Freising: CSU und FW im Streitgespräch:Schluss mit dem Kuschelkurs

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"Quatsch", "Humbug": Der Ton zwischen CSU und Freien Wählern im Freisinger Stadtrat wird rauer. Im SZ-Streitgespräch reden Tobias Eschenbacher und Benno Zierer Tacheles.

J. Kirchberger u. S. Dannoura

In einem Fernduell kreuzen sich die Stadtratsfraktionen von CSU und Freien Wähler seit einigen Wochen die Klingen. Anlass sind die Vorstellungen der Christsozialen, die sanierte Eishalle bereits im nächsten Jahr zu überdachen und 2014 ein neues Familienbad zu bauen. Diese und weitere Investitionen sind nach Überzeugung von CSU-Fraktionschef Tobias Eschenbacher bezahlbar, wenn in der Stadtpolitik umgedacht werde: Beispielsweise sollten städtische Grundstücke von überregionalen Immobilienbüros vermarktet und attraktives Wohnbauland ausgewiesen werden, um einkommensstarke Leute in die Domstadt zu locken. "Quatsch" und "Humbug" sagt Benno Zierer, Vizesprecher der FW-Stadträte und Dritter Bürgermeister, und wirft den Kollegen der Union vor, diese gingen mit verantwortungslosen Versprechen bei den Bürgern "hausieren".

"Die Bevölkerung erwartet von den Stadträten ehrliche Aussagen, was verwirklicht werden kann": Tobias Eschenbacher (CSU, links) und Benno Zierer (Freie Wähler) (Foto: Marco Einfeldt)

SZ: Nach der Kommunalwahl 2008 waren sie noch ein Herz und eine Seele. Jetzt ist die Kuschelphase offenbar vorbei. Sind das schon die Vorboten des OB-Wahlkampfs?

Tobias Eschenbacher: Wir haben immer noch einen sehr regen Austausch, aber bei einigen Themen gehen die Meinungen auseinander. Das bedeutet aber nicht, dass wir jetzt auf Krieg machen.

SZ: Trotzdem fallen Worte wie Seifenblasen, Quatsch und Humbug. Wieso hacken CSU und Freie Wähler so aufeinander ein?

Benno Zierer: Was mich momentan etwas stört und weshalb ich diese klare Ausdrucksweise gewählt habe: Tobi ist seit acht Jahren im Stadtrat und kennt die finanzielle Situation. Die Bevölkerung erwartet von den Stadträten ehrliche Aussagen, was verwirklicht werden kann. Zum Beispiel beim Thema Hallenbad: Da müssen wir rüberbringen, was wir uns in den nächsten fünf Jahren leisten können. Dazu zählt die Sanierung des Schulbads beim Josef-Hofmiller-Gymnasium. Und auch für die Innenstadt wollen wir etwas tun. Schritt für Schritt.

SZ: Die jungen Stadträte wollen schneller vorangehen. Herr Eschenbacher hat Ihnen vorgeworfen, Sie hätten ein Problem mit dem Generationswechsel im Stadtrat. Hat er Recht?

Zierer: Nein. Ich bin aber Realist und Pragmatiker und habe mir kein Wolkenkuckucksheim gebaut, auch wenn das draußen auf Applaus stoßen würde. Aber ich verbiege mich nicht, das ist nicht mein Stil.

SZ: Sie, Herr Eschenbacher, sagen, die jungen Stadträte wollten anpacken, was 20 Jahre versäumt worden sei. Das ist ein harter Vorwurf, der auch die altgedienten Kollegen ihrer Fraktion einschließt.

Eschenbacher: Das war eine politische Aussage und, ich gebe zu, etwas populistisch. Aber es geht jetzt nicht anders. Wir hangeln uns von Sparhaushalt zu Sparhaushalt. Aber wir wollen uns von den Sachzwängen nicht länger diktieren lassen. Es gibt Möglichkeiten, wie wir anders handeln können, wenn wir umdenken. Andere Städte machen es uns vor, was man mit kreativen Ideen bewirken kann. Alles so weiterlaufen zu lassen wie bisher, akzeptiere ich nicht. Wenn die Gewerbesteuer runter geht, muss man sich was einfallen lassen, sie zu steigern. Man muss schauen, wie man starke Einkommenssteuer-Zahler nach Freising bringt, um ein Schwimmbad zu sozialverträglichen Preisen anbieten zu können. Wenn wir damit jetzt nicht anfangen, sanieren wir das JoHo-Bad für weitere 30 Jahre zu dem Freisinger Hallenbad.

SZ: Sehen Sie nicht die Gefahr, die Bürger zu verprellen, wenn sie für 2014 den Bau des Hallenbads versprechen und dann wird doch nichts daraus?

Eschenbacher: Umgekehrt wird es bis 2030 nichts, wenn wir jetzt keinen massiven Druck machen. Und die Bürger verstehen schon, wenn sich ein Projekt mal ein oder zwei Jahre verschiebt, wenn sie wissen, wo wir hinwollen.

Zierer: Selbstverständlich kann das JoHo-Bad keine Dauerlösung sein. Aber die Planung für einen Neubau ist in einem Jahr gemacht. Wir sollten damit erst anfangen, wenn wir es finanzieren können.

SZ: Warum unterstützen die Freien Wähler dann den Wettbewerb für die Sanierung des Asamgebäudes? Die Kosten dafür sind so hoch, dass die Stadt sich die Sanierung in zehn Jahren noch nicht leisten kann.

Zierer: Beim Asamgebäude geht es ja nur um eine Vorplanung. In die Details werden wir erst einsteigen, wenn wir absehen können, wann wir uns die Sanierung leisten können. Ein zu großer zeitlicher Abstand zwischen Planung und Realisierung ist immer schlecht, das ist ja meine Befürchtung beim Hallenbad: Wenn wir jetzt planen und bis 2015 kommen ganz neue Ideen auf, dann war alles Makulatur.

SZ: Bleiben wir beim Hallenbad und dem Vorschlag der CSU, Wohnungen und ein Gesundheitszentrum zu integrieren. Was missfällt Ihnen daran, wenn sich die Kollegen Gedanken machen, wie ein finanzieller Beitrag zu dem 20-Millionen-Projekt geleistet werden könnte?

Zierer: Weil das nicht funktioniert. Ein Hallenbad steht immer alleine, da kann man aus immissionsschutzrechtlichen Gründen keine Wohnungen integrieren. Die Wohnungen auf die Schwimmhalle zu bauen, würde außerdem so hohe Anforderungen an die Statik stellen, die Kosten würden sich immens verteuern. Schauen kann man ja, ob sich ein Gesundheitszentrum angliedern lässt, aber Geld bringt das auch nicht.

SZ: Immer wieder bringt die CSU Privatinvestoren ins Spiel. Wäre das nicht ein Rezept für das marode Asamgebäude? Ein Privatmann könnte, bis auf das Theater, das Haus nach seinen Wünschen umbauen und vermarkten, bevor es irgendwann in die Moosach stürzt.

Zierer: Angesichts der Kosten für das Marcushaus drängt sich ein Privatinvestor auf, denn eine Sanierung durch die Stadt ist immer wesentlich teurer. Aber dieses Herzstück aus der Hand geben? Wenn wir uns die Sanierung über den Zeitraum einer Generation nicht leisten können, muss man darüber vielleicht nachdenken.

Eschenbacher: Das sehe ich bei diesem Gebäude anders: Das Asamgebäude ist unser Tafelsilber, es aus der Hand zu geben, wäre eine Bankrotterklärung des Kulturstandorts Freising. Wir müssen das Asamgebäude anpacken und schauen, dafür Geld herzukriegen.

SZ: Und das möglichst schnell und viel. Warum überlässt die Stadt die Vermarktung ihrer Grundstücke, wie den Clemensängern, keinen Profis?

Eschenbacher: Das ist unser Vorschlag.

Zierer: Ich unterstütze es, die Vermarktung in professionelle Hände zu geben, aber die Makler dürfen nur eine Erfolgsprämie erhalten.

SZ: In Dresden hat die Stadt ihre Wohnungen verkauft und so ihre Schulen getilgt. Gute Idee?

Zierer: Das ist sicher nicht zielführend. Die Bewohner müssen doch einen Vertrauensschutz genießen.

Eschenbacher: Wir stellen diesen Vorschlag zur Diskussion. Die Stadt könnte von ihren Wohnungen 49 Prozent verkaufen, dann bestimmen wir weiterhin, bekommen schnell Geld und profitieren von der Erfahrung des Investors.

Zierer: Ein Investor tut uns doch keinen Gefallen: Der will das Sagen haben und was verdienen.

Eschenbacher: Ich kenne Geschäftsleute, die haben einen Investitionsstau und müssen etwas kaufen.

SZ: Wie groß ist die Bereitschaft der Freien Wähler, in der Stadtpolitik neue Wege zu gehen?

Zierer: Ich denke, die Differenzen zwischen CSU und uns sind nicht so groß, bei uns ist nur der Realismus größer ausgeprägt. Wir wollen die Sachen Schritt für Schritt anpacken.

Eschenbacher: (lacht) Du stellst mich hin wie einen Traumtänzer. Ich bin auch realistisch. Ich meine nur, wir können nicht abwarten, bis wir uns was leisten können, sondern müssen betriebswirtschaftlich denken und einen Businessplan aufstellen, wie wir Einnahmen erhöhen und Investitionen einbauen können.

© SZ vom 28.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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