Bildung:Vielen Lehrkräften geht die Leidenschaft verloren

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Schulkinder und Lehrkräfte leiden gleichermaßen unter den erschwerten Bedingungen an Grund- und Mittelschulen. (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Fehlende Wertschätzung, Überforderung und Personalmangel machen den Grund- und Mittelschulen zu schaffen. Eine Möglichkeit die Arbeitsbedingungen zu verbessern, wäre den Selektionsdruck zu linden.

Von Peter Becker, Freising

Die Schulkinder sind frustriert und die Lehrkräfte sind es auch: Beide leiden unter dem derzeitigen Schulsystem, dessen Anforderungen alle überfordern. Die Gründe dafür sind vielfältig. Schulkinder leiden unter dem Notenstress, um nach der vierten Klasse vielleicht ans Gymnasium wechseln zu können. Lehrkräfte vermissen Wertschätzung, müssen sich Beleidigungen gefallen lassen und kämpfen mit den Schwierigkeiten mit Klassen, die zu hohem Grad mit Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund bestehen. Diese Missstände standen im Mittelpunkt eines Gespräches zwischen Vertretern des bayerischen Lehrerinnen- und Lehrverbandes (BLLV), des Bayerischen Beamtenbundes und Staatsminister Florian Herrmann (CSU).

BLLV-Kreisvorsitzende Kerstin Rehm schilderte das Umfeld, der den Unterricht an Grund- und Mittelschulen zu einem Kraftakt macht. Es herrscht ein Mangel an Lehrkräften. Ältere Lehrerinnen und Lehrer sind ausgebrannt, beantragen eine Frühpensionierung oder die Entlassung aus dem Dienst. Insbesondere an den Grundschulen fehlt es an Männer. 87 Prozent der Lehrkräfte an Grundschulen sind Frauen, sagte Kerstin Rehm. Davon arbeiten viele in Teilzeit, weil sie selber Kinder haben und diese nicht an eine Krippe oder Hort "outsourcen" wollten.

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Maxmiliane Heimerl, im BLLV zuständig für die Schul- und Bildungspolitik, bestätigte dies aus eigener Erfahrung. Sie habe nur deshalb als Lehrerin in Teilzeit arbeiten können, weil ihr Mann genügend Geld verdiene. "Die Frage, wer sich um die Kinder kümmert, war dann klar", sagte sie. Mittlerweile hat sie ihr Stundenkontingent wieder aufgestockt, muss aber Lehrstoff vermitteln, den sie selbst nicht gelernt hat.

Probleme bringt der Unterricht mit Schulkindern mit Migrationshintergrund oder Kriegsflüchtlingen mit sich. Vielen müsse sie erst Deutsch beibringen, sagte Maximilane Heimerl, anderen müsse sie erst die Buchstaben beibringen, weil sie in ihren Herkunftsländern keine Schule besucht hatten.

Cathrin Kaufung, zweite Stellvertreterin von Rehm, sprach die Beleidigungen an, die sich Lehrerinnen gefallen lassen müssten. Sie würden als Autorität nicht akzeptiert. "Frauen beleidigen mittlerweile Frauen", schilderte sie das Problem. Rudi Weichs, Leiter der Grund- und Mittelschule Hallbergmoos, berichtete von einem Verweis eines Schülers, der eine Lehrerin als "Alte" bezeichnet hatte.

Die Lehrkräfte haben ihre Schulkinder während der Pandemie emotional verloren

Nele Kocygit, Vorsitzende der jungen Lehrkräfte im BLLV-Kreis, forderte mehr Wertschätzung für den pädagogischen Nachwuchs, der heute Psychologe, Sozial- und Berufsberater in einem sein müsse. Was das Finanzielle anbelangt, hat die Politik schon reagiert, in dem sie das Gehalt für Grund- und Mittelschullehrkräfte auf A 13 anhebt. Simon Pelcer, Leiter der neuen Mittelschule im Steinpark, forderte mehr Geld für Unternehmungen außerhalb des Unterrichts. Während der Pandemie haben man die Schüler emotional verloren. Jetzt gelte es, sie durch besondere Aktionen zurückzuholen.

Weichs sieht eine Wurzel des Übels durch das "Selektieren auf Teufel komm raus", an den Grundschulen. Eltern arbeiten von Anfang an mit allen Mitteln, damit ihre Kinder das "Grundschulabitur schaffen, um an eine weiterführende Schule wechseln zu können. Weichs klagte, dass aus Personalmangel gewachsene Klassenverbände zerrissen würden. Den Selektionsdruck gelte es zu lindern, ohne den Leistungsgedanken abzuschaffen. Georg Riedl (BLLV) sagte, an Bewährtem soll festgehalten werden. Aber man dürfe auch keine Scheu haben, Überflüssiges zu entrümpeln.

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