Stadtoasen:Jeder kann seinen Beitrag leisten

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Diese Wiese an der Ecke Johannisstraße und Gärtnerstraße möchte der Arbeitskreis Stadtgrün zu einem grünen Begegnungsort umgestalten. (Foto: Marco Einfeldt)

Ein Projekt der TUM in Weihenstephan erforscht, wie sich in städtischen Grünflächen Klimaaspekte und der Wohlfühlfaktor für Menschen vereinen. Auch mehr Grün im privaten Bereich kann zur Artenvielfalt und Abkühlung in der Stadt beitragen.

Von Anna-Lena Schachtner, Freising

Wie lassen sich in städtischen Grünflächen Klimaaspekte und der Wohlfühlfaktor für Menschen vereinen? Diese Frage möchte ein Forschungsprojekt namens "Stadtoasen" der Technischen Universität München (TUM) in Weihenstephan beantworten. Dafür kooperieren Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Lehrstuhls für Urbane Produktive Ökosysteme von Professorin Monika Egerer, des Lehrstuhls für Wald- und Agroforstsysteme von Professor Peter Annighöfer und des Lehrstuhls für Wald- und Umweltpolitik von Professor Michael Suda. In der Münchener Innenstadt sammelt das Forscherteam Daten aus Stadtparks verschiedener Größen. "Das Ziel ist, die Erkenntnisse auch über die Grenzen von München hinaus anwendbar zu machen", so Peter Annighöfer.

Er und sein Team analysieren mithilfe von Laserscanning, wie dicht die Grünflächen bepflanzt sind. Dadurch möchten sie herausfinden, wie verschiedene Vegetationsschichten zur Umwandlung von Wärmeenergie und damit zur Kühlung der Umgebung beitragen. Durch den Klimawandel würden Städte nämlich zunehmend erhitzt, erklärt Monika Egerer. Daher würden Parks als kühlende Oasen immer wichtiger. Mithilfe von zahlreichen Messstationen vergleicht das Forscherteam die Temperaturen in den Parks mit denjenigen in benachbarten Grauflächen.

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Ein weiterer wichtiger Aspekt des Projekts: Wie nehmen die Bürger und Bürgerinnen die Stadtparks wahr? Daher wurden Umfragen erstellt, auf die Besucher und Besucherinnen über QR-Codes in den Parks gelangen, erläutert Doktorandin Stefanie Burger, die ebenfalls am Projekt arbeitet. Angaben zum Alter, Gehalt und der Herkunft würden Aufschluss darüber geben, welche Menschen Zugang zu den Grünflächen haben und sich dort gerne aufhalten.

Wünsche der Menschen berücksichtigen

Die Befragten können auch angeben, ob sie die Parks beispielsweise als leise oder laut, eintönig oder vielseitig empfinden, so Stefanie Burger. Zudem beobachteten die Forscher und Forscherinnen vor Ort, wie viele Menschen die Parks besuchen und ob sie sich etwa lieber unter freiem Himmel oder im Schatten der Bäume aufhalten. Außerdem könne jeder über die Website stoasen.de seine persönliche grüne Oase eintragen und beschreiben.

Zwar hat das Forscherteam noch nicht alle Daten zusammengetragen, doch erste Auswertungen zeigen: Eine Bepflanzung mit verschiedenen Vegetationsschichten scheint besser zu kühlen. Doch entspricht das auch den Wünschen der Bürger und Bürgerinnen? "Wenn wir die klimatische Wirkung maximieren wollen, maximieren wir damit auch die Erholungswirkung oder gibt es da Konflikte?", fragt Peter Annighöfer. "Man ruft oft nach Naturnähe, trotzdem meint man vielleicht nicht den Urwald, durch den man nicht mehr durchkommt." Beispielsweise könnten sich Menschen bei dichter Bepflanzung mit Sträuchern unsicher fühlen, ergänzt Stefanie Burger. Auf die Ergebnisse aus den Umfragen müssen die Forscher und Forscherinnen aber noch etwas warten.

Allerdings zeigen die Daten bereits: Kleine Grünflächen können offenbar eine ähnliche kühlende Wirkung haben wie große Stadtparks. "Klar, wir brauchen diese großen Flächen wie den Englischen Garten, aber kleinere Parks, die verteilt sind in der Stadt, sind auch sehr wichtig für mikroklimatische und Wohlbefindens-Aspekte", erläutert Monika Egerer. Zudem seien kleine Flächen aus Sicht der Städteplanung realistischer umzusetzen, erläutert Peter Annighöfer.

"Auch die kleinsten Flächen sind wichtig"

Sind Parks auch für kleine Städte wie Freising bedeutsam, die sowieso von Natur umgeben sind? Auf jeden Fall, findet Stefanie Burger. "Für die Naherholung macht es schon einen großen Unterschied, ob man einfach vor die Haustüre geht und sich in einem Grünraum bewegen kann oder ob man erst dafür rausradeln muss." Zudem könne es auch in kleinen Städten zur Überhitzung kommen.

Wie wichtig Grünflächen für Freising sind, betonen auch Bettina Köhne und Andrea Merzoug vom Arbeitskreis Stadtgrün. So trügen Bäume dazu bei, dass bei Starkregen das Wasser besser versickern könne, erläutert Landschaftsarchitektin Andrea Merzoug . Für ein grüneres Freising engagierten sich im Arbeitskreis viele Leute mit Fachwissen, unter anderem Studierende und Professoren der Hochschulen.

Auch für die Artenvielfalt spielt das Stadtgrün in Freising laut Andrea Merzoug eine große Rolle. Deshalb habe der Arbeitskreis in der Vergangenheit bereits Bushäuschen mit Dachbegrünung entwickelt, um Insekten einen Unterschlupf zu bieten. Allerdings gebe es noch Verbesserungsbedarf im Straßenbegleitgrün. "Auch die kleinsten Flächen sind wichtig."

Bettina Köhne und Andrea Merzoug (rechts) vom Arbeitskreis Stadtgrün. (Foto: Marco Einfeldt)

Andrea Merzoug wünscht sich vor allem, dass mehr Privatpersonen grüne Oasen in der Stadt schaffen. Beispielsweise helfe Fassadenbepflanzung Vögeln und Insekten und verbrauche dabei wenig Platz. "Vermutlich wären noch viel mehr Anwohner und Geschäftsinhaber der Innenstadt dafür zu gewinnen, ihre Häuser zu begrünen, wenn man beispielsweise gute Beratung, Fördermittel und Wettbewerbe zur schönsten Fassadenbegrünung anbieten würde", glaubt Bettina Köhne, die selbst Gartenbau in Weihenstephan studiert hat. Daher biete der Arbeitskreis Beratungen für Privatpersonen an, wie das eigene Zuhause grüner gestaltet werden kann. "Jeder kann in seinem Garten einen großen Beitrag leisten, indem er einen Baum pflanzt, Grünflächen schafft oder Flächen entsiegelt", so Andrea Merzoug.

Zudem hoffe der Arbeitskreis, mehr Bürger und Bürgerinnen als "Grünpaten" für die Pflege von Pflanzen im öffentlichen Bereich zu finden, so Andrea Merzoug. In München hätten solche Projekte schon dazu geführt, dass sich Menschen vernetzen. Generell dienten grüne Oasen auch in Freising als Treffpunkt und zur Erholung, findet Bettina Köhne. An der Ecke Johannisstraße und Gärtnerstraße wolle der Arbeitskreis nun eine Fläche umgestalten, um daraus einen Begegnungsort zu schaffen. In der Straße, in der auch Geflüchtete untergebracht sind, könnten die Menschen durch das Gießen der Pflanzen in Zukunft zusammenkommen, hofft Bettine Köhne.

Es gibt in Freising bereits einige Grünflächen, etwa den Arpajon-Garten. (Foto: Marco Einfeldt)

Es gebe in Freising bereits viele grüne Flächen, in denen sich die Menschen gerne aufhalten, findet Bettina Köhne. Als Beispiel nennt sie den Arpajon-Garten mit seinen Sitzgelegenheiten oder die Kneipp-Anlage im Rosengarten. Die geöffnete Moosach würde zudem zur Kühlung an heißen Tagen beitragen. "Ein Traum von mir wäre, ein Flussschwimmbad in Freising zu haben", sagt Bettina Köhne. Dieses würde sie gerne in einem Seitenarm der Moosach verwirklicht sehen. Alternativ könne man mehr Zugänge zur Moosach schaffen, damit die Leute mit den Füßen ins Wasser gelangen.

Grüne Aspekte als Voraussetzung für Baugenehmigungen

"In der Umgebung sind wir gut aufgestellt mit den grünen Hängen, dem Schafhof, Weihenstephan und dem Domberg", findet Andrea Merzoug. "Es gibt aber noch sehr viel Handlungsbedarf in der Innenstadt und im privaten Bereich oder im Straßenbegleitgrün." Die Stadt solle daher grüne Aspekte wie Fassaden- oder Dachbegrünungen als Genehmigungsbedingung in Bauleitfäden aufnehmen, wünscht sich Bettina Köhne. Der Arbeitskreis würde sich generell gerne mehr bei Bauprojekten beteiligen. "Es wäre schön, wenn wir eine bessere Kommunikation mit der Stadt entwickeln könnten", sagt Bettina Köhne.

Wie jedoch soll in Zukunft abgewogen werden zwischen dringend benötigtem Wohnraum und Grünflächen? Man müsse auch in Freising mehr in die Höhe bauen, meint Andrea Merzoug. Bettina Köhne verweist auf Leerstände in der Innenstadt. Zudem sollten ihrer Meinung nach weniger Flächen für Parkplätze verwendet und diese stattdessen als Grünflächen gestaltet werden. Auch Monika Egerer vom Forschungsprojekt der TUM findet: Wohnbebauung solle nicht auf Kosten von Grünflächen gehen. Da private Gärten zunehmend zum Luxus würden, sei das öffentliche Grün für viele Menschen von großer Bedeutung. "Parks sind auch Wohnräume", so Monika Egerer.

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