Freisinger Amtsgericht:Geldstrafe für zerknirschten Rentner

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Ein Exhibitionist ist am Freisinger Amtsgericht zu einer Bewährungsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden. (Foto: Johannes Simon)

Ein 70-Jähriger schaut sich im Internet Kinder- und Jugendpornografie an. Er will nicht gewusst haben, dass das strafbar ist. Jetzt muss er 3420 Euro zahlen.

Von Peter Becker, Freising

Wie ein Häufchen Elend soll ein 70-jähriger Rentner aus Freising dagesessen haben, als im Juli 2022 die Polizei bei ihm zu Hause aufkreuzte und auf seinem Mobiltelefon kinder- und jugendpornografische Bilder fand. So sagte es jedenfalls eine als Zeugin geladene Polizistin vor dem Freisinger Schöffengericht aus. Bei einer Hausdurchsuchung im März vergangenen Jahres statteten die Beamten seiner Wohnung einen weiteren Besuch ab - und wurden wieder einschlägig fündig. Der Rentner konnte jedoch glaubhaft versichern, dass er beim Surfen nur zufällig auf diese pornografischen Seiten gestoßen war. Das Schöffengericht verurteilte ihn letztlich zu einer Geldstrafe von 3420 Euro, zahlbar in 90 Tagessätzen zu 38 Euro.

Der Rentner gestand aus freien Stücken, so wie er es schon bei der Polizei getan hatte. Er gab an, im Sommer 2022 mit seiner Frau Stress gehabt zu haben. Hintergrund war möglicherweise ein sexueller Übergriff gegenüber seiner erwachsenen Tochter. Jedenfalls erreichte die Polizei ein Notruf aus der Wohnung des Angeklagten. Er soll seine Tochter sexuell belästigt haben. Zudem hatte er ihr anzügliche Whatsapp-Nachrichten geschrieben. Die Staatsanwaltschaft stellte den Fall ein. Tochter und Enkelin hatten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.

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Der Rentner lebte während der atmosphärischen Störungen in seinem Zuhause in einem Wohnmobil. Dort habe er aus Langeweile im Internet nach pornografischen Darstellungen Erwachsener gesucht, sagte er. Da habe er sich durchgeklickt. Als dann Aufforderungen kamen, sich Bilder herunterzuladen, habe er die Seiten, deren Namen er sich nicht gemerkt habe, sofort wieder geschlossen.

Auf seinen Mobiltelefonen fand sich dennoch verbotenes Bildmaterial. Der Rentner wiederholte in seinem Geständnis wortwörtlich die Angaben, die er damals gegenüber der Polizei gemacht hatte: "Es tut mir leid, dass sich so einen Schmarrn angeschaut habe." Jetzt erst sei ihm klar, dass er sich damit strafbar gemacht habe. Das Alter der abgebildeten Personen sei ihm nicht bewusst gewesen. Weitergesendet habe er keines der Bilder, zumal er sich mit Mobiltelefonen nicht so gut auskenne. Die als Zeugin geladene Polizistin schilderte ihren Eindruck. "Er war von dem Verfahren sehr beeindruckt."

Es blieb nicht bei einem Besuch durch die Polizei. Ein als Zeuge geladener Polizist gab an, dass im März des vergangenen Jahres ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt worden war, der zwei Monate später umgesetzt wurde. Dabei fanden die Polizisten ein weiteres Mobiltelefon, auf dem kinder- und jugendpornografische Bilder abgespeichert waren. Der Zeuge sagte auf Nachfrage von Vorsitzendem Richter Manfred Kastlmeier, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Angeklagte die Abbildungen systematisch abgespeichert habe. Es handele sich um Bildergalerien, durch die man sich durchtippe. Abbildungen von Erwachsenen seien deutlich in der Überzahl gewesen.

Der Rentner hat bisher ein unbescholtenes Leben geführt

Das Schöffengericht verurteilte den Rentner wegen Erwerbs, Besitzes und Weiterverbreitung von Kinder- und Jugendpornografie zu der Geldstrafe zu 90 Tagessätzen. Damit gilt er nicht als vorbestraft. Beanstandet wurden am Ende sechs kinder- und 28 jugendpornografische Dateien. Das ist im Vergleich zu anderen Verfahren, in denen Angeklagte über zig-Tausende solcher Bilder oder Videos verfügen, verschwindend gering. Das Schöffengericht wertete das Geständnis und dem Umstand, dass er bislang ein unbescholtenes Leben geführt hatte, zugunsten des Rentners.

Seit einer Gesetzesänderung aus dem Jahr 2021 soll der Besitz von Kinderpornografie mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bestraft werden. Diese Vorschrift wird in der Rechtssprechung heftig diskutiert, weil sie zwar als gut gemeint, aber als überzogen angesehen wird. Früher, sagte Richter Kastlmeier, hätte es für so einen Fall einen Strafbefehl gegeben, dann sei die Sache erledigt gewesen. Dieser falle schon durch die geringe Anzahl von Bildern aus dem Schema. Dafür schicke man niemand ins Gefängnis.

Richter Kastlmeier und auch die Staatsanwältin hielten dem Angeklagten einen Verbotsirrtum zugute, um von dem hohen Strafmaß abweichen zu können. Das Unrechtsbewusstsein habe gefehlt, sagte der Vorsitzende Richter. Gleichwohl wäre die Tat aus einer sittlich ethischen Erkenntnis heraus vermeidbar gewesen. Die geringe Geldstrafe ist darin begründet, dass sowohl der Angeklagte als auch seine Frau mit sehr geringen Renten zurechtkommen müssen. Der Mann übt deshalb noch einen Nebenjob aus.

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