Geburtstagsparty der Grünen:Eine 40 Jahre lange Erfolgsgeschichte

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Der Kreisverband der Grünen feiert Jubiläum, in bester Laune und mit Besuch aus Berlin. Der einzige Wermutstropfen ist der Abschied von Christian Magerl aus dem Landtag, ist er doch eine "Ikone des Flughafenwiderstands".

Von Peter Becker, Freising

Ein Mikrofon braucht Christian Magerl nicht. Wenn er sieht, wie die bisherigen Akteure des Festabends zum 40-jährigen Bestehen des Grünen-Kreisverbands Gefahr laufen, sich im Kabel zu verhaspeln, verlässt sich der bald ehemalige Landtagsabgeordnete lieber auf seine Stimmgewalt. Das habe schon 1986, als er im Grünen Hof seinen ersten Wahlkampf gemacht habe, funktioniert, sagt er, als die Festgäste, die seinen Auftritt unter stehendem Applaus bejubeln, wieder Platz genommen haben. Als "Ikone des Flughafenwiderstands" hat Claudia Bosse, Fraktionsvorsitzende der Kreis-Grünen, ihn zuvor genannt.

Claudia Bosse zeichnet zusammen mit Amts- und Parteikollegen Toni Wollschläger im Schnelldurchlauf die Jahrzehnte nach, in denen sich die Grünen im Landkreis von einer Protest- zur Orientierungspartei hin veränderten. 1978, der Planfeststellungsbeschluss für den Bau des Flughafens im Erdinger Moos war erlassen, schlossen sich drei alternativ-ökologische Gruppen zum Kreisverband zusammen. Namen, an dies sich heute kaum jemand erinnert. Da gab es die Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD), die bei den Landtagswahlen 1978 in Freising mit 4,8 Prozent der Erststimmen ihr landesweit bestes Ergebnis erzielte. Sie kandidierte mit der Grünen Aktion Zukunft (GAZ) auf einer Liste. Dritte im Bunde war die Grüne Liste Bayern. Von allen drei Gruppierungen umworben, trat die Neufahrner Altbürgermeisterin Käthe Winkelmann, eine weitere Symbolfigur des Flughafenwiderstands, der GAZ bei. Ihr Ziel, ein Landtagsmandat zu erobern, hat sie nur knapp verfehlt. AUD und GAZ firmierten in Freising bereits unter dem Namen "Die Grünen Freising". Während sich die Bundespartei erst im Januar 1980 gründete, existierte der Kreisverband bereits im Oktober 1979. Die ersten drei gleichberechtigten Vorsitzenden hießen Joachim Bury, Bernhard Sewald und Käthe Winkelmann. In der Folge gründeten sich die ersten Ortsvereine.

Der Abwehrkampf gegen den Flughafen ging weiter, "er wurde trotzdem gebaut", so Claudia Bosse. Aber immerhin nur mit zwei, statt der ursprünglich geplanten vier Startbahnen. Auch gesellschaftlich waren die Grünen aktiv. Wollschläger erinnert an die "Grüne Nacht", ein seinerzeit legendärer Faschingsball. 1984 gelang der Umweltpartei der Einzug in den Kreistag und in den Freisinger Stadtrat. Seitdem sitzen die Grünen mit wachsender Zahl in den politischen Gremien des Landkreises. 1986 zog Magerl in den Landtag ein, Gabriele Bucerius in den Bezirkstag, 1987 Petra Kelly für Freising in den Bundestag. In der Fischergasse war ihr Büro.

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Im Jahr 2000 wurde die Grüne Jugend gegründet

Auch in den Neunzigerjahren gaben sich die Grünen kämpferisch. Wollschläger erinnert daran, dass der Bau einer Müllverbrennungsanlage verhindert wurde, einer der größten Erfolge der Kreis-Grünen. Im Mai 1992 mussten sie trotzdem mit ansehen, wie das erste Flugzug im Erdinger Moos landete. "Noch dazu mit einem Verstoß gegen das Nachtflugverbot", wie Bosse anmerkt. Ende des Jahrzehnts hatte auch der Kreisverband eine Zerreißprobe zu überstehen: Die Rot-Grüne Bundesregierung stimmte Nato-Einsätzen auf dem Balkan zu, einige Mitglieder verließen danach den Kreisverband.

Immerhin gründete sich im Jahr 2000 die Grüne Jugend. Mitte des Jahrzehnts mussten die Grünen wieder gegen den Flughafen mobil machen, erste Pläne zum Bau einer dritten Startbahn wurden gefasst. In der Folge reichten 65 000 Menschen Einwendungen dagegen ein. Im März 2007 habe der Kreistag den Beschluss zur Energiewende bis 2035 gefasst, erinnert Wollschläger. Er bedauert, viele Anträge der Grünen dazu seien aber abgelehnt worden. Im aktuellen Jahrzehnt ging die Erfolgsgeschichte weiter. Sebastian Habermeyer unterlag bei der Wahl zum Freisinger Oberbürgermeister 2012 nur knapp. Umso größer war die Freude, als beim Bürgerentscheid zum Bau der dritten Startbahn die Mehrheit der Münchner dagegen war. Seit der Kommunalwahl 2014 stellt die Umweltpartei mit Franz Heilmeier in Neufahrn den ersten grünen Bürgermeister des Landkreises. "Eva Bönig ist Bürgermeisterin in Freising", setzt Wollschläger die Erfolgsliste fort. "wir haben einen Dritten Bürgermeister in Moosburg, in Barbara Prügl die musikalischste Landrätin Deutschlands und die größte grüne Kreistagsfraktion Bayerns."

"Der Weg geht weiter in neue Sphären", betont auch Landtagskandidat Johannes Becher. Robert Habeck, Bundesvorsitzender der Grünen und Ehrengast bei der Jubiläumsfeier, stellt fest: "Ich sehe, der Widerstand gegen die dritte Startbahn ist in guten Händen."

© SZ vom 16.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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