Regenbogenfahrt:Radltour als Sinnbild für Lebenskraft

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Die 24-jährige Viola Rummel hat in ihrer Kindheit den Krebs besiegt. Seitdem versucht sich, anderen Betroffenen Mut zu machen im Kampf gegen die Krankheit

Von Valentina Finger

Gemeinsam mit 43 anderen ehemaligen Krebskranken radelt Viola Rummel momentan durch Bayern (Foto: Johannes Simon)

Dass sie krank war, hat Viola Rummel lange nicht gewusst. Weil sie mit sieben Jahren so jung war, haben ihre Eltern ihr zunächst nicht verraten wollen, wieso sie immer wieder ins Krankenhaus musste. Die Diagnose lautete Krebs. Den hat Viola Rummel besiegt, seit zwölf Jahren gilt sie offiziell als gesund. Um anderen Betroffenen Mut zu machen, nimmt sie in diesem Jahr zum zweiten Mal an der Regenbogenfahrt teil, einer Fahrradtour, die seit 1993 von der Deutschen Kinderkrebsstiftung veranstaltet wird. An diesem Donnerstag machen die 44 Ex-Patienten am Fürstenfeldbrucker Rathaus Station. Für Viola Rummel ist das ein Heimspiel: Seit ihrer Geburt lebt die heute 24-Jährige in Fürstenfeldbruck.

Anfang 1996 wurde bei ihr ein Non-Hodgkin-Lymphom in der Thymusdrüse festgestellt, ein Organ im Lymphsystem, das sich in der Pubertät zurückbildet. Erkannt wurde es erst spät. "Es ging mir immer schlechter, ich hatte Atemprobleme und Seitenstechen, wenn ich länger gelaufen bin", sagt Rummel. Die Ärzte vermuteten eine Blinddarmentzündung, hielten weitere Untersuchungen für unnötig. Nach zwei Wochen hatte sich ihr Zustand weiter verschlechtert. "Ich erinnere mich noch daran, wie ich vor meinem Kinderzimmer stand und mein Papa mich völlig entsetzt angeschaut hat. Ich muss kreidebleich gewesen sein", sagt Viola. Eine Ultraschalluntersuchung und Bluttests ergaben dann das schockierende Ergebnis.

Von Februar bis Dezember 1996 unterzog sich Rummel einer Chemotherapie. Nachdem die fünf Nachsorgejahre ohne Zwischenfall blieben, konnte die Familie endlich aufatmen. Das Schlimmste an ihrer Krankheit sei die Abschottung von der Außenwelt gewesen, erinnert sich Viola. Während ihre Schwester draußen spielen durfte, blieb sie in ihrem Zimmer verbarrikadiert.

Viola, die damals in der ersten Klasse war, wurde in den Monaten ihrer Erkrankung zuhause unterrichtet. Erst von einem Lehrer ihrer Schule, dann von einer Freundin ihrer Mutter. "Der Lehrer hatte wohl ein Problem damit, mich so zu sehen. Er kannte mich als gesundes Kind, und plötzlich war ich krank", erzählt Rummel. In den Schulalltag ist sie nach der Therapie sehr schnell zurückgekehrt. Doch weil ihr Immunsystem durch die vielen Medikamente stark geschwächt war, rutschte sie "von einem Infekt in den nächsten", fehlte oft im Unterricht und verlor den Anschluss. "Die Folge war, dass ich trotzend im Klassenzimmer saß und mir von niemandem mehr etwas habe sagen lassen."

In der fünften Klasse wechselte sie auf die Förderschule. Nach ihrem Abschluss verbrachte sie ein Jahr am Berufsbildungswerk und begann eine Ausbildung zur Hauswirtschaftshelferin. Bis das Arbeitsamt die Zahlungen einstellte. "Es ist mir schwer gefallen, zu gehen, weil ich dort quasi für mich selbst verantwortlich war und selbständig geworden bin", sagt sie. In München setzte sie die Ausbildung fort, schloss als Jahrgangsbeste ab. Trotzdem blieb sie arbeitslos. Erst eine Ausbildung zur Pflegehelferin brachte die Wende. Seitdem arbeitet Rummel halbtags in der Altenpflege. Ganztags ist ihr zu viel. Die Folgen der Krankheit sind noch spürbar.

Trotzdem geht es ihr heute gut. Vor allem, nachdem sie einen weiteren Schicksalsschlag überstanden hat: Im vergangenen Jahr wurde bei ihrer jüngeren Schwester ebenfalls Krebs diagnostiziert. "Das hat alles wieder aufgewühlt und ich habe beschlossen, dass ich mehr für mich tun muss", sagt Rummel. Seit damals ist sie in psychologischer Behandlung, kürzlich sogar in ihre eigene Wohnung gezogen, um einen Schlussstrich zu ziehen, wie sie sagt, und einen neuen Lebensabschnitt zu begrüßen. Eben weil es ihr inzwischen so gut geht, ist die Regenbogenfahrt für Viola Rummel ein wertvolles Projekt: "Es ist wichtig, den Betroffenen zu zeigen: Es gibt eine Zeit nach der Krankheit. Wenn man im Krankenhaus sitzt, vielleicht gerade die Diagnose bekommen hat und jemanden sieht, der schon so viele Jahre gesund und aktiv ist, hilft einem das."

Insgesamt legen die Teilnehmer in acht Tagen beinahe 590 Kilometer zurück, besuchen zahlreiche Kliniken in ganz Bayern. Dass das anstrengend ist, weiß Rummel von ihrer ersten Teilnahme im Jahr 2008. Doch weil sie schon als kleines Mädchen gegen die Krankheit kämpfen musste, gibt sie heute niemals auf: "Ich habe so viel Zeit verloren, dass ich jetzt immer gewinnen will. Es ist viel zu schade, bei etwas, das so viel kleiner ist als der Krebs, einfach aufzugeben."

© SZ vom 22.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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