Jubiläum einer gewagten Idee:"Um die Ecke denken"

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Vor zehn Jahren ist die Kunstschule für Kinder und Jugendliche in Freising gegründet worden. Zum Start kamen der mittlerweile verstorbene Kulturreferent des Stadtrats, Hubert Hierl, und die damalige Schulreferentin Eva Bönig, heute Bürgermeisterin, vorbei. (Foto: Marco Einfeldt)

Ob Malerei, Gebasteltes oder Geformtes - der Phantasie sind in Sylvia Endres Kunstkursen keine Grenzen gesetzt. Anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens präsentiert die Kunstschule für Kinder und Jugendliche in Freising eine bunt kuratierte Ausstellung. Vernissage ist am Freitag im Alten Gefängnis.

Von Ella Rendtorff, Freising

Als Sylvia Endres vor über zehn Jahren nach Freising zog, fiel der studierten Kunsttherapeutin sofort auf: die Stadt hatte keine Kunstschule für Kinder und Jugendliche. Aber Freising hatte von nun an Sylvia Endres - und der mangelte es nicht an Ambitionen. Nach zahlreichen Besuchen beim Oberbürgermeister, der die Idee einer Kunstschule zwar in der Theorie gut, in der Umsetzung aber als finanziell nicht tragbar einstufte, steuerte Sylvia Endres den Alleingang an. "Ich wage das jetzt", sagte sich die pragmatisch veranlagte Kunstliebhaberin und gründete im Jahr 2013 kurzentschlossen die Kunstschule für Kinder und Jugendliche, kurz KuKiJu, am Plantagenweg in Freising.

Mitsamt ihrer Pinsel, Farbtuben und Papierbögen bezog sie eine ehemalige Tierarztpraxis mit drei hellen Räumen inklusive Garten vor dem Haus. Hier sollte von nun an Kunst entstehen. Was vor zehn Jahren mit einer Handvoll Kindern und viel kreativem Tatendrang begann, ist heute eine etablierte Einrichtung.

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Mit mehreren Kursen pro Wochentag und zusätzlichen Workshops am Wochenende, die sie allesamt selbst leitet, ist Sylvia Endres Stundenplan voll belegt. Zeit, sich zu verkünsteln, bleibe aber dennoch, sagt sie: "Wir sind immer erst dann fertig, wenn jedes Kind mit dem eigenen Werk zufrieden ist", betont Endres. Denn Kunst, so versichert sie, sei niemals Dienst nach Vorschrift. Es gehe ihr darum, den Kindern in ihren Kursen eine intuitive und freie Arbeitsweise nahe zu bringen.

Kreativer Ausgleich zum leistungsorientierten Schulsystem

"Beweglich denken", nennt die Kunsttherapeutin diese Grundhaltung. Perfektionismus habe nichts mit symbolisch festgeschriebenen Formen oder wirklichkeitsgetreuen Farben zu tun. "Wenn der Baum blau gemalt wird, anstatt grün, dann spricht daraus Phantasie. Und die möchte ich hier fördern." Der familiäre und soziale Hintergrund der Kinder soll dabei keine Rolle spielen, im Gegenteil: Sylvia Endres begreift ihre Schule als einen Ort der Zusammenkunft und Chancengleichheit. Damit möchte sie einen kreativen Ausgleich zum leistungsorientierten Schulsystem schaffen und Kinder und Jugendliche dazu ermutigen, sich vom Erwartungsdruck zu befreien. "Ich möchte in meinen Kursen dazu anregen, um die Ecke zu denken", bekräftigt die Kunsttherapeutin.

Collagen, Tonfiguren oder Drucke - die künstlerische Vielfalt in der KuKiJu ist groß. Ebenso groß ist der Andrang: Circa 100 Kinder kommen inzwischen wöchentlich in die Kurse, um zu zeichnen, zu basteln oder zu schnitzen. Manche von ihnen begleitet Sylvia Endres schon seit mehreren Jahren. "Ich kenne einige Kinder seit sie klein sind, mittlerweile sind sie schon einen Kopf größer als ich", erzählt die Kunsttherapeutin und lacht.

Was ihr besonders auffalle, wenn sie die künstlerische Entwicklung der Kinder beobachte? "Sie lernen, zu sehen", antwortet Endres nachdenklich. Ein Baum sei dann auf ein Mal nicht mehr nur grün, sondern bestehe aus mehreren Schattierungen und Tönen derselben Farbe. Durch kreative Schaffensprozesse könnten sich die Kinder wortwörtlich ein Bild von der Welt machen, die eben nicht schwarz-weiß sei, sondernd bunt.

Die Kinder sind mächtig stolz auf die Ausstellung

Bunt wird es auch bei der Vernissage am Freitag in den Ausstellungsräumen des Alten Gefängnisses. Anlässlich des zehnten Jubiläums der Kunstschule für Kinder- und Jugendliche Freising kann man hier in einer gemeinschaftlich organisierten Ausstellung ein Wochenende lang kuriose Kunst bestaunen. Eingerahmt durch die Themenschwerpunkte "Begegnung" und "Bebauung", präsentieren die jungen Künstlerinnen und Künstler Werke in unterschiedlichsten Variationen. Von Malereien über Drucke, bis hin zu Skulpturen und Keramik wird alles dabei sein. Sylvia Endres blickt euphorisch auf den Beginn der Ausstellung und auch die Kinder können es kaum erwarten: "Sie sind alle mächtig stolz, und das dürfen sie auch sein."

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