Freisinger im Krisenmodus:Schmusen nach Feierabend

Lesezeit: 4 min

Das Freisinger Tierheim müsste dringend erweitert werden. Das geht aber nicht, weil auf der angrenzenden Blühwiese Rebhühner leben. (Foto: Marco Einfeldt)

Im Tierheim müssen die festen Mitarbeiter jetzt zusätzliche Aufgaben übernehmen, der sozialpsychiatrische Dienst hält per Telefon Kontakte aufrecht.

Von Laura Dahmer und Gudrun Regelein, Landkreis

Die harten Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie treffen die Menschen im Landkreis auf den unterschiedlichsten Ebenen. Für manche bedeuten sie nur Einschränkungen in ihrem Freizeitverhalten, die meisten haben aber konkrete Sorgen - ob es nun um Gefahren für die eigene Gesundheit, um die schwierige Betreuung der Kinder oder die Rettung des Geschäfts oder Unternehmens geht. Die Freisinger SZ gibt Einblicke in das Leben der Menschen im Krisenmodus.

Die Tierpflegerin

Das Schmusen mit den Tieren ist für Nicole Gruber und ihr Team mittlerweile quasi ehrenamtlich und fällt in die Zeit nach dem Feierabend. Denn im Freisinger Tierheim bleiben während der Coronazeit die Ehrenamtlichen weg. Die festen Mitarbeiter müssen sich jetzt um viele Aufgaben kümmern, die sonst auch von freiwilliger Seite übernommen werden: Zwinger sauber machen, Gassi gehen - und eben auch das Schmusen. Nur ein paar ausgewählte Gassigänger kommen noch vorbei.

Um ihre Mitarbeiter nicht in Gefahr zu bringen und auch bei einer möglichen Infektion weiter arbeitsfähig zu bleiben, hat Tierheimleiterin Gruber ihre Leute in drei Notfallteams eingeteilt, die unabhängig voneinander arbeiten. Die Krise belastet sie nicht nur bei der Arbeit im Tierheim, sondern auch privat: "Wir alle haben Kontakte weitestgehend heruntergefahren, um Infektionen zu vermeiden", sagt sie.

Zu Beginn der Coronakrise hatte Tierheimleiterin Gruber die Befürchtung, manch einer würde aus Angst sein Tier abgeben. Das hat sich nicht bewahrheitet. Im Tierheim seien gerade, vor allem bei den Hunden, sogar Plätze frei. Es sei eher andersrum, immer mal wieder kämen kuriose Anfragen, darunter zum Beispiel: "Ich habe jetzt mehr Zeit und würde gerne für ein paar Monate einen Hund adoptieren." Mehr als sonst auch schauen Gruber und ihre Mitarbeiter deshalb genau, in welches Umfeld sie die Tiere geben. "Wir geben keinen Hund raus, nur weil er mit dem Schwanz wedelt", stellt sie klar. Die Kontrolle möglicher Besitzer fällt durch die Beschränkungen aber schwer. Auch die Bindung, die zwischen Tier und Mensch während der Vermittlung entstehen soll, lässt sich unter den aktuellen Bedingungen nur schwer aufbauen. Denn ein Besuch, auch mit Gassigehen, ist nach einer Terminvereinbarung zwar möglich, aber es kann nur einmal eine Person kommen. "Und zwar auch nur für ein spezifisches Tier. Man kann also nicht, wie sonst, durch das Tierheim laufen und sich die Tiere anschauen, sondern muss sich vorher im Internet eins aussuchen", erklärt Gruber. Wie sich das Tier dann etwa gegenüber Familienmitgliedern, Partnern oder anderen verhält, weiß man erst nachher. "Das macht die Vermittlung schwer, man kann sich ja nicht per Foto für ein Haustier entscheiden."

Der sozialpsychiatrische Dienst

Wir sind da - das ist momentan die Hauptbotschaft von Doris Burghart-Kirsch. Sie ist die stellvertretende Leiterin der Sozialpsychiatrischen Dienste der Caritas Freising. Auch dort gibt es schon seit Längerem keine Gruppenangebote oder persönlichen Gespräche mehr und auch die beiden Tagesstätten Courage in Freising und Moosburg für Menschen mit psychischen Erkrankungen und Behinderungen haben derzeit geschlossen. "Aber das bedeutet nicht, dass wir unsere Klienten nun alleine lassen", betont Burghart-Kirsch. Der Dienst sei gut besetzt.

Derzeit finde ein sehr intensiver Telefonaustausch mit den Klienten statt. Den Senioren, die sich nicht mehr in ihrer Gruppe treffen können, werden beispielsweise auch Briefe oder kleine Pakete mit Gedächtnistrainingsaufgaben zugeschickt. "Die melden sich dann wieder bei uns und erzählen, wie es bei ihnen derzeit läuft." Der Kontakt werde aufrecht gehalten, eine Beratung weiter angeboten, betont Burghart-Kirsch. "Das funktioniert sehr gut."

Auch bei den Besuchern der Tagesstätten werde angerufen, um die Tagesstruktur abzufragen. Viele seien auch untereinander vernetzt und unterstützen sich gegenseitig. Die Klienten seien zumeist alle "Profis", sagt Burghart-Kirsch. "Sie haben alle Erfahrung mit ihrer Erkrankung, haben gelernt, damit umzugehen. Wenn es schwierig wird, melden sie sich bei uns." Auch die älteren Menschen kämen mit der momentanen Situation vergleichsweise gut zurecht. Die Senioren hätten ein langes Leben gehabt und könnten auf viele Erfahrungen zurückgreifen, "die haben ein ganz anderes Ressourcenpaket".

Wenn sich bei einem psychisch Erkrankten eine Krise andeute, dann wisse er, wie es sich anfühle - und rufe an. "Die wissen, dass sie auf sich aufpassen müssen und dass sie bei uns Hilfe finden." Das Telefon des Sozialpsychiatrischen Dienstes ist von neun bis 16 Uhr besetzt (0 81 61/ 53 879 50), danach kann eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen werden. Für akute Notfälle gibt es das Krisentelefon, dort finden Menschen in seelischen Krisen und psychiatrischen Notlagen rund um die Uhr einen Ansprechpartner (01 80/6 55 30 00).

Das Entsorgungsunternehmen

Beim Moosburger Entsorgungsunternehmen Heinz wird von Tag zu Tag geschaut, wie es weitergeht. In der Zentrale in Moosburg laufe der Betrieb aber relativ normal weiter, berichtet Thomas Buchner, Fachbereichsleiter für Kommunen. Die Büros seien mit einem Mitarbeiter besetzt, Dispositionen müssten gemacht und Fahrten geplant werden. Auch bei der kommunalen Abfallentsorgung, für die das Unternehmen im Landkreis zuständig ist, habe sich seit den Ausgangsbeschränkungen nichts verändert. Die normalen Touren werden gefahren, die Mülltonnen der Bürger seien sogar sehr gut gefüllt, sagt Buchner.

Bei den Aufträgen von Gewerbebetrieben aber sei es zu teilweise großen Ausfällen gekommen. Der Flughafen München etwa, für den die Firma Heinz normalerweise die Abfallentsorgung erledigt: Dort wurde der Betrieb mehr oder weniger eingestellt, es falle kaum mehr Müll an. "Und für uns gibt es keine Arbeit mehr." Das sei kein Einzelfall, "wir haben große Einbrüche". Kurzarbeit sei zwar kein Thema, aber Müllwerker, die viele Überstunden haben, würden diese nun abbauen.

Die Mitarbeiter, die noch auf Tour sind, tragen während der Arbeitszeit Schutzmasken, davon gebe es genügend im Lager, so Buchner. Außerdem werden die Müllwerker angehalten, häufiger die Handschuhe zu wechseln und zueinander den vorgeschriebenen Abstand einzuhalten. Der Müllwagen sei 2,50 Meter breit, auch während der Fahrten sei das kein Problem. Dass sie beim Einsammeln der Tonnen Abstand zu den Bürgern halten, sei zwar eine Selbstverständlichkeit, "aber auch darauf wurden unsere Mitarbeiter in Aushängen und Info-Schreiben noch mal hingewiesen", so Buchner.

© SZ vom 18.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Newsblog zum Coronavirus im Landkreis Freising
:Impfzentrum reduziert Kapazitäten

Wegen zuletzt deutlich gesunkener Nachfrage hat das Impfzentrum Freising seine Kapazitäten zuletzt reduziert. Alle Entwicklungen rund um die Coronapandemie im Landkreis Freising in unserem Newsblog.

Von SZ-Autorinnen und -Autoren

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: