Freiwillige Helfer fehlen:"Dann bricht das System zusammen"

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Die Einsatzkräfte mussten die Schülerinnen und Schüler in der Schule behandeln. (Foto: Marcel Kusch/dpa)

Hilfsorganisationen haben es zunehmend schwer, ihre Ehrenämter zu besetzen. Dabei sind sie auf die Arbeit der freiwilligen Helfer angewiesen. Ein Problem ist der zunehmende Egoismus in der Gesellschaft.

Von Angelina Knauer, Freising

Ist es der jugendliche Egoismus oder der fehlende soziale Aspekt? Die schwindende Anzahl der Ehrenamtlichen bereitet den Hilfsorganisationen im Landkreis Sorgen. Beim diesjährigen Sommergespräch mit dem Leiter der bayerischen Staatskanzlei und CSU-Stimmkreisabgeordneten, Florian Herrmann, im Bierstüberl Weihenstephan trafen Vertreter des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), der Johanniter, der Malteser im Landkreis Freising, von Navis und des Technischen Hilfswerks (THW) zusammen, um sich in ungezwungener Runde zu den Nöten und Problemen der Organisationen zu äußern.

Das große Thema des Abends waren die rückgängigen Zahlen beim ehrenamtlichen Engagement. Dabei geht es nicht ohne die freiwilligen Helfer: "Wenn wir die Ehrenamtlichen nicht hätten, dann müsste in Notfällen der Rettungsdienst aus ganz Bayern anrücken", sagt Hubert Böck, Leiter des Rettungsdienstes BRK. Die Organisationen seien gerade bei größeren Schadenseinsätzen auf ihre Freiwilligen angewiesen. "Wenn das Ehrenamt wegfällt, dann bricht das System zusammen", sagt Florian Cako, stellvertretender Wachleiter der Malteser Freising. Um dieses weiterhin erhalten zu können, müssten Strukturen geschaffen werden, fordert BRK-Kreisgeschäftsführer Albert Söhl. Außerdem müsse die Motivation in der Bevölkerung für die Übernahme eines Ehrenamtes wieder gesteigert werden.

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Die Rettungsdienste setzen bei den Jüngsten an

Die Rettungsdienste setzen bei der Rekrutierung vor allem auf die Jugend. "Die Saat wird in der Schule gesät", so Heinrich Märkl von den Johannitern. Die Neuzugänge würden in Jugendgruppen und durch die Mund-zu-Mund-Propaganda auf die Organisationen aufmerksam, weshalb die Rettungsdienste bereits bei den Jüngsten ansetzen. "Die späteren Ehrenamtlichen kommen aus dem Nachwuchsförderungsprogramm und deshalb darf es ruhig Geld kosten", sagt Malteser-Kreisgeschäftsführer Sebastian Oberpriller.

"Wenn sie diesen Weg eingeschlagen haben, dann bleiben sie uns treu", denkt Iris Menzinger vom BRK, gesteht aber ein, dass man eine Lücke bei den 16- bis 18-Jährigen habe, die zur Feuerwehr abwandern würden. Die Feuerwehr habe den Vorzug, dass deren Ehrenamtliche bei Einsätzen vom Arbeitsplatz abgezogen werden dürften. Das gilt für die Hilfsorganisationen nicht. "Bei den Rettungsdiensten ist keine Freistellung möglich", so Märkl. Die Helfer müssten ihre freie Zeit für die Einsätze und Fortbildungen nutzen. Das schrecke wiederum vor allem die jungen Leute davon ab, ein Ehrenamt zu übernehmen.

Durch den Wegfall der Wehrpflicht fehlten Nachrücker

Michael Wüst, Ortsbeauftragter des THW, sieht den Grund für die wenigen nachrückenden Ehrenamtlichen im Egoismus der jungen Generation. "Ihnen fehlt das Verständnis, etwas für die Gesellschaft zu tun, ohne was zurückzubekommen", behauptet Wüst. Den großen Cut bei den Nachrückern habe es durch die Wehrdienstbefreiung gegeben, gibt Oberpriller zu bedenken. Denn durch den Wegfall der Wehrpflicht seien auch die Zivildienstleistenden nicht länger vorhanden gewesen. "Man hatte früher genug Zeit, aus den im Zivildienst Verpflichteten Freiwillige zu machen", sagt Wüst - beim THW konnten sich die Wehrdienstverweigerer bis zu acht Jahren verpflichten lassen. Laut Söhl ist das Bundesfreiwilligenkontingent, das an Stelle des Zivildienstes gerückt ist, viel zu begrenzt. Das BRK hat derzeit mit vier Bundesfreiwilligen das Kontingent ausgeschöpft und muss Interessenten sogar abweisen.

Natürlich sei die Wiedereinführung der Wehrpflicht keine Lösung, nur der Rekrutierungsfunktion wegen. "Eine Freiwilligkeit sollte im Vorhinein schon bestehen", so Söhl. Für die Ehrenamtlichen müssten stattdessen bessere Bedingungen geschaffen werden, damit dieser Dienst weiter bestehen kann, so der Wunsch. Diskutiert wurden an dem Abend dann noch die Einführung eines allgemeingültigen Ausbildungskonzeptes für die Einsatzkräfte sowie der Bau eines Schulungszentrums im Landkreis Freising. Beklagt wurde der Mangel an Ausstattung und Ausrüstung.

© SZ vom 06.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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