Geburten in Freising:Teures Leben, spätes Mutterglück

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Fast jedes vierte Kind im Kreis Freising wird von einer Frau geboren, die 35 Jahre oder älter ist. Grund dafür sind die Mieten und Lebenshaltungskosten.

Von Gudrun Regelein, Landkreis

Lisa Weingartner (Name geändert) war 38 Jahre alt, als sie das zweite Mal schwanger wurde. Ihr erster Sohn war damals bereits fast neun Jahre alt. Dass sie als über 35-Jährige als Risikoschwangere galt, habe sie nicht gestört, sagt sie. "Mir ging es während der Schwangerschaft sehr gut." Die Neufahrnerin ist kein Einzelfall: Immer mehr Frauen bekommen erst relativ spät ein Kind. Im Landkreis Freising sind bereits 26,1 Prozent der Mütter Spät- gebärende, jedes vierte Kind hat also eine Mutter, die bereits 35 Jahre oder älter ist. Das meldet die Krankenkasse IKK classic, die dazu aktuelle Zahlen des bayerischen Landesamtes für Statistik ausgewertet hat.

Die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Freising, Petra Lichtenfeld, kennt zwar auch nicht die genauen Gründe, weshalb gerade im Landkreis Freising relativ viele Frauen erst spät ein Kind bekommen. "Vermutlich sind aber die sehr hohen Lebenskosten und Mieten ein Grund dafür", sagt sie.

Viele Frauen wollten sich deshalb erst einmal etablieren, etwas erarbeiten - und erst dann ein Kind bekommen. Zudem sei das Bildungsniveau unter den Frauen insgesamt hoch: "Viele haben studiert oder eine gute Ausbildung abgeschlossen. Diese jungen Frauen wollen erst einmal im Beruf etwas erreichen." Da stehe an erster Stelle, nicht ein Kind, sagt Lichtenfeld.

Von Familienfreundlichkeit sei bei Arbeitgebern nur wenig zu spüren

Eine andere Rolle spielt in ihren Augen die geringe Flexibilität der Arbeitgeber gegenüber ihren hochqualifizierten Mitarbeiterinnen. "Das überrascht mich immer wieder", sagt die Gleichstellungsbeauftragte. Lichtenfeld erzählt von Anrufen von Frauen, die nach einer kurzen Babypause gerne wieder in ihren Beruf zurückkehren würden - mit geringfügig weniger Stunden. Die Antwort der Arbeitgeber sei fast immer die gleiche: Natürlich könne die Frau wieder arbeiten, das sei nicht das Thema. Aber mit weniger Stunden nicht in der gleichen Position wie früher. Von der häufig proklamierten Familienfreundlichkeit sei da nur wenig zu spüren, sagt Lichtenfeld kritisch. Ein solches Verhalten aber schrecke ab. Erst wenn schließlich die biologische Uhr ticke und eine Frau 35 Jahre alt werde, "wird häufig die Reißleine gezogen und sich für ein Kind entschieden".

Auch die SPD-Landtagsabgeordnete Isabell Zacharias, die die Interessen des Landkreises Freising im bayerischen Landtag vertritt, bekam ihr drittes Kind erst spät, mit 46 Jahren. Ihr Sohn Theo, der mit dem Down-Syndrom zur Welt kam, sei zwar kein geplantes Kind gewesen, erzählt sie. "Aber er wurde von Anfang an geliebt. Ich würde alles wieder genauso machen", betont Zacharias. Ihr erstes Kind habe sie gleich kurz nach Ende ihres Studiums bekommen, damals war sie 27 Jahre alt. "Ich war damals sehr unerfahren und habe die Zeit als anstrengend und verunsichernd empfunden. Ich habe mich gefühlt, als sei mir die Regie des Lebens genommen worden", erzählt Zacharias. Bei ihrem dritten Kind dagegen sei sie wesentlich entspannter - wegen ihrer Lebenserfahrung, aber auch, da sie nun keine finanziellen Sorgen und ein berufliches Standing habe. "Wenn ich nicht zu alt wäre, würde ich wahrscheinlich noch ein viertes Kind bekommen", sagt Zacharias.

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Grundsätzlich spreche nichts gegen eine späte Schwangerschaft, sagt Annette Fußeder, Hebamme und Leiterin der Elternschule im Zentrum der Familie Freising. Allerdings steige statistisch gesehen das Komplikationsrisiko bei Spätgebärenden, etwa von schwangerschaftsspezifischen Erkrankungen. Beim Kind dagegen sei beispielsweise die Gefahr einer Chromosomenaberration, also eines genetischen Defekts, höher. "Aber auch wenn es als Risikoschwangerschaft bezeichnet wird, erleben viele ältere Frauen eine ganz normale Schwangerschaft", betont Fußeder. Im Umgang mit dem Baby seien die nicht mehr ganz jungen Mütter sehr fokussiert - gerade, wenn es das erste Kind sei. Junge Frauen dagegen seien meist sehr entspannt. Eine späte Mutterschaft könne durchaus Vorteile haben, meint die Hebamme. "Ältere Frauen haben zumeist schon ihre Wünsche realisiert und können sich voll auf das Kind einlassen." Auch Lisa Weingartner genießt es, neben ihrem 16-jährigen Sohn, der schon relativ selbständig ist, noch ein jüngeres Kind zu haben. "Eigentlich bin ich ganz froh, dass unser zweiter Sohn erst mit einem so relativ großen Zeitabstand geboren wurde", sagt sie. "Wir genießen das."

© SZ vom 18.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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