Amtsgericht Freising:Mieter darf in seiner Wohnung bleiben

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Eine Geldstrafe hat das Schöffengericht am Freisinger Amtsgericht gegen einen ehemaligen Drogenkonsumenten verhängt. (Foto: Johannes Simon)

Kläger und Beklagter einigen sich am Freisinger Amtsgericht gütlich. Voraussetzung ist, dass sich alle Prozessbeteiligten künftig jeder Provokation enthalten.

Von Peter Becker, Freising

Der Streit um eine Matratze hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Ein Hauseigentümer, ein älterer Herr, hatte seinem Mieter gegenüber über Kreuzschmerzen geklagt. Nach einem Probeliegen bestellte dieser eine Matratze über das Internet und bezahlte sie gleich. Das passte der Tochter, die Miteigentümerin des Hauses ist, nicht. Sie hatte ebenfalls eine Matratze bestellt und stornierte den Auftrag des Mieters. Der zog den Betrag von 579 Euro von der nächsten Monatsmiete ab. Der Vermieter kündigte nach langem Hickhack deshalb den Mietvertrag auf und veranlasste eine Räumungsklage, gegen die sich wiederum der Mieter wehrte. Beide fanden sich jetzt als Kläger und Beklagter vor dem Freisinger Amtsgericht wieder und einigten sich am Ende gütlich.

Der Mieter wohnt seit 2018 in einem Haus in einer Gemeinde im Ampertal. Über die Jahre hinweg entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis zu dem älteren Herrn. Das wiederum war der Tochter ein Dorn im Auge. Nach Angaben des Mieters, des Beklagten, trübte sich von dem Zeitpunkt an, als diese Miteigentümerin des Hauses geworden war, das freundschaftliche Verhältnis ein. Schuld daran war nach Angaben des Mieters weniger die Tochter als vielmehr deren Lebensgefährte. "Er ist der heimliche Herr im Haus", sagte der Mieter vor Gericht.

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Der Mieter und der Lebensgefährte der Tochter empfanden von Anfang an eine starke Abneigung füreinander. Es gab Streit, es kam zu Handgreiflichkeiten. Und einmal soll der Lebensgefährte gar mit einem Hammer auf den Beklagten und seinen Vater losgegangen sein. Angesichts des zerrütteten Verhältnisses fragte der Beklagte seinen Vermieter unvermittelt, ob der ihn aus der Wohnung "raus haben" wolle. Dieser habe die Frage mit "ja" beantwortet.

Auf diese Aussage hin habe sein Mieter ihm angedroht, er mache dann Probleme, sagte der Kläger vor Gericht. In der Folge soll dann der Beklagte trotz eines Verbots das Badezimmer des älteren Herrn betreten und einen Spiegel mit Fotos und Zettel beklebt haben. "Diese sind an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten", heißt es in der Klageschrift des Rechtsbeistands des Klägers. Des Weiteren soll der Beklagte ein Kruzifix im Hausgang mit Teufelshörnern verunziert haben. Zu Füßen einer Madonna sei ein Haufen Hundekot gefunden worden. Mit diesen Vorwürfen konfrontiert, sagte der Mieter, davon wisse er nichts. Er vermutet hinter diesen Vorwürfen eher eine perfide Strategie des Lebensgefährten der Miteigentümerin, um die Spannungen zu erhöhen und ihn aus dem Haus zu ekeln.

"Betbruder" und "Schluckspecht" sind keine Beleidigungen

Die zur Straße hin gelegene Fensterfront beklebte der Mieter mit eigenen und mit Schreiben des Rechtsanwalts des Klägers. Auf eine weitere Abmahnung vom August des vergangenen Jahres hatte er laut Klageschrift geantwortet: "Gnade uns Gott. Der Betbruder hat kapituliert. Hier ist der Beweis für die Tyrannei der Schluckspechte." Auch dieses Schreiben an den Anwalt befestigte er am Fenster. Der Kläger sagte vor Gericht, er habe sich dadurch beleidigt gefühlt.

Die Rechtsanwältin des Beklagten bestritt in ihrer Zurückweisung der Räumungsklage, dass die Wörter "Betbruder" und "Schluckspecht" per se Beleidigungen seien. Die Belege dafür fand sie im Duden. Darin steht geschrieben, dass es sich bei der Bezeichnung "Betbruder" nicht um eine Herabwürdigung handele, sondern um eine männliche Person, die bei jeder Gelegenheit in die Kirche geht oder einen "Frömmler". Der "Schluckspecht" hingegen sei eine scherzhafte Bezeichnung für eine Person, die gerne viel Alkohol trinke. Eine Beleidigung oder Herabwürdigung sei bei dem Gebrauch dieser Wörter nicht zu erkennen. Sie könne eine "Bloßstellung" des Klägers oder seiner Tochter nicht erkennen, schreibt die Rechtsanwältin des Beklagten in ihrer Stellungnahme.

Der Mieter selbst sagte vor Gericht, mit dem "Schluckspecht" habe er nicht seinen Vermieter gemeint, sondern die Tochter und deren Lebensgefährten. Die Miteigentümerin sei diesem hörig. "Es leiden alle unter der Tyrannei des Lebensgefährten."

Die Matratze liegt mittlerweile im Keller

Gegen Ende der Verhandlung rückte noch einmal die verhängnisvolle Matratze in den Mittelpunkt. Diese scheint trotz Stornierung tatsächlich an den Beklagten geliefert worden zu sein. Nach Kenntnis des Beklagten, so heißt es in der Stellungnahme seiner Rechtsanwältin, sei diese einige Zeit in der Vorhalle des Hauses als Paket gelegen. Eines Tages war sie verschwunden, dem Mieter sei aber nichts über deren Verbleib bekannt gewesen. Während der Verhandlung stellte sich heraus, dass sich die ominöse Matratze mittlerweile in einem Kellerabteil des Hauses befindet.

Der Rechtsbeistand des Klägers machte nach knapp anderthalb Stunden Verhandlung "einen Vorschlag zur Güte". Die Parteien kamen schließlich überein, dass die Räumungsklage aufgehoben und das Mietverhältnis fortgesetzt wird. Voraussetzung ist, dass sich alle Beteiligten mit eventuellen Provokationen zurückhalten sollen. Dem Beklagten wurde zugesichert, dass er sein im Mietvertrag zugesichertes Eck im Speicher sowie ein Gartenstück weiter nutzen darf. Die Schreiben an der Fensterscheibe müssen alle abgehängt und es dürfen auch keine mehr hinzugefügt werden. Jede der Parteien solle für sich die angefallenen Kosten übernehmen.

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