Ehrenamtliches Engagement:"Die Ressource Feuerwehr ist nicht unendlich"

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Nach einem heftigen Gewitter war die Freisinger Feuerwehr am vergangenen Samstag im Dauereinsatz. (Foto: Feuerwehr Freising)

Die Unwettereinsätze der vergangenen Tage haben den freiwilligen Helfern im Landkreis einiges abverlangt. Trotzdem sieht Feuerwehrsprecher Florian Wöhrl keine Probleme mit der Motivation. Die Schwierigkeiten liegen für ihn woanders.

Interview: Kerstin Vogel, Freising

Auch Freisings Bürgermeisterin Eva Bönig war nach den Unwettereinsätzen der vergangenen Tage voll des Lobes für die Helfer der Freiwilligen Feuerwehren und des THW. Doch sie macht sich angesichts der Häufung derartiger Katastropheneinsätze auch Sorgen: "Noch haben wir die Ehrenamtlichen, aber wenn sich diese Ereignisse wiederholen, ist halt die Frage: Wie lange noch?", sagte sie am Montag im Finanzausschuss des Stadtrats. Florian Wöhrl, Sprecher der Freisinger Feuerwehr, fürchtet dagegen weniger um die Motivation der ehrenamtlichen Helfer bei derartigen Einsätzen. Im Gespräch mit der SZ erklärt er, warum nicht - und was für die Feuerwehren viel schlimmer ist als echte Hilfseinsätze.

SZ: Herr Wöhrl, angesichts der zahlreichen Einsätze der vergangenen Tage und der sich häufenden Unwetterlagen: Wie lange kann eine ehrenamtliche Feuerwehr das noch leisten?

Florian Wöhrl: Die Arbeit wird nicht weniger und gefühlt nehmen die Einsätze wegen Unwettern oder beispielsweise Waldbränden tatsächlich zu. Mit einer rein ehrenamtlichen Feuerwehr in der Größe der Freisinger kommt man da schon manchmal an die Grenze dessen, was noch zu schaffen ist. In ähnlichen Städten, beispielsweise in Dachau, wurde die Feuerwehr schon um hauptamtliche Kräfte ergänzt, um den freiwilligen Helfern die Grundlast zu nehmen. Aber Freising ist aktuell noch gut genug aufgestellt und wir bereiten uns vom Material und der Ausbildung her auch schon länger auf die neuen Anforderungen vor.

Florian Wöhrl sorgt sich nicht um die Motivation der freiwilligen Helfer. (Foto: Marco Einfeldt)

Gibt es bei der Häufung derartiger Einsätze nicht irgendwann Probleme mit der Motivation?

Nein, das ist nicht das Problem. Sicher war der August ein außergewöhnlicher Monat, es sind allein gut 70 zeitkritische Einsätze dokumentiert, in Wahrheit waren es sicher noch einige mehr. In normalen Monaten sind wir bei 25 bis 30. Aber es sind nicht diese Einsätze, in denen erkennbar wirklich Hilfe gebraucht wird, die an der Motivation der Helfer zehren. Viel schlimmer sind die an sich überflüssigen Einsätze durch die ständigen Fehlalarme. Wir sind allein im August 18 Mal zu Brandmeldungen über automatische Meldeanlagen ausgerückt, 17 davon waren fehlerhaft. Wenn man viermal am Tag umsonst zu derselben defekten Anlage ausrückt, nur weil der Besitzer die nicht in Ordnung bringt: Das zehrt dann wirklich an der Motivation. Und wir würden uns grundsätzlich ein bisschen mehr Eigenverantwortlichkeit bei den Bürgern wünschen.

Wie meinen Sie das?

Es ist ja oft gut gemeint: Die Leute sehen irgendwo Rauch, hören einen Brandmelder und denken sich, lieber einmal zu oft den Notruf gewählt als einmal zu wenig. Da muss ich sagen: Ja, aber...

Denn das ist natürlich der einfachste Weg, die 112 zu wählen und dann weiterzugehen, anstatt vielleicht selber kurz nachzusehen. Manchmal hieße es eben, Verantwortung zu übernehmen, statt sofort die Problemlösung auf die Feuerwehr abzuwälzen. Wir müssen einfach das Bewusstsein dafür schaffen, dass die Ressource Feuerwehr auf einem Ehrenamt beruht und nicht unendlich ist.

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Aber sollten die Leute das nicht eigentlich wissen?

Es wäre sicher spannend, dazu einmal eine repräsentative Umfrage in Freising durchzuführen. Ich glaube, ein signifikanter Teil der Bürgerinnen und Bürger denkt, dass wir eine Berufsfeuerwehr sind, von Steuergeld bezahlt werden und deshalb selbstverständlich jederzeit ausrücken müssen. Wir geben ja auch ein sehr professionelles Bild ab, das freut uns ja wiederum.

Und was müsste geschehen, damit in Freising wirklich eine Berufsfeuerwehr etabliert würde?

Die Schwelle für Berufsfeuerwehren liegt normalerweise bei einer Einwohnerzahl von 100 000. Es gibt in ganz Bayern bislang nur sieben Städte mit Berufsfeuerwehren, aber natürlich Städte wie Rosenheim, Dachau, Landshut oder eben Freising, wo man darüber nachdenken kann, die freiwilligen Wehren wenigstens zum Teil durch hauptamtliche Kräfte zu entlasten. Da gibt es ja auch Mischsysteme. Aber das ist dann ganz klar eine politische Entscheidung.

Wäre das eine Forderung, die Sie angesichts der sich verändernden Arbeit erheben würden?

Wie gesagt, das ist ein sehr politisches Thema. Ausschlaggebend für eine Entscheidung ist da die gesetzlich festgeschriebene Hilfsfrist in Bayern. Die Feuerwehren müssen innerhalb von zehn Minuten am Einsatzort sein, jedenfalls bei zeitkritischen Notfällen, das gilt nicht, wenn irgendwo ein Baum auf die Fahrbahn gekippt ist. Was das angeht, sind wir in Freising noch gut aufgestellt, auch die Arbeitgeber spielen im Normalfall mit. Und dann haben wir ja beispielsweise bereits hauptamtliche Gerätewarte zur Unterstützung. Also: Der August war wirklich sehr herausfordernd - und wenn jeder Monat so wäre, müsste man sicher neu nachdenken. Aber bis jetzt musste noch niemand auf die Freisinger Feuerwehr warten.

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