Vogelschutz:Sie klappern wieder

Lesezeit: 3 min

Keinen einfachen Platz hat ein Storchenpaar in der Freisinger Innenstadt ausgewählt: Es baut einen Horst auf der gewölbten Kaminabdeckung an der Oberen Hauptstraße. Das Nest wächst Tag für Tag, sieht aber noch ziemlich chaotisch aus. Ob es letztlich stabil genug ist, wird sich zeigen. Im Hintergrund der eingerüstete Turm von St. Georg. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Zahl der Störche in der Region steigt. Mehrere der bekannten Horste in den Landkreisen Freising und Erding sind wieder belegt. Die großen Vögel bauen aber auch neue Nester an ungewöhnlichen Orten - etwa auf einer gewölbten Kaminabdeckung mitten in der Freisinger Innenstadt.

Von Petra Schnirch, Freising

Es klappert wieder vielerorts in den Landkreisen Freising und Erding. Die meisten bekannten Storchenhorste sind wieder besetzt - und es kommen neue dazu. Eine Attraktion in der Freisinger Innenstadt ist derzeit ein Storchenpaar, das an der Oberen Hauptstraße, auf der Kaminabdeckung über der Sparda-Bank, ein Nest baut. Kein ganz einfaches Unterfangen, denn das Blech ist gewölbt, die Umgebung sehr belebt.

Der Trubel sei ihnen egal, sagt Manfred Drobny, Kreisgeschäftsführer des Bundes Naturschutz. In anderen Gegenden, etwa in Südspanien, nisteten sie immer schon in Städten. Ob sie es schaffen, an dieser schwierigen Stelle tatsächlich einen Horst zu errichten, werde man sehen.

Auch Drobny wundert sich, dass die Äste halten - und dass die Störche überhaupt ein Nest selbst bauen. "Sie sind eher faul", sagt er. Bis vor wenigen Jahren sei es sogar schwierig gewesen, dass sie bereitgestellte Horste annehmen und mit Zweigen bestücken. Der Horst in der Freisinger Altstadt erregt jedenfalls Aufsehen. Ihn hätten schon viele E-Mails erreicht, erzählt Drobny. Wenn gerade wieder einer der Vögel klappernd einfliegt, gehen die Köpfe der Passanten nach oben.

Die Zahl der Weißstörche hat in den beiden Landkreisen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Der Horst auf dem Gasthaus Pfanzelt neben der Kirche in Langengeisling sei der einzige, der durchgehend besetzt war, sagt der Freisinger Ornithologe Christian Magerl.

2023 erreichte der Bestand mit mehr als 1200 Brutpaaren einen neuen Höchststand.

Vor 50 Jahren war die Population in Bayern stark eingebrochen. Der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) registrierte 1988 nur noch 58 Brutpaare im gesamten Freistaat. Als einen Grund dafür nennt Drobny die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft in den Siebziger- und Achtzigerjahren. Damals startete der LBV im Auftrag des Landesamts für Umwelt ein Artenhilfsprogramm für den Weißstorch. Im vergangenen Jahr erreichte der Bestand mit mehr als 1200 Brutpaaren einen neuen Höchststand.

Mittlerweile brüten in den Landkreisen Freising und Erding wieder etwa zehn Paare, Tendenz steigend. Gesichtet wurden sie in diesem Jahr bereits in Freising - in der Innenstadt, auf dem Weihenstephaner Berg, an der Angerstraße sowie bei der Vöttinger Mühle - sowie in Hohenkammer, auf der Kirche in Thonstetten, in Langengeisling, auf einem Funkmast in Erding, in Eitting und Dorfen. "Das ist eine sehr schöne Entwicklung", sagt Magerl.

Auch der Horst auf dem Kamin des Gasthauses Pflanzelt im Erdinger Stadtteil Langengeisling ist wieder besetzt. Er war die ganzen Jahre über belegt, auch als die Zahl der Störche stark zurückgegangen war. (Foto: Renate Schmidt)

Im Erdinger und im Freisinger Moos finden sie Nahrung. Auch die Kompostieranlage Wurzer bei Eitting spiele eine wichtige Rolle. Und sie trägt neben den insgesamt milderen Wintern auch dazu bei, dass immer mehr Weißstörche hierzulande überwintern. Etwa 32 Stück seien es im vergangenen Winter im Erdinger Moos gewesen, sagt Magerl. "Der Trupp war bis Mitte Februar zusammen." Nicht alle stammten aus der Region. Einzelne Störche waren in Österreich, Tschechien und sogar in Schweden beringt worden. Wenige wirklich kalte Tage wie Anfang Dezember könnten ihnen nichts anhaben, schildert Magerl. Problematischer könnte es werden, wenn es einmal wieder einen längeren Wintereinbruch mit viel Schnee geben sollte. Das "neue Maximum", das Magerl gesichtet hat, war ein Schwarm von etwa 70 Weißstörchen in der Nähe der Kompostieranlage Wurzer im vergangenen August.

Eigentlich seien das Freisinger und Erdinger Moos nie typische Brutgebiete für Störche gewesen, sagt Drobny. Möglicherweise kommen sie also aus anderen Regionen mit größeren Populationen auf der Suche nach geeigneten Nistplätzen. Lange hatten sie sogar fertig installierte Horste aus Metall wie am Weihenstephaner Berg oder in Thonstetten verschmäht.

Auch in Thonstetten dürfte es bald Nachwuchs geben. (Foto: Johannes Simon)

Einer, der die Entwicklung insgesamt kritisch sieht, ist Clemens Krafft vom LBV. Im kleinen Nördlinger Ries gebe es schon über 100 Paare, im Donaumoos mehr als 40. "Die stören sich gegenseitig", sagt er. Und die großen Vögel fressen neben Mäusen und Maulwürfen auch Amphibien und Reptilien, deren Bestände ohnehin zurückgehen. In Erding und Freising allerdings gebe es noch keine Storchen-"Schwemme".

Einer der Weihenstephaner Störche ist auf einer Mülldeponie in Südspanien gesichtet worden

Auf Krafft wartet Mitte Mai wieder eine anstrengende Arbeit: Er wird dann, wie in den Vorjahren, wieder Jungstörche in den Nestern beringen. In Weihenstephan unterstützt ihn dabei die Werkfeuerwehr der TU München, in Hohenkammer übernimmt das Schloss, das Tagungszentrum, die Kosten für die Hebebühne. Die Informationen, die man daraus gewinnt, seien sehr aufschlussreich, erklärt Krafft. Einer der Jungstörche aus Hohenkammer sei bei Scheyern tot aufgefunden worden. Er hatte wohl eine vergiftete Maus gefressen. Ein weiterer Vogel hat sich in Bischweier bei Rastatt niedergelassen. Vor allem die Weibchen zögen teils weit weg, sagt Krafft. Einer der Weihenstephaner Störche ist auf einer Mülldeponie in Südspanien gesichtet worden, sagt Magerl.

So nahrhaft Mülldeponien oder Kompostierwerke als Nahrungsquelle für den Kulturfolger sein mögen - sie bergen auch Gefahren. Vor zwei Jahren war ein Jungstorch in Langengeisling geschwächt aus dem Nest gestürzt. In seinem Magen befand sich eine Menge Plastikmüll, er musste in der Vogelklinik Oberschleißheim operiert werden. Zum Verhängnis geworden war ihm, dass Plastik und Bioabfälle vor der Entsorgung nicht sorgfältig getrennt worden waren.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusErlebnis-Bauernhof bei Freising
:Tierisch gute Therapeuten

Esel sind verschmust, Schafe sanft und Hühner spiegeln das Verhalten eines Menschen. Warum Begegnungen mit Tieren glücklich machen und bei Erkrankungen helfen können.

Von Lena Meyer, Johannes Simon und Birgit Goormann-Prugger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: