist in erster Linie weiblich.

Ticken Frauen denn anders?

Na ja, wahrscheinlich fallen Frauen relativ schnell in das alte Muster zurück. Es gibt eine bestimmte Naivität der Frauen, eine Scheu, sich mit bestimmten Themen - wie Finanzen - auseinanderzusetzen. Das wird dann lieber den Männern überlassen. Bei jüngeren Frauen ist das teilweise zwar anders: Die besitzen oft eine Eigenständigkeit und Selbständigkeit. Allerdings ist es dann doch oft so, dass sie, sobald sie einen festen Partner haben, diesem ganz gerne die finanziellen Angelegenheiten überlassen.

Woran liegt das?

Das hat sicher auch etwas mit Erziehung zu tun. Das Bad zu putzen ist beispielsweise noch fast immer den Frauen vorbehalten. Das liegt ein Stück weit an den Müttern beziehungsweise an deren Erziehungsstil: Und der ist bei Jungs eben noch immer oft ein ganz anderer als bei Mädchen.

Was würden Sie Frauen raten?

Um aus dem alten Rollenmuster herauszufinden: Reflexion und genaue Planung. Wie machen wir es mit der Familie, wer kümmert sich um was - es sollte alles abgesprochen sein. Frauen sollten sich auch Gedanken machen, welche persönlichen Ziele sie haben. Die Familienphase ist zeitlich begrenzt, auch wenn ich manchmal den Eindruck habe, dass sie manche Frauen als ihre Lebensaufgabe ansehen. Für eine Zeitlang ist es okay, sich über andere zu definieren, aber nicht für immer. Ich würde mir da mehr Bewusstsein bei den Frauen - gerade auch den jüngeren - wünschen.

Ist eine wirkliche Gleichberechtigung denn überhaupt möglich?

Ja, aber es ist anstrengender, als sie nicht zu leben.

Unser Landkreis in 50 Jahren: Wird die Gleichstellung dann noch Thema sein?

Beim Blick in die Zukunft denke ich in kleinen Schritten. Es wird sich etwas verändern, aber solche Prozesse dauern lange. Also ganz ehrlich: Ich bin nicht so ganz optimistisch. Das wird auch in 50 Jahren noch Thema sein.

© SZ vom 20.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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