Wahlrecht:Fallstricke einer Bürgermeisterwahl

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Max Lehner war als Bürgermeister der Stadt Freising gar nicht vorgesehen. Gegen den eigentlichen Kandidaten Karl Wiebel lief aber offenbar eine politische Schmutzkampagne. Auf Vorschlag der Bayernpartei wählte der damalige Stadtrat an seiner Stelle Lehner. (Foto: Marco Einfeldt/Stadtarchiv)

Es ist so gut wie sicher, dass Susanne Hartmann als einzige Kandidatin die Bürgermeisterwahl in Fahrenzhausen gewinnen wird. Das Wahlrecht ist aber für Überraschungen gut.

Von Peter Becker, Freising/Dorfen

Im Prinzip müsste schon viel zusammenkommen, wenn Susanne Hartmann an diesem Sonntag nicht die Bürgermeisterwahl in Fahrenzhausen gewinnen würde. Schließlich ist sie die einzige Kandidatin. Und der Trend ist sozusagen ihr Freund. Trotz intensiver Nachforschung gibt es offenbar keinen Fall im Landkreis Freising, in dem ein einzelner Kandidat eine Bürgermeisterwahl gegen einen plötzlich auftauchenden Mitbewerber verloren hätte. In anderen bayerischen Gemeinden ist das durchaus schon vorgekommen. Und aus Dorfen im Landkreis Erding gibt es das durchaus besondere Beispiel, dass das Volk seinen alten Bürgermeister wiederhaben wollte, der unter den Nationalsozialisten Stadtoberhaupt war. Georg Erhardt verzichtete allerdings auf das Amt - um sich ein paar Jahre später doch wählen zu lassen.

Im Amtsdeutsch ist die Wahl in Fahrenzhausen eine sogenannte "unechte Mehrheitswahl". Dabei sieht der Stimmzettel laut Auskunft der Pressestelle des Landratsamts vor, dass der Bürger die sich "vorgedruckt bewerbende Person" wählen könne, indem er diese in eindeutiger Weise auf dem Stimmzettel ankreuze. "Andere wählbare Personen können auch gewählt werden, indem sie in eindeutig bezeichnender Weise auf dem Stimmzettel handschriftlich eingetragen werden", informiert das Landratsamt. Diese Möglichkeit sehe der Stimmzettel für die Bürgermeisternachwahl in Fahrenzhausen auch ausdrücklich so vor. Wem also die zur Wahl stehende Kandidatin nicht passt, der könnte - ein fiktives Beispiel - zum Beispiel einen Hans Huber eintragen, falls es den im Gemeindebereich Fahrenzhausen gibt.

Eine Mindestbeteiligung bei einer Bürgermeisterwahl gibt es nicht. "Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen erhält", stellt das Landratsamt klar. Im Prinzip würde tatsächlich eine abgegebene gültige Stimme ausreichen, um gewählt zu werden. Möglicherweise ist die Wahlbeteiligung am Sonntag gering. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit: Weil Amtsinhaber Harald Reents im Dezember 2020 überraschend gestorben war, musste 2021 in Hallbergmoos neu gewählt werden. Einziger Kandidat war Josef Niedermair. 89,26 Prozent stimmten für ihn. Die Wahlbeteiligung lag bei 35,28 Prozent.

Josef Niedermair war 2021 einziger Kandidat und gewann die Bürgermeisterwahl in Hallbergmoos. Er kam auf 89,26 Prozent. Die Wahlbeteiligung war mit 35,28 Prozent ausgesprochen niedrig. (Foto: Marco Einfeldt)

Theoretisch könnte es in Fahrenzhausen sogar zu einer Stichwahl kommen. Und zwar unter der Konstellation, wenn weder Susanne Hartmann noch der fiktive Hans Huber eine Mehrheit unter den abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen könnte.

Zumindest theoretisch könnte eine andere wählbare Person auf Anhieb die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten und damit als Bürgermeisterin oder Bürgermeister gewählt werden. Er oder sie "müsste allerdings dann innerhalb einer Frist von zwei Wochen ausdrücklich erklären, die Wahl anzunehmen", informiert die Kommunalaufsicht im Landratsamt.

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Bei Susanne Hartmann ist das nicht der Fall. Weil sie als Kandidatin auftritt, ist davon auszugehen, dass sie die Wahl annimmt. Noch eine Besonderheit: Stimmzettel, die mit einem "Nein versehen sind, sind ungültig. Ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen ungültig, muss die Wahl wiederholt werden.

Der Kommunalaufsicht ist im Landkreis Freising kein Fall bekannt, dass eine plötzlich auftauchende Person einem Kandidaten den Wahlsieg weggeschnappt hätte. Stadtarchivar Florian Notter verweist aber auf den ersten gewählten Bürgermeister der Nachkriegszeit, Max Lehner. Seinerzeit wählte der Stadtrat noch den Bürgermeister. Das Amt sollte eigentlich Karl Wiebel erhalten. Der sah sich im Vorfeld der Wahl offenbar einer politischen Kampagne ausgesetzt. 23 Räte votierten für den von der Bayernpartei vorgeschlagenen Max Lehner. Von 1952 an wählten dann Bürgerinnen und Bürger ihr Stadtoberhaupt selbst. Bis 1970 blieb Lehner, stets mit großer Mehrheit gewählt, im Amt.

Mitten drin im Geschehen: Der Dorfener NSDAP-Bürgermeister Georg Erhard, stolz und zufrieden bei einer undatierten Nazi-Veranstaltung. (Foto: Geschichtswerkstatt Dorfen)

Einen besonderen Fall gibt es aus dem Landkreis Erding. Georg Erhard war in Dorfen in der Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 Bürgermeister. Schorsch Wiesmaier von der Geschichtswerkstatt hat sich intensiv mit der Person Erhards befasst. Er sei am 3. Mai 1945 verhaftet und zuletzt in Moosburg interniert gewesen. 1948 wurde Erhard als Minderbelasteter eingestuft.

1949 fanden in Dorfen Bürgermeisterwahlen statt. Einen Tag davor hatten Unbekannte den Namen Erhards plakatiert, nach eigener Aussage ohne sein Zutun. Er erhielt 812 Stimmen, sein Mitbewerber Xaver Eigner 799. Eine Teilnahme an einer Stichwahl verweigerte Erhard. Unter anderem mit dem Hinweis, dass seine Frau während der 25 Monate seiner Internierung gestorben sei. Als weiteren Hinderungsgrund gab er das "Verfahren der Entnazifizierung und ihrer unglückseligen Begleiterscheinungen" an. 1952 fanden die nächsten regulären Wahlen im Sinne der neuen Gemeindeverordnung statt. Erhard gewann als Kandidat einer Christlich-Sozialen Wählergruppe.

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