Neufahrner Pfarrer:Neun Jahre ohne Reibungsverluste

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In Neufahrn fühlt Pfarrer Wolfgang Lanzinger sich sehr wohl, weil der Zusammenhalt in der Gemeinde gut ist. (Foto: Marco Einfeldt)

Wolfgang Lanzinger ist nach Neufahrn gekommen, weil er keinen großen Pfarrverband leiten wollte. Die Entscheidung hat er nie bereut.

Interview von Birgit Grundner, Neufahrn

Der katholische Pfarrer von Neufahrn und Mintraching, Wolfgang Lanzinger, hat vor kurzem sein 40. Priesterjubiläum begangen. So etwas sei eigentlich nur eine Frage des Alters, sagt er bescheiden, und wollte deshalb auch gar nicht groß feiern.

SZ: Das Jubiläum schien Ihnen ja fast ein bisschen peinlich zu sein ...

Lanzinger: Ich bin ein Mensch, der im persönlichen Bereich sehr zurückhaltend ist. Deshalb war es mein Wunsch, nur einen Gottesdienst mit modernen Liedern zu feiern und anschließend ein Glas Sekt zu trinken - ohne Ansprachen. Das wurde dann toll gemacht: Alles war verpackt in ein zweistündiges kreatives und fröhliches Programm. Es war eine super Stimmung, und es hat mich gefreut, weil man gespürt hat, dass mich die Gemeinde mag. Wir verstehen uns hier auch wirklich gut. Das Seelsorgeteam, das ganze Pfarrhausteam - wir arbeiten seit neun Jahren ohne Reibungsverluste gut zusammen. So etwas ist absolut nicht selbstverständlich und ein Glück.

Wenn Sie mal die 40 Jahre Revue passieren lassen - gab es besonders wichtige Stationen?

Jede Pfarrei ist anders und hat eine eigene Prägung. Wenn man sich auf das einlässt, was vor Ort ist, macht man gute Erfahrungen. Man kann Gemeinden auch schwer vergleichen. Zum Beispiel Baldham und Neufahrn: Vom Sozialgefüge her sind das völlig verschiedene Gemeinden. Ich bin mit jeder gut zurechtgekommen.

Fast ein Viertel Ihrer Berufszeit haben Sie jetzt schon in Neufahrn verbracht - sind Sie da auch bisschen ein Neufahrner geworden?

Freisinger Köpfe
:Akzente für das Jubiläum

Pfarrer Lanzinger bereitet Pfarrei auf ihren 100. Geburtstag vor. In Neufahrn schätzt er die gute Gemeinschaft.

Ich habe Neufahrn sehr schätzen gelernt. Man merkt hier als Pfarrer auch die gute Vorarbeit, man kann an vieles anknüpfen: Hier waren immer engagierte Seelsorger, und die Arbeit in Neufahrn wurde immer auch von Pastoralreferenten mitgeprägt. Hier gibt es auch die Bereitschaft, mitzugehen und sich auf was Neues einzulassen - so wie jetzt zum Beispiel die geplante Beteiligung an der "Langen Nacht der Kirchen" zum 100. Pfarreijubiläum oder unser Projekt zur Zukunftsfähigkeit der Gemeinde.

Was schätzen Sie außerhalb des kirchlichen Bereichs am Ort?

Zum Beispiel die Vereine, die viel zum funktionierenden Gemeindeleben beitragen. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Sportverein wie vor kurzem der TSV sein Jubiläum mit einem Festgottesdienst feiert. Und es ist eine vielfältige Gemeinde mit hohem Ausländeranteil, in der ein großer Zusammenhalt da ist.

Sie haben Germering verlassen, weil dort ein Pfarrverband gebildet wurde und Sie nicht in einer "Großeinheit" tätig sein wollten. Hat sich die Hoffnung erfüllt, dass es in Neufahrn anders läuft?

Ich schätze es sehr, dass hier kein Pfarrverband ist, sondern eine zwar große, aber eben nur einzige Gemeinde mit zwei Gottesdienst-Orten. Ich habe auch geschaut, dass Mintraching sein volles "Programm" behält. In einer Gemeinde gibt es auch nicht die Rivalitäten wie in einem Pfarrverband. Also, meine Hoffnung hat sich voll erfüllt.

Aber die kleine Einheit wird immer noch kleiner ...

Als ich hierher gekommen bin, waren es 6800 Katholiken in der Pfarrei, jetzt sind es noch 6500. Der Zuzug fängt vieles auf, aber das trügt. Die Austritte sind schon gewaltig gestiegen - in der Diözese um 30 Prozent, und das Gleiche ist es auch hier. Der Prozess lässt sich nicht aufhalten, auch wenn man gute Gemeindearbeit macht.

Was muss man heute anders machen als - sagen wir mal - vor 20 Jahren, um die Leute in die Kirche zu holen?

In unseren Sonntagsgottesdiensten haben wir einen relativ hohen Anteil an Familien. Wenn wir die Kinder zum Altar vorholen, sind oft 35 Kinder da. Das ist erstaunlich und ein Verdienst der Kinderseelsorge und der Jugendarbeit. Wenn ein Angebot für Kinder und Familien da ist, dann kommen die durchaus. Wir schauen auch, dass die Gottesdienste Treffpunkt sind. Da gibt es anschließend auch mal Missionsgemüsesuppe, Weißwürste oder ein Kirchencafé. Wichtig ist, dass die Leute spüren: Hier ist ein Stück Heimat, da kann ich hingehen. Und man muss die Gottesdienste so gestalten, dass die Leute was mitnehmen. Wir bekommen immer wieder das Echo, dass uns das gelingt.

Wie hat sich die Zahl der Gottesdienstbesucher denn entwickelt?

Es sind schon weniger geworden. In den neun Jahren, in denen ich jetzt hier bin, sind viele gestorben. Und wenn zehn sterben, kommen vielleicht drei neue nach. Bei den Gottesdiensten Mittwochfrüh ist es inzwischen so ein kleines Häufchen, dass sich die Frage stellt, ob man das Angebot erhalten kann.

Immer wieder hört man, dass die Diözese sparen muss, auch beim Personal. Was bedeutet das für Neufahrn?

Da ist noch nichts bekannt. Grundsätzliche Vorgabe ist, dass das Personal im Schnitt um 30 Prozent reduziert wird. Möglicherweise werden wir in drei oder vier Jahren nur noch zwei Seelsorger haben - einen Pfarrer und einen Pastoralreferenten oder eine Pastoralreferentin.

Sie sind ja nicht nur Seelsorger, sondern gewissermaßen auch Chef eines mittelständischen Unternehmens. Was bedeutet das für Sie im Arbeitsalltag?

Ich habe viel Erfahrung und kann deshalb vieles nebenbei machen. Trotzdem kostet es Kraft. Es gibt Tage, da brauche ich mehr als die Hälfte der Zeit für diese Aufgaben. Aber es ist auch ein Vorteil, wenn alles in einer Hand ist. Da kann man manche Dinge besser gestalten. Das war auch der Grund, warum ich eine Einzelpfarrei gesucht hatte. Ich mag das: mich um das Gesamte kümmern. Dazu gehören auch acht Gebäude, und wir haben relativ viel Grundbesitz, der verwaltet werden muss.

Wenn wir mal in die Zukunft blicken: Werden Sie Ihr 45. Priesterjubiläum auch noch in Neufahrn feiern?

Nein, bei uns hört man ja mit 70 Jahren auf, und das sind bei mir noch drei Jahre. Die Kraft wird weniger, ich spüre das jeden Tag, und ich muss mich unendlich disziplinieren, um das Programm zu schaffen. Ich hoffe, dass ich das bis zum 70. gesundheitlich hinkriege. Im Oktober 2021 feiern wir das 100. Jubiläum unserer Pfarrei. Und im August 2022 ist für mich finito.

Haben Sie Pläne für die Zeit danach?

Vielleicht gibt es einen Pfarrer, der sich freut, wenn ich bei ihm mitarbeite. Ansonsten werde ich irgendwo eine Wohnung suchen und sehen, was sich entwickelt. Der Ruhestandsort darf aber nicht der letzte Einsatzort sein, das steht so in unseren Statuten. Das hat Vorteile für den Nachfolger - und bestimmt auch für einen selbst.

© SZ vom 05.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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