Blinden-Baseball:Geräusche von allen Seiten

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Nach fünf Monaten Corona-Pause endlich wieder Baseball spielen: Die Bavarian Bats beim Training in der Halle. (Foto: Lukas Barth)

Seit zehn Jahren spielen und trainieren die Bavarian Bats, Deutschlands einziges Blindenbaseballteam, in Attaching. Sie orientieren sich am Rufen, Pfeifen und Klatschen ihrer Coaches und zeigen dabei rasanten Sport.

Von Laura Dahmer, Freising

Baseball spielen, ohne zu sehen. Dass das gehen kann, beweisen die Bavarian Bats aus Freising. Bis heute sind sie die einzige Blindenbaseballgruppe in Deutschland. Trainer und Organisatoren setzen sich dafür ein, dass sich das zukünftig ändert und der Sport mehr Andrang findet. Aktuell aber gibt es nur die eine Mannschaft, die sich jeden zweiten Sonntag zum Training in Attaching trifft, auf dem Geländer der Freisinger Grizzlies. Und das schon seit fast zehn Jahren.

Die Baseballer der Bats haben sich gerade zum Trainingsspiel in der Halle aufgestellt. Jetzt muss alles still sein. "Playball", ruft Trainer Willie Ochs. Tobias Geitner holt aus, wirft den Ball leicht hoch und trifft ihn sofort. Der Schläger erwischt ihn gut, der Ball fliegt ein Stück, fällt zu Boden und hüpft klingelnd in die andere Hallenecke. Schlagartig nimmt der Geräuschpegel zu. Die Abwehr stürzt zu Boden, auf der Suche nach dem Ball. Geitner wirft den Schläger hin und rennt los, auf Headcoach Hubertus Hagemeyer zu, der ihn mit dem schrillen Ton seiner Trillerpfeife zu sich dirigiert. Er ist die erste Base. Dort angekommen, schlägt Geitner eine Linkskurve, in Richtung von Trainerin Renate Buss. Die zweite Base. Die beginnt, mit zwei Holzstücken zu klatschen. Geitner steuert auf das schneller werdende Geräusch zu, wenige Schritte noch, gleich ist er da. "Out!", ruft Hagemeyer. Neben Buss steht Fängerin und Coach Daniela Seulen, im Handschuh den Baseball. Die Abwehr hat ihr den gerade zugeschmissen, Geitner ist damit raus.

Normalerweise trainiert die Mannschaft draußen, trotz des Flughafenlärms

Sehen konnte er das vorher nicht, genau wie seine restlichen Mitspieler ist er blind. Und genau wie seine restlichen Mitspieler hält Geitner das nicht davon ab, Baseball zu spielen. Es ist übrigens auch sehenden Auges nicht leicht, das Training der Sportler mitzuverfolgen. Alles geht recht schnell, von allen Seiten dringen die verschiedensten Geräusche auf einen ein. "Dabei ist es hier noch entspannt. Normalerweise trainieren wir draußen, wenn es die Wetterbedingungen erlauben", erzählt Christian Stache, Abteilungsleiter des Inklusionssports beim FC Inter 09 Regensburg, dem die Bavarian Bats sich 2017 angeschlossen haben. Draußen, das heißt in Attaching: Zaun an Zaun mit der Startbahn eins des Flughafen München. "Wir müssen nach fast jedem Ball Pause machen, weil ein Flugzeug startet oder landet", so Stache. Weiterspielen können sie so schwer, denn die Mannschaft von Coach Hagemeyer ist auf das Pfeifen, Klatschen und Rufen ihrer sehenden Coaches angewiesen.

Wie beim regulären Baseball müssen die blinden Spieler den Ball schlagen und eine Runde mit vier Stationen, den sogenannten Bases, ablaufen, um Punkte für ihr Team zu erzielen. Das verteidigende Team versucht währenddessen, den Ball einzufangen und zu ihrem Fänger zu werfen. Schafft es das, während der schlagende Spieler nicht auf einer der Bases ist, ist dieser raus - wie zuvor Tobias Geitner. Hätte er es auf die zweite Base geschafft, hätte er beim nächsten Schlag eines Mitspielers weiterlaufen können. Nach drei solcher "Outs" werden Angriff und Abwehr gewechselt. Soweit das Grundkonzept.

Eine Pfeife und lautes Rufen bieten den Spielern Orientierung

In den Einzelheiten unterscheidet sich Blindenbaseball aber vom regulären Baseball. Und in sich noch einmal in zwei verschiedene Varianten: Die amerikanische und die italienische. Die Bavarian Bats spielen mit der italienischen, bei der der kleine Ball, in dem sich kleine Glöckchen befinden, aus der eigenen Hand geschlagen wird. "Die erste Base wird hier übersprungen, die Spieler müssen zwar an ihr vorbeilaufen, aber direkt weiter zur zweiten", erklärt Trainerin Seulen. Auf dem normalen Spielfeld steht an der ersten Base zur Orientierung eine "Beep-Tonne", in der Halle ist es Hagemeyer mit seiner Pfeife. Ab der zweiten Base klatscht ein weiterer Trainer mit Holzpads. Neben ihm steht ein ebenfalls sehender Fänger. Mit lautem Rufen von "Zwei" signalisiert er der Verteidigung, wohin sie den Ball werfen muss.

Der Ablauf klingt komplex, macht es den blinden Sportlern aber erst möglich, Baseball zu spielen. Und daraus einen sehenswerten Sport zu machen. "Es wäre schön, wenn Blindenbaseball breiter wahrgenommen würde", wünscht sich Stache. Zusammen mit dem Trainerteam um Headcoach Hagemeyer will er den Sport in Deutschland etablieren - bis hin zu einem Spielbetrieb mit mehreren Mannschaften, wie es ihn im Vorreiterland Italien gibt. Deshalb hat der Leiter des Inklusionssports beim FC Inter sich vor ein paar Jahren dafür eingesetzt, dass sich die Bavarian Bats dem Regensburger Verein anschließen. "Mittlerweile findet das Training abwechselt dort und in Freising statt, die Spieler kommen aber von überall her", sagt Stache. Ziel ist es, die beiden Standorte irgendwann wieder zu trennen und zwei Mannschaften aufzubauen, die gegeneinander spielen können. Am 19. Mai veranstalten die Bavarian Bats auf dem Attachinger Trainingsgelände einen Workshop, um sehenden und blinden Interessierten Blindenbaseball näherzubringen.

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