Kranzberger Chronik:Sammeln, sammeln, sammeln

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Ein spannendes Kapitel in der neueren Geschichte Kranzbergs ist für Gemeindearchivar Alfons Berger die Rettung und Sanierung des Pantaleonsgebäudes, ein ehemaliges Hitlerjugend-Heim, in dem jetzt Veranstaltungssaal und Bronzezeit-Museum untergebracht sind. (Foto: Marco Einfeldt)

Jahrelang haben Gemeindearchivar Alfons Berger und sein Team akribisch Zahlen und Fakten aus der Geschichte des Ortes zusammengetragen. Das fertige Werk reicht vom Fragment des Stoßzahns eines Hauerelefanten bis zur Entwicklung in der Nachkriegszeit.

Von Petra Schnirch, Kranzberg

Es ist ein stattliches Werk geworden. 552 Seiten umfasst die Kranzberger Chronik, an diesem Wochenende startet der Verkauf im Pantaleonsgebäude. Jahrelang hat ein Team um Gemeindearchivar Alfons Berger akribisch Zahlen und Fakten aus der Geschichte des Ortes zusammengetragen. Am Freitag ist das Buch Ehrengästen und allen, die daran mitgewirkt haben, vorgestellt worden.

Berger sieht die Chronik vor allem als Nachschlagewerk. Angefangen vom ältesten Fundstück, dem Fragment eines Stoßzahns eines Hauerelefanten, dessen Alter auf etwa 14 Millionen Jahre geschätzt wird, über Funde aus Bronze- und Hallstattzeit sowie dem Mittelalter, über die NS-Zeit, das Pantaleonsgebäude und die Entwicklung Kranzbergs nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Geschichte des idyllisch an der Amper gelegenen Dorfes darin abgebildet. Viel Raum nimmt das Kapitel zum Land- und Pfleggericht ein, das von etwa 1220 bis 1804 seinen Sitz in Kranzberg hatte - lange Zeit im Gebäude des späteren Fischerwirts. Auf den Fotos in dem Buch werden viele Kranzberger sich oder einige ihrer Vorfahren wiederfinden.

Der erste Anstoß kam bereits 1984

Intensiv daran gearbeitet haben Berger und sein Team seit 2012. Der erste Anstoß kam aber bereits 1984 vom damaligen Bürgermeister Franz Schredl. Er habe ihn in sein Büro gebeten und mit der Idee konfrontiert, erzählt Berger. Denn Schredl wusste, dass er bereits eine Chronik seiner Familie zusammengestellt hatte.

Danach fragte er erst einmal den Archivpfleger in Taufkirchen im Landkreis Erding - Berger ist dort aufgewachsen - um Rat, wie er das Projekt angehen solle. Dessen Antwort: sammeln, sammeln, sammeln. Dies hat Berger in den kommenden Jahren befolgt. Er legte Karteikästen an, Computer standen damals noch nicht zur Verfügung, und bat die Kranzberger, die Pfarrei, die Schule um Fotos und Unterlagen. Auch im Staatsarchiv und in der Dombibliothek in Freising suchte er nach Dokumenten. Berger bedauert sehr, dass sie nicht mehr zugänglich ist. Einiges zur Gemeindegeschichte war zudem bereits vorhanden, zusammengetragen durch Geschichtsinteressierte wie den früheren Lehrer Karl Rothenberger. Was aber immer gefehlt hatte: "Über das einfache Volk findet man wenig", sagt Berger.

Alfons Berger zeigt die neue Chronik des Pantaleonsgebäudes, die nun in einer Auflage von 1000 Stück zum Verkauf steht. (Foto: Marco Einfeldt)

Auch zufällige Entdeckungen helfen dem Heimatforscher

Der Zufall Mitunter half auch der Zufall. In einer Ausstellung in Straubing entdeckte der Heimatforscher 1992 das Bild einer Gerichtssitzung aus Kranzberg von 1612, in Nürnberg fand er ein weiteres Gemälde aus dieser Zeit, auf dem eine Meisterprüfung der Schneiderzunft im Landgericht Kranzberg von 1612 dargestellt ist. Das Bild befindet sich im Germanischen Nationalmuseum. Berger glaubt, dass sie vom gleichen Maler stammen, der das Gemälde des Schlosses im Pfarrhof geschaffen hat. Es ziert auch das Titelbild der Chronik. Das Schloss selbst war 1632 von schwedischen Reitern in Brand gesteckt und zerstört worden. Ein Luftbild mit Informationen zu Kampfhandlungen am 29. April 1945 erhielt die Gemeinde von den Amerikanern, als sie vor dem Bau des Mehrgenerationenhauses routinemäßig abfragte, ob mit Munitionsfunden zu rechnen sei.

In der Chronik finden sich viele lesenswerte Details, etwa dass die Kranzberger zur Landshuter Hochzeit 1475 verpflichtet wurden, insgesamt 400 Hennen, 300 Gänse, 6600 Eier, 700 Lämmer und "eine nicht geringe Anzahl" an Ferkeln zu liefern. Eine Rechnung aus dem Jahr 1738 listet auf, was der Scharfrichter, also der Henker, für seine Tätigkeiten einforderte. Lange Thema in der Gemeinde war die Hinrichtung des Bäckermeisters Johann Döbl am 7. Januar 1945 in Berlin. Er hatte in seinem Laden Verständnis für die Hitler-Attentäter geäußert und war denunziert worden. Auch eine Unterschriftenliste der Kranzberger zu seiner Ehrenrettung konnte ihm nicht mehr helfen.

Vor allem die Schlussphase war sehr anstrengend

Redaktionell mitgearbeitet haben an der Chronik Elfi Kerschl, Werner Egger, Gerlinde Moldan und Elvira Baier, außerdem weitere Autoren. Wie ist es nun, wenn man nach so langer Vorarbeit das fertige Werk endlich in Händen hält? Alfons Bergers Antwort fällt eher nüchtern aus. Für ihn sei das ja nichts Neues, sagt er. Zwischen 1995 und 2012 hat er bereits sechs Chroniken für die Ortsteile verfasst. "Es war aber schon eine Erleichterung", vor allem die Schlussphase sei sehr anstrengend gewesen. Genug hat er noch nicht: Teil zwei ist in Arbeit und wird die alten Anwesen in Kranzberg vorstellen.

An diesem Wochenende, 2./3. Oktober, kann die Chronik jeweils von 14 bis 17 Uhr zu einem Preis von 35 Euro im Pantaleonsgebäude erworben werden, von Montag an dann im Rathaus und im Bronzezeit-Museum. Die Auflage umfasst 1000 Stück.

© SZ vom 02.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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