Blinde Menschen in Freising:"Der Bahnhof ist ein Problem"

Franziska Sgoff aus Attaching ist von Geburt an blind. Ihren Alltag kann die 22-Jährige gut alleine meistern, vor besondere Herausforderungen stellen sie aber Bahnsteige ohne Rillen oder moderne Touchscreen-Geräte.

Interview von Laura Dahmer, Freising

Gesehen hat Franziska Sgoff Freising nie. Denn die 22- jährige Attachingerin ist von Geburt an blind. Das ändert nichts daran, dass sie hier im Landkreis ein ganz normales Leben führt. Sgoff ist ausgebildete Fremdsprachenkorrespondentin für Englisch und Französisch. Durch Zufall stieß sie auf einen Praktikumsplatz in der Abteilung Barrierefreiheit eines Unternehmens. Seitdem setzt sie sich mehr mit dem Thema auseinander. Die 22-Jährige erzählt, was aus ihrer Sicht in Freising bei der Barrierefreiheit gut läuft und was es hier für Blinde noch zu verbessern gibt.

Blinde Menschen in Freising: Blinden Menschen können sie das Leben schwer machen: Bahnsteigkanten ohne Leitlinien.

Blinden Menschen können sie das Leben schwer machen: Bahnsteigkanten ohne Leitlinien.

(Foto: Marco Einfeldt)

SZ: Wo liegen im Alltag für Blinde Probleme, was für andere selbstverständlich scheint?

Franziska Sgoff: Es fängt schon mit dem Touchscreen an, auf Kaffeemaschinen, Herdplatten, Geräten generell. In einem Freisinger Restaurant hatte ich letztens so ein Erlebnis. Ich wollte meine Schwester zum Essen einladen und mit Karte zahlen. Die hatten aber so ein Touch-Gerät. Ich kann da nicht fühlen, wo welche Taste ist. Am Ende musste meine Schwester für mich die Geheimzahl eingeben. Wenn das meine Schwester ist, ist das noch okay. Aber eigentlich heißen solche Geräte für mich: Ich muss immer Bargeld dabeihaben, weil ich sonst Gefahr laufe, nicht zahlen zu können. Geräte mit Touch sehen vermutlich schöner und moderner aus, aber gerade uns bringen sie gar nichts.

Blinde Menschen in Freising: Franziska Sgoff (22) lebt in Attaching. Die Fremdsprachenkorrespondentin hat beruflich und ehrenamtlich immer wieder bei barrierefreien und inklusiven Projekten mitgearbeitet. Aktuell schreibt Sgoff an ihrem ersten Buch.

Franziska Sgoff (22) lebt in Attaching. Die Fremdsprachenkorrespondentin hat beruflich und ehrenamtlich immer wieder bei barrierefreien und inklusiven Projekten mitgearbeitet. Aktuell schreibt Sgoff an ihrem ersten Buch.

(Foto: Marco Einfeldt)

Haben Sie noch so ein Beispiel?

Bei Bankautomaten ist es auch so. Die haben zwar ein Tastenfeld für die Geheimzahl, aber der Rest ist Touch. Da bei uns in der Bank in Attaching kein Bankangestellter mehr ist, kann ich eigentlich nicht mehr alleine Geld abheben. Am Karten- und Geldschlitz wird zwar meist alles mit Brailleschrift dargestellt. Aber wenn man den Automaten nicht von Anfang selber bedienen kann, ist das sinnlos. Es gibt zum Beispiel Bankautomaten mit Sprachausgabe, wo man die Kopfhörer reinstecken kann und der Automat sagt einem, wo man draufdrücken muss. Das müssten mehr Banken haben.

Blinde Menschen in Freising: Bankautomaten mit Touchscreen sind für Blinde problematisch.

Bankautomaten mit Touchscreen sind für Blinde problematisch.

(Foto: Marco Einfeldt)

Stoßen Sie in Freising oft auf solche Schwierigkeiten?

Gerade der Bahnhof ist noch so ein Problem. Da weiß man oft gar nicht, wo man gerade ist. Ich finde es ziemlich gruselig, alleine am Gleis entlangzulaufen, ohne Leitlinie. Die Leitlinie, das sind Rillen am Bahngleis, die zeigen, wo die Kante kommt. Kann man den Abstand nicht richtig abschätzen, dann landet man mit dem Blindenstock schon mal im Leeren. Ich fürchte mich da alleine. Pasing zum Beispiel hat einen besseren Bahnhof: Die haben nicht nur überall Leitlinien, da steht am Treppengeländer auch in Blindenschrift das Gleis, und wo was ist. Das Problem ist: Der Bahnhof ist Sache der Deutschen Bahn, die Stadt kann da nicht viel machen. Ich habe das Thema Leitlinien dort mal angesprochen. Aber mit den Treppengeländern, da könnte die Stadt ja vielleicht was machen. Was in Freising dagegen super ist: Fast alle Busse im Landkreis haben Durchsagen.

Umbau am Bahnhof

Eines der Probleme, die Franziska Sgoff anspricht, könnte sich in absehbarer Zukunft lösen: Teil der geplanten Umbauten am Freisinger Bahnhof soll die Einrichtung eines taktilen Bodenleitsystems auf dem gesamten Bahnsteig sein. Das sind ebendiese Leitlinien, die Franziska Sgoff zur Orientierung bisher fehlen. Nur im überdachten Bereich der Plattform sind die Rillen aktuell zu finden - für blinde Menschen ist das zu wenig. Die "DB Station & Service AG" will das nun ändern. Die Arbeiten an den Freisinger an den Bahnsteigen sollen vom 1. April bis zum 30. Juni stattfinden, immer nachts zwischen 23.15 und sechs Uhr. Schon bald könnte es Franziska Sgoff also leichter fallen, alleine am Bahnhof unterwegs zu sein. lada

Alleine am Bahnhof, ist für Sie also problematisch. Was ist ähnlich schwierig?

Essen gehen kann ich hier auch nicht ohne Begleitung, in den Restaurants gibt es keine Speisekarten in Blindenschrift. Klar, die Zielgruppe ist klein, da ist es aufwendiger. Aber zumindest eine Karte in Blindenschrift? Das wär schon ziemlich cool. Wenn mich ein Restaurant fragen würde: Hättest du Lust, unsere Speisekarte zu übersetzen? Dann würde ich das sogar machen.

Mal zum Menschlichen: Was sind Schwierigkeiten im Umgang miteinander?

Es gibt immer mal wieder Menschen, die mich ziemlich wortlos behandeln - ob beim Arzt, auf irgendeinem Amt oder in einem Geschäft. Für mich ist das total unangenehm, vor allem wenn ich alleine bin. Manchmal geht es so weit, dass die Leute über meinen Kopf hinweg mit meiner Begleitung reden, obwohl ich daneben stehe. Ich war mal mit meiner Mutter in einem Laden, da war eine ältere Verkäuferin. Die hat dann Sachen gefragt wie: Kann sie das alleine? Oder: Wie gefällt ihr das? Wo ich mir denke: Wenn es gerade um mich geht, warum fragen die Leute mich nicht einfach selber? Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft dafür mehr sensibilisiert wird, dass es auch blinde Menschen hier in Freising gibt. Und dass die teilhaben möchten.

Werden blinde Menschen generell eher unterschätzt?

Ja, total. Manche Leute in meinem Ort, die mich seit Jahren kennen, können sich überhaupt nicht vorstellen, dass ich was alleine mache oder unterwegs bin. Manchmal ist es ganz, ganz seltsam. Man müsste mehr miteinander sprechen. Zum Beispiel, dass man einfach sagt: Sag mir, was ich für dich tun kann, und ich unterstütze dich dann dabei. Oder: Wenn du keine Hilfe brauchst, dann machst du das alleine.

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