Prozess am Freisinger Amtsgericht:Patronen in der Vitrine

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Ein Teil der Munition verstößt gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Das Freisinger Schöffengericht verurteilt den Angeklagten zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten.

Von Peter Becker, Freising

Einen gehörigen Schreck hat im Oktober 2020 ein heute 28-jähriger Mann erlitten, als es eines Abends an seine Tür klopfte. Draußen standen Ermittler der Erdinger Kriminalpolizei. Sie hatten einen Hinweis aus den USA bekommen, dass der damalige Freisinger Kinderpornos aus dem Internet heruntergeladen haben sollte. Bei der Hausdurchsuchung stießen die Polizisten auf allerhand Munition und Sprengstoff, wie er in Feuerwerkskörpern verwendet wird. Einige Patronen hätten aus einer halb- oder vollautomatischen Waffe abgefeuert werden können. Das Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Manfred Kastlmeier verurteilte den Mann unter anderem wegen eines Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten.

Der Prozess am Freisinger Amtsgericht begann mit einer zerknirschten Entschuldigung seitens des Angeklagten. Die Verhandlung hätte bereits vor Ostern stattfinden sollen. Der 28-Jährige sagte, er habe damals aus gesundheitlichen und psychischen Gründen in seinem Briefkasten nicht nachgesehen, ob sich Post darin befinde. Deshalb sei er zu der Verhandlung nicht erschienen. Richter Kastlmeier und die Staatsanwaltschaft hatten seinerzeit extra die Regensburger Polizei um Unterstützung gebeten, des Angeklagten habhaft zu werden.

Das gefundene Pulver stammt aus Feuerwerkskörpern

Der Mann, der eine Ausbildung zum Brauer und Mälzer macht, erschien dann aber doch aus freien Stücken vor dem Amtsgericht. Er legte ein Geständnis ab. Der 28-Jährige hatte vor Jahren als Soldat bei einer ABC-Abwehrtruppe Dienst getan. Dort hatte er sich einen Teil der Munition angeeignet. Andere Patronen habe er von einem Bekannten bekommen. Diese hatte dessen Großvater besessen. Die "explosionsgefährlichen Stoffe", wie es in der Anklageschrift hieß, bestanden aus Pulver, das er aus Feuerwerkskörpern heraus gekratzt hatte.

Zum Verhängnis wurde dem Mann, dass er in Verdacht geriet, Kinderpornos über das Wlan seines Vermieters herunter geladen zu haben. Die Erdinger Kriminalpolizei hatte einen entsprechenden Hinweis vom FBI bekommen. Gefahr sei in Verzug gewesen, sagte ein als Zeuge geladener Ermittler. "Er war erschrocken", beschrieb der Beamte die Situation. Was den Polizisten allerdings als Erstes ins Auge fiel, war eine Vitrine, in welcher der Beschuldigte neben NS-Devotionalien auch ein Sammelsurium von Patronen ausstellte. Weitere Munition fand sich in einer Zigarrenschachtel. Eine Waffe, aus der mit den gefundenen Patronen hätte geschossen werden können, fanden die Ermittler nicht.

Ein Teil der Munition hätte aus einem Maschinengewehr abgefeuert werden können

Spezialisten untersuchten die Munition. Dabei stellte sich heraus, dass einige Patronen über einen "harten Kern" verfügten und damit unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fielen. Sie hätten aus einer halbautomatischen Waffe oder gar aus einem Maschinengewehr abgefeuert werden können. Außer dem unerlaubten Besitz von Kriegswaffen - dazu zählen auch bestimmte Arten von Patronen - hatte sich der Beschuldigte des unerlaubten Besitzes von Munition und eines Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz schuldig gemacht.

Schöffengericht und Staatsanwältin befanden, dass es sich um einen minderschweren Fall handele. Zugunsten des Angeklagten sprachen sein Geständnis und der Umstand, dass die Munition sichergestellt worden war. Bislang hatte der Mann ein weitgehend unbescholtenes Leben geführt. Bis auf den Umstand, dass er vom Fenster seiner damaligen Wohnung in Freising Bilder von einer Frau gemacht hatte, die sich in der Nachbarschaft in ihrem Badezimmer entkleidete. Dafür war er am Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt worden, die noch nicht abbezahlt ist.

Der 28-Jährige sagte, dass er erst vor Kurzem eine Therapie begonnen habe. "Ich bin nicht stolz auf das, was ich gemacht habe", erklärte er. Der Mann will mit seinem bisherigen Leben abschließen. Er wolle seinen Selbsthass überwinden. Manchmal habe er depressive Schübe und sogar Selbstmordgedanken. Das Schöffengericht machte zur Bewährungsauflage, dass er seine Therapie fortführen müsse.

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