Tang Soo Do Neufahrn:Den Zerstörer in uns bezwingen

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Jede Bewegung muss stimmen: Beim Tang Soo Do geht es um Disziplin und Beherrschung. Der Gegner ist meist die Luft, ein Tritt muss jederzeit unterbrochen und gehalten werden können. Daran muss Nicola Heinze auf dem Weg zum letzten Gürtel, dem Dan, noch arbeiten. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Beherrschung der Techniken und ihre saubere Ausführung macht den Meister im Tang Soo Do aus. Wenn Nicola Heinze vom TSV Neufahrn an ihrer Disziplin arbeitet, steht dem Erreichen des Dan nichts im Wege.

Von Laura Dahmer, Neufahrn

Einen Schlag mit dem Fingerspitzen Richtung Solarplexus, dann knickt der Gegner ein. Es folgt ein Schlag mit der Faust auf den Kopf. Akribisch führt Nicola Heinze die Abfolge durch, Bewegung für Bewegung. Beim finalen Faustschlag entweicht ihr ein spitzes "Ha!". Ziel jeder Technik im Tang Soo Do, dem Koreanischen Karate, ist das sofortige k.o. Zum vollen Einsatz kommen die Techniken aber nie, bei dem Kampfsport geht es um Tradition, Kontrolle und Beherrschung.

Heinze ist gut darin, erst kürzlich hat die 17-Jährige bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften, die dieses Jahr der TSV Neufahrn ausgerichtet hat, eine Gold- und eine Silbermedaille erkämpft. Deutsch nennt sich die Meisterschaft, weil sie jedes Jahr hier ausgerichtet wird. International, weil trotzdem Tang Soo Do-Kämpfer aus aller Welt kommen, unter anderem Schweden, die USA, Mosambik, Großbritannien.

So etwas wie Ballett zu machen, kam für Heinze nie in Frage

Für Heinze war es der erste große Wettbewerb. Dabei begleitet sie der Kampfsport schon ein Leben lang. "Mein älterer Bruder hat früher Judo gemacht, ich bin immer mit ins Training, er war mein großes Vorbild. Da war ich vier Jahre alt", erzählt die Hallbergmooserin. Vier Jahre und schon fester Bestandteil des Vereins, damals allerdings noch in Ismaning. Auch Heinzes Mutter hat dort länger gekämpft.

"So etwas wie Ballett zu machen, kam für mich nie infrage", sagt die 17-Jährige lachend. "Sechs Jahre lang habe ich Judo gemacht, wie mein Bruder. Dann habe ich mich kurz am Schwertkampf probiert, bevor ich mit Neun zum Tang Soo Do kam." Im vergangenen Jahr wechselte sie zum TSV Neufahrn. Einer der Gründe: Ihr alter Verein fuhr fast nie zu Wettkämpfen, Heinze aber ist von ehrgeiziger Natur. "Ich habe immer nach möglichen Turnieren Ausschau gehalten, zu denen wir gehen könnten - bin damit aber, bis auf ein Mal, abgewiesen worden", sagt sie. Danach habe sie mit Freunden angefangen, sich untereinander zu messen. Irgendwann war das nicht mehr genug, Heinze im Ismaninger Verein nicht mehr zufrieden. Letztes Jahr kam sie deshalb zu Minh-Phuoc Tran, der sie seitdem beim TSV Neufahrn unterrichtet.

"Der beste Kampf ist der vermiedene Kampf", sagt Trainer Tran

"Sie ist sehr gut in dem, was sie tut", befindet der Vietnamese. "Den Dan wird sie auf jeden Fall machen." Die Dan-Gürtel sind die letzten und höchsten Grade im Tang Soo Do, der schwarze Gürtel. Auch Chuck Norris hat einen inne, er ist einer der bekanntesten Tang-Soo-Do-Kämpfer überhaupt. Für Heinze ist der Dan das große Ziel. Die Wettkämpfe, die die junge Kampfsportlerin beim TSV Neufahrn endlich antreten könnte, sind momentan zweitrangig. "Nächstes Jahr mache ich Abitur, gerade ist keine Zeit, viel zu trainieren oder auf weit entfernte Turniere zu fahren", sagt Heinze. Auch bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften habe sie nebenbei auf der Tribüne Geschichte und Sozialkunde gelernt.

"Dabei zu sein, war trotzdem ein überwältigendes Gefühl", sagt die 17-Jährige und gibt zu, auch etwas Blut geleckt zu haben. "Vielleicht kann ich später, nach dem Abi, auf mehr Wettkämpfe fahren." Bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften konnte sich Heinze in der Disziplin Waffen Hyung, in der die Schlagtechniken mit einer Waffe - in Heinzes Fall ein Stock - durchgeführt werden, gegen die Konkurrenz durchsetzen. Sie holte die Goldmedaille. Im Freikampf erreichte sie den zweiten Platz. In dieser Wettkampfform treten zwei Gegner gegeneinander an und wenden dabei, ohne Absprache, verschiedene Techniken gegeneinander an. Je nach Qualität und Trefferbereich werden sie nach jeder Runde wie bei einem Boxkampf bewertet. Auch hier geht es nicht darum, den Gegenüber zum K.O. zu bringen. Vielmehr gewinnt die beste Technik. "Der beste Kampf ist der vermiedene Kampf", das ist einer der Grundsätze der Tang-Soo-Do-Abteilung in Neufahrn.

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Die Beherrschung fehlt Heinze noch: "Sie ist noch eher der Zerstörer"

"Zum Einsatz kommen sollen unsere Techniken nur im Notfall. Wir wollen sie sauber lernen. Und zwar so, dass wir sie auch stoppen können", erklärt Trainer Tran und macht es an einer Tritttechnik vor. Einmal berührt er Heinze mit seinem Fuß nur leicht an der Schulter, beim zweiten Mal fest. Beim dritten Mal führt er die Bewegung genauso kraftvoll durch, stoppt aber Millimeter vor Nicola Heinzes Körper ab, ohne sie zu berühren. Danach verbeugt er sich. "Diese Beherrschung ist es, was Nicola noch etwas fehlt", sagt er dann. "Sie ist noch eher der Zerstörer", fügt er lachend hinzu.

Was Tran nach seinem Kick gemacht hat, hat im Tang Soo Dong oberste Priorität: die Verbeugung, die Etikette. "Wenn man beim Wettkampf in den Ring tritt, verbeugt man sich. Dann verbeugt man sich noch einmal vor den Kampfrichtern. Stellt sich ihnen vor, verbeugt sich noch einmal", erklärt Heinze. Danach gehe es in die Grundstellung, laut ruft man, auf Koreanisch, die Technik, die man vorführen wird. "Nach der Vorstellung verbeugt man sich und geht rückwärts aus dem Ring. Da verbeugt man sich, wie soll es sonst sein, wieder", so Heinze grinsend.

Disziplin, Respekt und Beherrschung sind die Tugenden, die der TSV Neufahrn seinen Kämpfern beibringen möchte. An Letzterem muss Heinze arbeiten, dann warten vielleicht in Zukunft noch mehr Titel.

© SZ vom 08.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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