Amtsgericht:Die Chefin hat ein Faible für die Schwerkriminalität

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Nicole Selzam (rechts) leitet bereits seit Dezember das Freisinger Amtsgericht. Das wird Geschäftsführerin Antje Pavlovic zum 1. Juni verlassen. (Foto: Johannes Simon)

In Freising muss sich die neue Direktorin Nicole Selzam allerdings mit der Verwaltung und Familiensachen beschäftigen. Trotzdem fühlt sie sich auf dem Mons doctus sehr wohl.

Von Peter Becker, Freising

Eine Fahrt auf den Freisinger Domberg hat etwas Erhebendes. Das gilt offenbar nicht nur für Gläubige, sondern auch für Direktoren des hoch über der Stadt thronenden Amtsgerichts. Nur schweren Herzens habe er nach nur zwei Jahren wieder Abschied genommen, sagte jedenfalls Stefan Priller, der das Amt bis 1. September 2023 bekleidet hatte. Versüßt wurde ihm dieser allerdings durch den Umstand, dass er jetzt Vizepräsident am Landgericht Landshut ist. Seine Nachfolgerin Nicole Selzam residiert zwar schon seit Anfang Dezember auf dem Mons doctus, wie der Domberg in Freising auch genannt wird, allerdings wurde sie erst am vergangenen Donnerstag auch offiziell mit der Leitung des Amtsgerichts betraut. Das Fazit, das die Fünfzigjährige bereits zog: Sie fühlt sich hier sehr wohl und möchte länger bleiben als ihr Vorgänger.

Nicole Selzam stammt aus Unterfranken und startete ihre abwechslungsreiche Karriere bei der Würzburger Justiz. Dort habe sie ihr Faible für die Strafgerichtsbarkeit entdeckt, sagte Hans-Joachim Heßler, Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des Oberlandesgerichts München. Und in der Landeshauptstadt habe sie als Richterin und Staatsanwältin "die ganze Palette der Schwerkriminalität" durchgearbeitet.

Vor ihrem Wechsel nach Freising saß Nicole Selzam der 29. Strafkammer am Landgericht München I vor. Vergeblich hatte sie sich bis dahin auf leitende Stellen in der Landeshauptstadt beworben. Als die Leitung des Freisinger Amtsgerichts ausgeschrieben wurde, habe sie zunächst Google befragt, wie sie denn überhaupt dorthin komme. Das Urteil aber fällt zufriedenstellend aus. "Ich fahre antizyklisch und komme sehr entspannt in Freising an", sagt sie. Und das, obwohl ihr Arbeitsweg jetzt doppelt so weit ist wie zum Münchner Landgericht am Stieglmaierplatz. Weil es ihr in Freising so gut gefällt, kursiert am Landgericht München I schon das geflügelte Wort "Ich mach die Selzam." Will heißen, viele aus ihrem einstigen Kollegium wollen sich jetzt auch auf "Stellen auf dem Land" bewerben.

Ein Kriterium für die Stelle in Freising war die Bereitschaft, sich der "Familiensachen" anzunehmen. Das war ein Tätigkeitsfeld, mit dem Nicole Selzam bislang nichts zu tun hatte. Trotzdem bewarb sie sich. "Ich wollte Flexibilität zeigen", begründet sie ihren Schritt. "Der Plan ging auf." Und, betonte Heßler, "sie gilt als besonders förderungswürdige Persönlichkeit". Jetzt, beschreibt Selzam ihren Alltag, arbeite sie den halben Tag in der Verwaltung, die andere Hälfte als Familienrichterin.

In Freising empfiehlt es sich, festes Schuhwerk zu tragen

Sie sei in Freising sehr freundlich aufgenommen worden, zieht Nicole Selzam eine Bilanz ihres bisherigen Wirkens. Das gilt nicht nur für die etwa hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Amtsgericht, von denen sie schon von vielen die Namen kennt, sondern auch für Landrat Helmut Petz und Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher. So etwas sei nicht selbstverständlich. Wichtig sei das Bürgerservicebüro, das ihr Vorgänger Priller gegründet hat. Ganz im Sinne auch von Heßler, der sagte, ein Amtsgericht müsse modern und bürgernah wirken.

Was Nicole Selzam neben der zu geringen Anzahl an Parkplätzen am Amtsgericht bedauert: Geschäftsführerin Antje Pavlovic wechselt im Juni nach München. Angesichts des Kopfsteinpflasters in Freising empfiehlt sie ihrer Nachfolgerin vor allem eines: festes Schuhwerk statt hochhackiger Schuhe zu tragen.

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