Amtsgericht Freising:Eine allerletzte Chance

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Ein Exhibitionist ist am Freisinger Amtsgericht zu einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden. (Foto: Johannes Simon)

Junge Frau fotografiert Rentner, der sie auf einem Bahnhof sexuell belästigt. Am Amtsgericht wird der Exhibitionist zu einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Bei einer neuerlichen Straftat muss er ins Gefängnis.

Von Peter Becker, Freising

Der ältere Herr, der am Montagvormittag auf der Anklagebank des Freisinger Amtsgerichts Platz nehmen musste, schämte sich zutiefst. Der Rentner leidet unter krankhaftem Exhibitionismus und hatte im Juni des vergangenen Jahres wieder einmal die Kontrolle über sich verloren. Auf einem Bahnhof im Landkreis Freising fühlte er sich durch den Anblick einer jungen Frau stimuliert und begann sich selbst zu befriedigen. Wegen seiner krankhaften Neigung ist er nur bedingt schuldfähig. Richterin Tanja Weihönig verurteilt ihn zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten. Diese ist zur Bewährung ausgesetzt.

Die Verfahrensbeteiligten zogen sich gleich zu Beginn der Verhandlung zu einem Rechtsgespräch zurück. Eine konkrete Einigung auf ein Strafmaß kam dabei nicht zustande. Von einer Geld- bis zu einer Bewährungsstrafe war alles im Bereich des Möglichen.

Der Angeklagte legte sowohl selbst als auch über seinen Anwalt ein umfassendes Geständnis ab. Mehrere Gerichtsmediziner hatten bei ihm in den vergangenen Jahren eine schwere persönliche Verhaltensstörung festgestellt, die sich in exhibitionistischen Neigungen äußert. Laut der Expertise einer Sachverständigen hat diese bereits in der Jugend des Angeklagten ihren Lauf genommen. Er hatte seinerzeit bereits das Bedürfnis, Frauen zu beobachten. Die Krankheit sei dann chronisch verlaufen. "Er hat es nicht geschafft, den Drang zu beherrschen."

Seit Jahren nimmt der Mann verschiedene Therapieformen wahr. Eine Gruppensitzung lehnte er ab, weil er da seinen Angaben zufolge mit Kriminellen zusammensaß, die Kinder missbraucht oder Frauen vergewaltigt hatten. Auf seine spezielle Leidensform war in der Therapie nicht eingegangen worden. Körperliche Gewalt lehnt er ab. Allerdings fehlt es ihm laut Sachverständigem aber an einer gewissen Empathie. Seine sexuellen Übergriffe tun ihm zwar leid, aber er habe die Tendenz, sie zu bagatellisieren. Dies äußere sich etwa in Bemerkungen, es habe sich keine Frau beschwert. Dann hätte er aufgehört.

Aktuell befindet sich der Mann wieder in Therapie, die er als Bewährungsauflage nicht abbrechen darf. Die Therapeutin sei die einzige Person, mit der er über seine Probleme reden könne, sagte der Angeklagte. Was seine Lage erschwert: Seine Frau ist wenige Monate vor dem Vorfall unerwartet an Herzversagen gestorben. Der Angeklagte gibt sich die Schuld dafür. Vielleicht habe er sie mit seinen Problemen psychisch zu sehr belastet, wirft er sich vor.

Seine Frau fehlt dem Angeklagten auch als Kontrollinstanz

Seine Therapeutin sage ihm, er solle davon abkommen, sich für ihren Tod die Schuld zu geben. Zu dem Vorfall im Juni des vergangenen Jahres sagte der Angeklagte: "Ich habe gedacht, ich wäre stabil." Die Tat selbst sieht er in Zusammenhang mit dem Tod seiner Frau. Sie fehlt ihm nicht nur als Lebenspartnerin, sondern auch als Kontrollinstanz.

Der Mann entschuldigte sich im Gerichtssaal bei der jungen Frau für die sexuelle Belästigung. Doch diese nahm die Entschuldigung nicht an. Sie hatte den Mann, der auf dem gegenüberliegenden Gleis stand, fotografiert. Anhand des Lichtbildabgleichs identifizierte ihn die Polizei rasch.

Viermal ist der Angeklagte bereits wegen seiner exhibitionistischen Handlungen verurteilt worden. Allerdings hat er seine Bewährungen stets durchgestanden. Richterin Tanja Weihönig kam in ihrem Urteil zu dem Schluss, dass auch diesmal eine Bewährungsstrafe das probate Mittel sei. Diese werde ihn auf die richtige Bahn zurückbringen, sagte sie. Von einer stationären Unterbringung hatte die Sachverständige wegen geringer Aussicht auf Erfolg abgeraten. Die Richterin gab als Bewährungsauflage mit auf den Weg, die Therapie fortzusetzen und zu dokumentieren. Sollte er die Vorgaben nicht erfüllen oder er eine weitere Straftat begehen, müsse er trotz seines Alters ins Gefängnis.

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