Prozess:Im Rausch vor Autos gesprungen

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Das Freisinger Amtsgericht verurteilt 29-Jährigen zu einer Geldstrafe wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr.

Von Peter Becker, Freising

Nur Mitleid haben die Zeugen für den 29-jährigen Angeklagten übrig, gegen den sie am Dienstagnachmittag vor dem Freisinger Amtsgericht aussagten. Der war im Januar diesen Jahres stark betrunken und unter leichtem Drogeneinfluss stehend dreimal innerhalb kürzester Zeit vor Autos gesprungen. Zweimal ging das glimpflich ab. Beim dritten Mal konnte ein Autofahrer nicht mehr rechtzeitig bremsen. Sein Wagen erfasste den Mann und schleuderte ihn zu Boden. Dabei erlitt er einen Nasenbeinbruch und eine Platzwunde am Kopf. Richter Manfred Kastlmeier verurteilte den 29-Jährigen wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, versuchter Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 5400 Euro.

Der Beschuldigte war zunächst auf der Ismaninger Straße zwischen der Ampel an der Korbiniansbrücke und der an der Isarstraße vor das Auto einer Frau gesprungen - wie ein Torwart mit weit abgespreizten Armen und Beinen, das Gesicht der Fahrerin zugewendet. Die war langsam gefahren und konnte rechtzeitig bremsen. "Ich hab ihn angeschaut und wusste, da stimmt was nicht", sagte sie als Zeugin vor Gericht. Sie verschloss den Wagen von innen und fuhr langsam Richtung Isarstraße weiter. Dabei überholte sie der Beschuldigte und kippte ein alkoholisches Getränk über der Motorhaube ihres Wagens aus.

Ähnlich erging es einem Mann auf der Isarstraße. Auch er konnte rechtzeitig bremsen. Nicht so ein weiterer Autofahrer. Der Schrei seines Beifahrers machte ihn auf eine dunkel gekleidet Gestalt aufmerksam, die etwa in Höhe des Isarhotels auf seinen Wagen zusprang. Das Bremsmanöver kam zu spät. "Er lag schon auf der Straße", sagte der als Zeuge geladene Fahrer. Sein Beifahrer ergänzte, dass sich um den Angefahrenen eine "Riesen-Blutlache" gebildet hatte. "Ich hab gedacht, der ist tot", sagte der Zeuge. "Es war ein Riesenschock, so etwas zu sehen."

Erst im Krankenhaus sieht er wieder klar

Der Angeklagte, der sich bei allen Beteiligten für sein Verhalten entschuldigte, kann sich an nichts mehr erinnern. Was er noch weiß ist, dass er am Freisinger Bahnhof Wodka und Bier getrunken habe. Offenbar hat er dabei auch Marihuana oder Haschisch geraucht. Erst im Krankenhaus sei er wieder zu klaren Gedanken gekommen. Dort war er mit einem Medikament sediert worden, was, abgesehen von seinen Verletzungen und einer Gehirnerschütterung, zu dem Gedächtnisverlust beigetragen haben kann. "Es tut mir leid", bedauerte der Beschuldigte, der in dieser Woche eine Entgiftung und Langzeittherapie angetreten hat. Der Beschuldigte führt sein Verhalten darauf zurück, dass er den Verlust seiner langjährigen Freundin nicht bewältigen konnte. Diese hatte einige Wochen vor diesen Zwischenfällen die Beziehung beendet. Ein Versuch, seine Abhängigkeit von Alkohol und Marihuana in den Griff zu bekommen, war gescheitert. Suizidgedanken schließt der 29-Jährige bei sich aus, zumindest in nüchternem Zustand.

Richter Manfred Kastlmeier sprach gegen den Beschuldigten eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen á 45 Euro aus. Er habe sich in selbstmörderischer Absicht vor die Autos der Zeugen gestürzt, begründete der Richter sein Urteil. Dabei habe er in Kauf genommen, dass die Autos beschädigt würden und deren Insassen sich verletzten könnten. Tatsächlich ist an dem Auto, dass den Angeklagten angefahren hat, ein Schaden von knapp 9000 Euro entstanden. Dieser ist bis heute nicht beglichen. Der Beschuldigte sei zwar mit 2,66 Promille stark alkoholisiert gewesen, trotzdem habe er noch gezielt handeln und auf die Autos zuspringen können. Seine Steuerungsfähigkeit sei zwar eingeschränkt gewesen, aber nicht vollkommen ausgeschaltet, wie dies bei einem Vollrausch gewesen wäre.

© SZ vom 02.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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