Freisinger Fabriken:Elektronik für den "Starfighter"

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In Freising hat ein Ableger des Schlieker-Konzerns Bauteile für den "Starfighter" hergestellt. Das Bild zeigt ein Modell am Erdinger Fliegerhorst. (Foto: Renate Schmidt)

Franz Josef Strauß persönlich holte einen Ableger des Schlieker-Konzerns 1962 nach Freising.

Von Peter Becker, Freising

"Freisinger Fabriken" heißt ein Buch, das der Freisinger Hans Lorenzer 2022 veröffentlicht hat. Das Nachschlagewerk, wie er es nennt, beschäftigt sich mit Fabriken und Werken innerhalb des Stadtgebiets. Manche gibt es heute noch, viele sind verschwunden. Die Freisinger SZ stellt in einem Streifzug durch die Industrialisierung bestehende und aufgegebene Unternehmen vor. Heute: Schlieker (1962 bis 1963).

Nur kurz währte das Gastspiel des Elektronik-Herstellers Schlieker in Freising. Baubeginn des Werks an der Kepserstraße in Lerchenfeld war 1962 auf dem Gelände einer ehemaligen Kleingartenanlage. Die Fabrik ist insofern interessant, als dort elektronische Bauteile für das Cockpit des amerikanischen Kampfflugzeugs "Starfighter" hergestellt wurden. Von Sommer 1962 waren dort laut Lorenzer etwa zwanzig Spezialisten damit beschäftigt, elektronische Fluginstrumente zu entwickeln. Angeworben wurden sie aus den umliegenden Landkreisen.

Von Interesse war vor allem die Weiterentwicklung des "künstlichen Horizonts". Dieser musste der starken Belastung durch die enorme Beschleunigung des "Starfighters" standhalten. Zudem wurden Sensoren für die Außenhaut des Kampfflugzeugs entwickelt und in einem Windkanal erprobt.

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Mit dem Bau des Schlieker-Werks manifestierte sich ein wenig internationale Sicherheitspolitik und Wirtschaftswunder in der beschaulichen Kleinstadt an der Isar. Kein Geringerer als der damalige Verteidigungsminister der Bundesrepublik, Franz Josef Strauß, hatte den Elektronik-Ableger des Schlieker-Konzerns nach Freising geholt. Der CSU-Politiker hatte entgegen dem Rat von Experten die Beschaffung des als wenig ausgereift geltenden Abfangjägers für die Bundeswehr beschlossen. Das vom Lockheed-Unternehmen entwickelte Flugzeug durfte in Lizenz in Deutschland gebaut werden.

Die deutsche Version des Jagdflugzeugs mit verstärktem Rumpf und überarbeiteter Navigationsausrüstung erschwerte aber den Piloten die Beherrschung des Flugzeugs. Es kam zu zahlreichen Abstürzen. Strauß selbst spielte in der "Starfighter-Affäre" eine unrühmliche Rolle. Er musste sich sogar vorwerfen lassen, mittels Schmiergeld dem Starfighter gegenüber der technisch ausgereifteren französischen "Mirage" den Vorzug gegeben zu haben. Ein Beweis dafür wurde nie erbracht.

Ein Grund dafür, dass das Schlieker-Werk kaum ein Jahr nach seiner Eröffnung wieder schließen musste, war der Zusammenbruch des Schlieker-Imperiums. Sein Namensgeber, Willy Schlieker, war eine schillernde Figur des deutschen Wirtschaftswunders. Der Sohn eines Hamburger Werftarbeiters war zunächst Kommunist, trat später der NSDAP bei und arbeitete im Reichsministerium unter der Leitung von Albert Speer.

Nach dem Zweiten Weltkrieg baute sich Schlieker rasch ein Imperium, bestehend aus Fabriken für Eisenverarbeitung und auch Werften, auf. "Er ist in einem Atemzug mit anderen Wunderwirtschaftskindern wie Max Grundig, Gustav Schickedanz, Josef Neckermann und Carl F. W. Borgward zu nennen" schreibt Lorenzer. In der feinen Hamburger Gesellschaft galt der "Selfmademan" Schlieker allerdings als neureicher Emporkömmling. Uwe Bahnsen beschreibt ihn in einer Ausgabe der Welt vom 27. Juli 2012 als "hemdsärmelig bis zur Ruppigkeit, dabei zupackend, auch auf dem Höhepunkt seiner Karriere jovial und bodenständig". Als sein Konzern 1962 in Zahlungsprobleme geriet, ließen ihn die Banken fallen und gewährten keine Kredite. Damit war auch das Schicksal des Freisinger Werks besiegelt.

Schlieker verließ Hamburg und zog nach Ramsau bei Berchtesgaden. Dort kaufte er ein Skigebiet und betrieb laut Bahnsen eine Liftgesellschaft. 1980 starb er in Ramsau.

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