Alter Friedhof:Skelettfunde verzögern Bauarbeiten

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Fundgrube für Archäologen: In der Nähe des Rindermarkts sind mehrere Skelette entdeckt worden - sie werden vorsichtig geborgen. (Foto: Marco Einfeldt)

In der Nähe des Freisinger Rindermarktes sind bei Grabungen Knochen von 15 bis 16 Individuen entdeckt worden - bestattet wurden sie vermutlich im 16. Jahrhundert.

Von Alexandra Vettori, Freising

Vor knapp drei Wochen ist das erste Skelett nahe des Rindermarktes in der Freisinger Altstadt gefunden worden, seither werden es immer mehr. Mittlerweile ist man bei 15 bis 16 Individuen, erst am Dienstag sind vier bis sechs tiefer liegende Skelette dazu gekommen. Weil an der nahen St. Georgskirche bis zum frühen 16. Jahrhundert ein Friedhof war, hatten die Archäologen mit Funden gerechnet, als am Rindermarkt nach Pfingsten die Bauarbeiten für die neue Nahwärmeleitung begannen.

Tatsächlich stießen die Arbeiter schnell auf Knochen und das Archäologische Büro Anzenberger und Leicht aus Landshut rückte an. Bei den Ausgrabungen kamen zuerst eine Mutter und zwei Kinder ans Tageslicht. Außergewöhnlich an den Funden sei, erklärte Archäologin Birgit Anzenberger, "dass die Individuen extrem eng aufeinander liegen". In den vier Grabschächten seien die Menschen, Erwachsene und Kinder, geradezu gestapelt, sodass man jetzt, je tiefer die Ausgrabung komme, immer neue entdecke. "Es ist ganz schwierig zu eruieren, ob die alle auf einmal begraben worden sind oder nacheinander", sagte sie.

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Eine ansteckende Krankheit als Todesursache ist wahrscheinlich

Weil die Knochen kreuz und quer durcheinander lägen, sei es gut, dass, wie bei jeder Grabung, so auch hier Anthropologen dabei sind. "Die wissen dann, dieses Schienbein passt zu jenem Becken", sagte Anzenberger. Die Anthropologen haben außerdem festgestellt, dass es sich um auffallend viele junge Leute und Kinder handele. "Aber es sind auch ein paar gestandene Mannsbilder dabei", so Anzenberger. Dass eine ansteckende Krankheit der Grund für die vielen Toten in den vier Grabschächten sein könnte, hält sie für wahrscheinlich. "Das würde erklären, warum sie so wahnsinnig dicht aufeinander liegen". Einen kriegerischen Hintergrund hält sie dagegen für unwahrscheinlich, jedenfalls konnte man keine entsprechenden Verletzungen an den Gebeinen finden.

Dass sich die Ausgrabungen nun mit den immer neuen Skelettfunden in die Länge ziehen, passt auch Anzenberger nicht ins Konzept, "wir hätten viele andere Dinge zu tun". Mehr als vier Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können aber nicht gleichzeitig arbeiten, "die passen nicht in den Schacht, da drinnen ist es eng und klein", sagte sie. Darüber hinaus muss das Archäologen-Team auch immer viele Fragen von interessierten Passanten beantworten, das große Interesse der Leute sei zwar schön, so Anzenberger, "aber die müssen hier halt auch arbeiten".

Führungen vorgeschlagen

Sie hat dem Freisinger Tourismusbüro deshalb schon vorgeschlagen, doch täglich zwei Führungen anzubieten, bisher ohne Resonanz. Zu den gefundenen Individuen kann man bisher nur sagen, dass es sich um ordentlich bestattete Christen handelt. Manchmal finden sich um die Arme geschlungene Rosenkränze oder Gewandhaken. Anzenberger schätzt, dass die Menschen im 16. Jahrhundert bestattet wurden, das würde sich mit der Auflassung des alten Friedhofs decken. Man vermutet, dass die Bestattungen nicht schlagartig endeten, als im 16. Jahrhundert der heutige St.-Georgs-Friedhof, damals außerhalb der Stadtmauer, angelegt wurde.

Was mit den Gebeinen passiert, wenn die Ausgrabungen dann einmal abgeschlossen sind, wird man im Freisinger Rathaus zu entscheiden haben. Es gibt die Möglichkeit, sie wieder zu bestatten, und es besteht die Möglichkeit, sie in das Archiv der Anthropologischen Staatssammlung zu geben. Nur zurück in den Boden können sie nicht.

© SZ vom 16.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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