Naturschutz:Wilde Ecken helfen dem Igel

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Naturnahe Gärten mit Laub, Hecken und Sträuchern sind für den Igel und andere Tiere sehr wichtig, damit sie genügend Nahrung und Verstecke finden. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Die stachligen Gesellen haben ihren Winterschlaf beendet und sind auf Nahrungssuche. In Siedlungen lauern jedoch viele Gefahren, auch der Insektenschwund ist ein Problem. Tierschützer Lutz Rietzscher erklärt, was jeder Einzelne tun kann.

Von Petra Schnirch, Freising

In unseren Gärten schmatzt und grunzt es wieder, die meisten Igel im Landkreis Freising haben ihren Winterschlaf beendet. Viele Menschen freut es, wenn sie die kleinen Stacheltiere bei ihren nächtlichen Streifzügen durch die Wiesen sehen oder zumindest hören. Doch die Bestandszahlen sind stark rückläufig. Ursachen dafür gibt es einige: zu aufgeräumte Gärten, Pestizide, dichte Zäune und moderne Gartengeräte wie Mähroboter.

"Der Igel ist bedroht", sagt Lutz Rietzscher. Er kümmert sich seit 40 Jahren um kranke, verletzte und schwache Tiere und weiß, was ihnen das Leben schwer macht. Angefangen hatte es mit einem Igel, den er aufpäppelte. Inzwischen pflegt er gemeinsam mit seiner Frau Barbara daheim in Au regelmäßig fünf bis 17 Igel - "die absolute Schallmauer", sagt Rietzscher - oder vermittelt sie an einen festen Stamm an Paten weiter. Anfragen gibt es viele, Rietzscher betont deshalb, dass er nur noch Igel aus dem Landkreis Freising annimmt. Und er kämpft dafür, dass ihr Lebensraum wieder igelfreundlicher wird. Seit er im Ruhestand ist, nimmt er sich dafür noch mehr Zeit.

Es gibt viele kleine Schritte, wie man Igeln - "Tier des Jahres 2024" - helfen kann. Das A und O sind, Liebhaber von englischem Rasen werden es nicht gerne hören, naturnahe Gärten mit Laubhaufen und wilden Ecken. Davon profitieren Igel ebenso wie Vögel, Eidechsen und Insekten. Gibt es zu wenig Laufkäfer, fressen Igel vermehrt Schnecken und Regenwürmer, die aber haben "fast alle Parasiten", wie Rietzscher erklärt. "Krankheitsfälle nehmen dadurch zu."

Ein großes Problem sind nach seinen Worten Mähroboter, die nachts laufen. Er bekomme immer wieder Igel mit "klassischen Mähroboter-Verletzungen". Nur ganz neue, teure Geräte könnten Tiere dank Künstlicher Intelligenz erkennen - nicht aber kleine Insekten, die auf den Wiesen unterwegs sind. Auch Motorsensen könnten Igeln zum Verhängnis werden.

Lutz Rietzscher aus Au mit einem Igel-Pflegling. (Foto: privat)

Sein Wissen gibt Lutz Rietzscher oft und gerne weiter, auf seiner Website www.igelpaten.de, am 7. Mai bei einem eineinhalbstündigen Kurs an der VHS in Freising sowie an Schulen und in Kindergärten. "Man kann die Leute schon erwärmen für das Thema", sagt er. Besonders die Kinder. Sie machten dann daheim "Dampf", dass beispielsweise die Gelben Säcke am Abend vor der Abholung über Zäune gehängt werden und nicht am Boden liegen. Denn dort sind sie für Igel eine verlockende, aber gefährliche Nahrungsquelle. Von Milchresten bekämen die Tiere Durchfall, erzählt Rietzscher. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Igel in den Säcken einschlafen, mit tödlichen Folgen.

Wasserschalen im Garten helfen den Tieren

Ganz wichtig sind für die Tiere Wasserschalen. Rietzscher hat in seinem Garten sogar Kameras an seinen Futterstellen aufgestellt. Es habe sich gezeigt, dass Igel immer zuerst zum Wasser gehen, weil sie kaum noch welches finden. Zudem sollten Gärten durchlässig sein. Das Revier eines Igels sei so groß wie acht Fußballfelder. Der "absolute Graus" sind für Lutz Rietzscher deshalb Stegmattenzäune, unter denen Igel hängen bleiben können, oder Gabionen, "deutscher Festungsbau", wie er dazu lapidar sagt. Ein Kunststoffrohr beispielsweise könne Igeln helfen, solche Hindernisse zu passieren.

Dass sich die Situation in Deutschland für Igel wesentlich verbessert, glaubt Lutz Rietzscher nicht. Was ihm wenig Hoffnung macht, sind das Desinteresse der Politik und die Bürokratie. Für Wildtiere wie den Igel gebe es zum Beispiel keine zugelassene Medizin. Das mache Behandlungen auch für Tierärzte kompliziert. In Dänemark werde die Bevölkerung stärker in Forschungsvorhaben eingebunden. Wer einen toten Igel entdeckt, könne ihn dort einschicken, der Kadaver werde untersucht, um neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Igel-Sichtungen können dem LBV gemeldet werden

Im Freistaat sammelt der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) mit dem Bürgerforschungsprojekt "Igel in Bayern" zumindest Informationen über Sichtungen lebender, aber auch toter Tiere. Gemeldet werden können sie unter www.igel-in-bayern.de. Auch der LBV rät Gartenbesitzern, Naturelemente wie Hecke, Teich, Obstbäume, Steinmauer und Wiese zu schaffen. So finde der Igel mehr Nahrung wie Käfer, Raupen von Nachtfaltern und Larven, Regenwürmer, Ohrwürmer sowie Spinnen. Mineraldünger und chemische Bekämpfungsmittel reduzierten die Artenvielfalt dagegen.

Wer sich angesichts des aktuellen Kälteeinbruchs Sorgen macht, den kann Lutz Rietzscher beruhigen. Einem gesunden Igel mache das nichts aus, erklärt der Igelschützer. "Sie schlafen dann einfach noch mal zwei bis drei Tage."

Wer mehr über Igel erfahren will, hat dazu am Dienstag, 7. Mai, an der Volkshochschule in Freising Gelegenheit. Lutz Rietzscher erzählt eineinhalb Stunden lang Wissenswertes über die faszinierende Welt der urigen Tiere. Beginn ist um 19 Uhr. Weitere Informationen unter www.vhs-freising.org .

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