Der Bedarf an Pflanzenöl wird in den kommenden Jahren weltweit weiter rasant steigen. Der Anbau von Ölpalmen in Ländern wie Indonesien aber ist umstritten, weil für die Gewinnung von Palmöl überwiegend Regenwaldgebiete abgeholzt werden. Das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Freising forscht seit Jahren an einer Alternative: der Macauba-Ölpalme. Sie wächst in Südamerika - und sie ist wesentlich genügsamer, denn sie kommt auch mit mageren Böden wie Grassteppen und mit Trockenheit zurecht. Peter Eisner, stellvertretender Institutsleiter, ist begeistert von ihrem Potenzial.
Pro Jahr steigt die Nachfrage nach Pflanzenöl laut Eisner um etwa sechs Millionen Tonnen, als Biokraftstoff und für die Lebensmittelproduktion. Der Marktanteil von Palm- und Sojaöl liegt derzeit bei 62 Prozent. Jedes Jahr würden etwa 13 Millionen Hektar Regenwald gerodet, sagt Eisner. Angesichts dieser Dynamik müsse man davon ausgehen, "dass irgendwann kein Wald mehr da sein wird". Die Macauba-Palme aber könne da wachsen, "wo momentan karges Land ist".
Der Fokus des Fraunhofer-Instituts in Freising liegt dabei vor allem auf dem Teil der Frucht, der bisher kaum Verwendung findet: auf Nebenprodukten wie Fasern und Proteinen. Die Machbarkeitsuntersuchungen waren vielversprechend: "Wir waren ganz happy, als wir gesehen haben, wie viel in der Frucht wirklich drinsteckt", sagt Eisner. Die Rohstoffe eigneten sich für ganz unterschiedliche Anwendungen in Lebensmitteln, Tierfutter und für technische Applikationen. Im Sommer 2023 wurde die Macauba Ingredients GmbH mit Sitz in Freising gegründet, ein Fraunhofer Spin-off. Sie stellt Öl, Protein- und Ballaststoffpräparate her, um den Schritt von der Forschung in die Wirtschaft zu vollziehen.
In der Pflanzenprotein-Forschung haben die Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer-Institut jahrzehntelange Erfahrung. Ihr Ziel ist es, ernährungsphysiologische Lebensmittel bis zur Marktreife zu entwickeln - mit pflanzlichem statt tierischem Eiweiß. Natürlich sollen die Produkte nicht nur gesünder sein, sondern auch schmecken. Ein Fokus der Freisinger Wissenschaftler lag auf der Süßlupine, aus dem Protein wurde beispielsweise eine Eiscreme entwickelt, die es in die Tiefkühltheken der Supermärkte schaffte. Auch mit fermentierten Käse-Alternativen auf Erbsen-Basis experimentierten die Forschenden.
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Seit gut sieben Jahren ist die Macauba-Frucht Teil der Untersuchungen. "Es ist erstaunlich, was diese Pflanze kann", sagt Peter Eisner. Bei der Ölherstellung fallen große Press- und Extraktionsrückstände an. Bisher werden diese nur als minderwertiges Tierfutter verwendet, laut Fraunhofer-Institut könnte dies die Wirtschaftlichkeit des Anbaus infrage stellen. Hier setzen nun die Freisinger Wissenschaftler an. Sie haben ein neues Extraktionsverfahren bis in den Pilotmaßstab entwickelt, um die Nebenprodukte verwerten zu können.
Der große Vorteil laut Eisner: Das gewonnene Proteinpulver schmeckt und riecht anders als bei Soja oder Erbse neutral. Die Industrie zeige bereits Interesse an den Ballaststoffen aus den Rückständen der Ölgewinnung. Die Eigenschaften seien mit Johannisbrotkernmehl zu vergleichen, das als Bindemittel eingesetzt wird und Lebensmittel wie Eis cremig macht, erklärt er.
Eisner ist, zumindest in der Anfangsphase, auch Geschäftsführer der Macauba Ingredients GmbH. Das Fraunhofer IVV achte strikt darauf, dass seine Aufgaben am Institut und in dem Unternehmen strikt getrennt würden, betont er. Es ist nicht das erste Mal, dass eine solche Ausgründung den Weg in den Markt bereiten soll. Die Macauba Ingredients GmbH ist derzeit auf Partner- und Investorensuche. Es sei eine schwierige Zeit, sagt Eisner, viele Unternehmen seien sehr zurückhaltend und investierten derzeit nicht in langfristige Projekte. Um die nachhaltige Nutzung der Macauba-Früchte voranzubringen, sei eine Pilotanlage in Brasilien erforderlich. Auch mit solchen Projekten hat man am Fraunhofer-Institut Erfahrung. In Ungarn entstand vor Kurzem eine Extraktionsanlage, um Sonnenblumen-Protein zu gewinnen. Auch die Sunbloom GmbH ist eine Fraunhofer-Ausgründung.
Seit 2010 hat das Fraunhofer IVV eine kleine Außenstelle im brasilianischen Campinas. Etwa viermal im Jahr sei er in Südamerika, erzählt Eisner. Der drahtige 58-Jährige ist seit 1996 am Fraunhofer-Institut in Freising tätig und hat bereits viele Produkte mitentwickelt, darunter eine fettarme Wurst oder eben die Lupinen-Eiscreme. Seit 2017 ist er stellvertretender Leiter des Instituts und für den Technologietransfer zuständig. Seit 2014 ist er zudem als Privatdozent an der TU München tätig, im September 2023 ernannte ihn die TUM zum Honorarprofessor. Für die Lupinen-Forschung wurde Eisner mit seinem Team 2014 mit dem Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet. In Campinas stieß Sérgio Henrique De Toledo e Silva, 34, zum Fraunhofer-Institut. Inzwischen forscht er in Freising zur Macauba-Frucht. Er absolvierte in Campinas seinen Master und promovierte dann an der TU München.
Von Agroforstsystemen mit der brasilianischen Ölpalme könnte auch die Viehzucht profitieren, erklärt Eisner. Auf den Steppen Brasiliens fänden sie kaum Gras, sodass pro Hektar nur ein Rind gehalten werden könne. Diese Zahl steige, wenn einige Reihen Ölpalmen gesetzt werden. Der Anbau verbessere die stark geschädigten Böden, denn die Palme wurzele sehr intensiv, zudem spenden die Bäume Schatten. "Die Biodiversität steigt wieder, wir wollen keine Monokulturen schaffen." Ziel sei vielmehr ein integriertes System. Bei 150 Millionen Hektar Weideland in Brasilien sieht Eisner riesiges Potenzial.
Er hofft, dass sich bald Investoren finden werden. "Jeden Tag, den wir warten, gehen uns Tausende Hektar Wald verloren", durch Rodungen im Dschungel. Aufgrund der hohen Wertschöpfung ergebe sich langfristig, davon ist Eisner überzeugt, auch eine wirtschaftlich interessante Perspektive für die Landwirte in Lateinamerika.