Der geplante Vortrag hatte gerade angefangen, schon konnte man denken, im Wald - oder zumindest im Garten - zu sein. Man hörte den Gimpel, die Amsel, die Kohlmeise, auch die Eule und der Turmfalke waren dabei. Nur: Im Saal waren gar keine Vögel, sondern lediglich Exemplare des Homo sapiens sapiens vor Kaffee und Kuchen. Einer von ihnen, Helmut Wolferstetter, stand vor der Bühne und versuchte den Anwesenden zu zeigen, wie man am besten Vogelstimmen imitiert. Mit mäßigem Erfolg, wie die bescheidenen Versuche des Publikums zeigten.
Wolferstetter, 47, Landwirt aus dem oberbayerischen Palling im Landkreis Traunstein, hat ein besonderes Hobby: Er ist Vogelstimmenimitator. 2008 trat er bei einer Vogelzwitscher-EM in Österreich an und gewann: Die Veranstaltung war eigentlich mehr Gaudi als klassischer Wettbewerb mit Qualifikation, aber sie verpasste ihm einen Karrieresprung in Sache Vogelstimmen. Seitdem tritt der Europameister im Vogelzwitschern regelmäßig in Bayern auf und zeigt sein Können dem meist amüsierten Publikum. So auch am Mittwochnachmittag beim Seniorenkreis in Kranzberg.
Mit dem Pfeifen hat Wolferstetter als Kind angefangen, natürlich aus Spaß, wie man es halt so macht. Irgendwann begann er, weiter mit seiner Stimme zu experimentieren, pfiff durch Zähne und Zunge, trillerte mit den Lippen und versuchte, einige Vögel nachzuahmen, zunächst ohne zu wissen, welche Art er da jeweils imitierte. Schließlich kaufte er sich eine CD mit Vogelstimmen, beobachtete die Tiere genauer und arbeitete daran, sein Hobby zu verfeinern.
Über zwanzig heimische Vogelstimmen ließ Helmut Wolferstetter an dem Nachmittag in Kranzberg hören, sozusagen sein "Best of". Dazu zeigte er Bilder der jeweiligen Vögel und erzählte Lustiges und Wissenswertes aus der Welt der Piepmätze, von den Arten, die monatelang fliegen können, ohne ein einziges Mal zu landen (der Mauersegler), und anderen, die kopfüber den Stamm hinunterlaufen (der Kleiber), oder sich besonders früh am Morgen zu Wort melden (der Hausrotschwanz); vom schönen Gefieder der Männchen, die so bunt sind, weil sie den Weibchen gefallen müssen, oder vom schlichten Gefieder der Weibchen, die sich während der Brutzeit lieber verstecken.
Stellt sich die Frage, wie die Vögel selbst reagieren, wenn ein Mensch im Wald ihre Stimme nachahmt. Einmal, erzählt Wolferstetter, sei er in einem Kindergarten gewesen und habe den Kindern gezeigt, wie die Amsel singt. Dann drehte er sich um und plötzlich stand eine Amsel da und schien mit ihm interagieren zu wollen. Auch wenn er in der Natur unterwegs sei und pfeife, bekomme er meistens eine Antwort.
Dennoch fordern Experte einen verantwortungsvollen Umgang mit imitierten oder abgespielten Vogelstimmen. Denn die Imitation eines Rufes könnte den Vogel in seinem Revier stören, der Vogel könnte irritiert oder ängstlich reagieren, weil er einen Rivalen vermutet, den er allerdings nicht sieht. Rivalen gab es im Seniorenkreis am Mittwoch nicht, dafür aber viele Interessierte, die häufig applaudierten.