Versuchter Mord:Noch mal von vorn

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Durch eine Menge Akten müssen sich alle Beteiligten bei der Neuauflage eines Prozesses um einen versuchten Mord an einem Reitstallbesitzer arbeiten. Der erste Prozess dauerte ein Jahr. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Der Prozess um einen Einbruch in eine Wohnung in Kranzberg, bei dem der Besitzer niedergeschlagen und lebensgefährlich verletzt wurde, wird neu aufgerollt. Der BGH hat das erste Urteil aufgehoben und den Fall ans Landgericht zurückverwiesen.

Von Alexander Kappen, Landshut/Kranzberg

Es war eine einschneidende, brutale Tat, die das Opfer und auch seine Lebensgefährtin bis heute beschäftigt. "Dieses Bild vergisst man nicht, es sah aus wie auf einem Schlachtfeld", sagte Letztere am Freitag als Zeugin am Landgericht Landshut aus. Dort wird der Prozess um einen Einbruch am 9. Februar 2020 in die Wohnung eines Kranzberger Reitstallbesitzers, bei dem dieser durch einen Schlag auf den Kopf schwer verletzt wurde, jetzt auf Anweisung des Bundesgerichtshofs neu aufgerollt.

Die Jugendkammer des Landgerichts unter Vorsitz von Richter Andreas Wiedemann hatte im März 2022 die beiden angeklagten Brüder lediglich wegen eines Wohnungseinbruchsdiebstahls und Beihilfe - die Beute betrug 700 Euro - zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren beziehungsweise einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt. Beides zur Bewährung ausgesetzt.

Der Schlag auf den Kopf des damals 51-jährigen Opfers, das dabei laut Anklage lebensgefährliche Verletzungen in Form eines offenen Schädelhirntraumas mit dislozierter Schädelfraktur erlitt, sei zwar als heimtückischer Mordversuch zu werten, hieß es seinerzeit bei der Urteilsverkündung. Aber man könne nicht nachweisen, wer den Schlag ausgeführt habe. Als Täter kommt neben den beiden Brüdern, heute 26 und 21 Jahre alt, auch noch ihr 24-jähriger Freund infrage, der bei dem Einbruch dabei gewesen sein soll und jetzt ebenfalls auf der Anklagebank sitzt.

Gegen das erste Urteil hatten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung Revision eingelegt. Der BGH wies das Verfahren an das Landgericht zurück, weil im ersten Prozess nicht alles Erforderliche getan worden sei, um eine widerspruchsfreie Entscheidung zu treffen. Seit vergangener Woche verhandelt nun die als Jugendgericht tagende erste Strafkammer unter Vorsitz von Richter Ralph Reiter die Angelegenheit ganz von vorn. Diesmal allerdings mit drei Angeklagten.

Diese hielten sich an den ersten drei Verhandlungstagen noch bedeckt und machten von ihrem Recht Gebrauch, sich nicht zur Tat zu äußern. Die Verteidiger der beiden Brüder kündigten am Freitag jedoch Einlassungen ihrer Mandanten bei der Fortsetzung der Verhandlung im Mai an. Die Verteidigerin des 24-jährigen Freundes des Brüderpaars wollte dahin gehend noch keine Erklärung abgegeben.

Als die Einbrecher sein Schlafzimmer durchsuchen, wacht das Opfer auf und wird niedergeschlagen

Im ersten Prozess hatte das Brüderpaar über Erklärungen der Verteidiger Angaben gemacht. Demnach sei der Ältere gar nicht bei dem Einbruch dabei gewesen, sondern habe nur als Fahrer fungiert und im Auto gewartet. In der Wohnung sollen der jüngere Bruder, zur Tatzeit erst 17 Jahre alt, und der Freund gewesen sein, der seinerzeit noch nicht auf der Anklagebank saß. Dieser, so hieß es damals seitens der angeklagten Brüder, soll den Schlag ausgeführt haben. Zu diesem kam es, weil der Reitstallbesitzer offenbar entgegen der Annahme der Einbrecher zu Hause war. Als die Täter im Schlafzimmer nach Geld suchen wollten, wachte der heute 55-Jährige auf - und wurde dann von einem der Einbrecher mit einem harten Gegenstand niedergeschlagen.

Der Mann war sich im ersten Prozess schon hundertprozentig sicher, vor dem Niederschlag beide Brüder in seinem Schlafzimmer erkannt zu haben. Und bei der Neuauflage der Verhandlung habe er in seiner Vernehmung nichts Anderes berichtet als damals, stellte der Vorsitzende am Freitag fest. Auch die Lebensgefährtin des Opfers bestätigte, ihr Freund sage ihr "immer wieder, dass er diesen Film vor seinem Auge sieht, in dem beide zu 100 Prozent in seinem Zimmer stehen". Das Licht sei an gewesen, "es war taghell", so die 36-Jährige.

Das Opfer kannte die beiden Brüder. Der Jüngere hatte in dessen Reitstall gearbeitet, war offenbar fleißig und konnte gut mit den Pferden umgehen. Doch es kam zum Bruch. Der heute 21-Jährige soll damals plötzlich verschwunden sein und das Opfer zusammen mit seinem Bruder in einem Telefonat wegen angeblich noch ausstehender Lohnzahlungen bedroht haben. So berichtete es die Lebensgefährtin des Reitstallbesitzers am Freitag. Dennoch habe ihr Freund dem jungen Mann noch eine zweite Chance gegeben, bis er schließlich nicht mehr zur Arbeit erschien und endgültig vom Hof gejagt wurde, wo er während der Zeit seiner Beschäftigung ein Zimmer hatte. Bei früheren Gelegenheiten soll der Angeklagte bereits Beträge von rund 3000 und 17 000 Euro von seinem Chef gestohlen haben.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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