Domberg:Ein stimmiger Entwurf

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Da fehlt doch was? Der Sechziger-Jahre-Anbau am Kardinal-Döpfner-Haus ist aus dem Stadtbild schon fast vollständig verschwunden. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Erzdiözese und die Stadt Freising stellen die Vorentwurfspläne für das Kardinal-Döpfner-Haus vor.

Von Petra Schnirch, Freising

Auf dem Domberg klafft eine große Lücke neben der ehemaligen fürstbischöflichen Residenz. Der Anbau an das Kardinal-Döpfner-Haus ist weitgehend abgerissen worden - und nun ist auch endlich klar, was dort stattdessen entstehen soll: ein leicht zurückversetztes, modernes, fünfstöckiges Seminar-Gebäude, das dem historischen Altbau nicht die Schau stiehlt. Die Klammer zur Residenz bildet eine Loggia. Architekt Piero Bruno vom Berliner Büro Bruno, Fioretti, Marquez stellte die ersten Planungen am Montag in der Luitpoldhalle vor.

In einem ganztägigen Kolloquium befasste sich der Gestaltungsbeirat der Stadt mit dem Vorhaben der Erzdiözese und der exponierten Lage auf dem Domberg. Das Ensemble ist von weitem sichtbar, von der Süd- wie von der Nordseite, deshalb kommt dem neuen Baukörper besondere Bedeutung zu. Der bisherige Haindl-Bau aus den Sechzigerjahren war zu wuchtig und tonangebend, darin waren sich die Referenten einig. Die Vorschläge von Piero Bruno für eine Neugestaltung überzeugten sowohl die Fachleute in weiten Teilen als auch die anwesenden Stadträte.

So könnte der Neubau des Seminarhauses aussehen, mit einer Loggia soll er an die alte Residenz angebunden werden. (Foto: Büro Bruno Fioretti Marquez)

Gleich zu Beginn seiner Ausführungen stellte Bruno klar, dass es nicht Aufgabe des Architekten sei, "Verlorenem nachzuweinen", vielmehr gehe es darum, das architektonische Potenzial des Ortes zu verstehen. Doch das kann in Freising ein wahres Minenfeld sein - vielleicht auch, weil schon so manches Juwel auf dem Domberg im Laufe der Jahre verschwunden ist.

So hat der Abriss des Oktogons am Diözesanmuseum in der Stadt für viel Aufregung gesorgt. Auch für den Erhalt des Seidlturms am Kardinal-Döpfner-Haus hatten sich viele Freisinger stark gemacht. Dessen Wiederaufbau ist nicht geplant, am Neubau mache er keinen Sinn, sagte Bruno. Dafür schlägt der Architekt aber einen höheren Turm an der Nordseite, an der Martinskapelle, vor. Denn die Silhouette des Dombergs prägten immer mehrere Türme, auch an dieser Stelle.

Dem abgerissenen Haindl-Bau weint niemand eine Träne nach

Dem nun abgerissenen Haindl-Bau weint offenkundig niemand eine Träne nach. Er schloss auf gleicher Höhe an die Residenz an, nur eine kleine Fuge trennte die so unterschiedlichen Gebäude. Er wirkte dadurch sehr monolithisch. Der Seitenbau soll künftig deutlich niedriger werden und unterhalb der Dachtraufe der alten Residenz bleiben. Auch durch die zweifache Stufung nach hinten nimmt sich der Neubau, gerade in der Fernwirkung, etwas zurück. Piero Bruno sprach von einer "städtebaulichen Reparatur". Die geplanten Gebäude hätten eine "klare Präsenz, von Fern und Nah, ohne die Bedeutung der Residenz in Frage zu stellen". Etwas strittig in den Vorentwurfsplänen war die niedrige, nach innen geneigte Dachform des Seminar-Baus. Ein besonderes Detail schlägt Bruno auch für den historischen Bau vor. Dort könnte sich der Steinerne Saal künftig wieder in der Fassadengestaltung widerspiegeln.

Die Seminar-Zimmer im Neubau sind laut den ersten Plänen freundlich, aber einfach gehalten, mit Schlaf-, Wohnraum, kleinem Bad und Balkon. Vorgesehen ist nur ein Drittel der Zimmerzahl des ursprünglichen Entwurfs. Aus Kostengründen hatte die Erzdiözese davon abgesehen, diesen zu verwirklichen. Seit Juli 2019 wurde mit neuem Konzept und deutlich abgespecktem Umfang weitergeplant. Die aktuelle Kostenschätzung hat es aber ebenfalls in sich, sie liegt laut Generalvikar Christoph Klingan bei mehr 80 Millionen Euro. Ziel der Erzdiözese ist, die Planung in Kooperation mit der Stadt Freising bis Ende des Jahres so weit voranzubringen, dass der Bauantrag eingereicht werden kann. Im Mai wird sich der Gestaltungsbeirat zu einer zweiten Sitzung treffen.

Die Zimmer des Bildungszentrums sollen einfach, aber freundlich werden. (Foto: Büro Bruno Fioretti Marquez)

Für die Entwürfe von Piero Bruno gab es in der Diskussion viel Lob. Landschaftsarchitektin Cordula Loidl-Reisch fand, dass ein paar Dinge "hinreißend gelöst" seien, zum Beispiel, dass an der Südseite mehr Freiraum gewonnen werde für Terrassen. Architekt Moritz Auer, ebenfalls Mitglied im Gestaltungsbeirat, sagte, Bruno habe sich "sehr analytisch und gleichzeitig sensibel mit dem Thema befasst". Auf positive Resonanz stießen Brunos Ausführungen nicht nur bei den Fachleuten. Stadtrat Robert Weller (FW) gestand, dass sich seine Meinung "gedreht" habe. Er verstehe sich eigentlich eher "als Bewahrer", habe sich deshalb bisher für den Erhalt des Seidlturms ausgesprochen. Jetzt aber sei ihm klar: "Die Reise muss ins 21. Jahrhundert gehen." Er wünschte sich, dass die Fassade auch vom Domberg-Anger aus sensibel geplant wird, damit man nicht, wie bisher, nur auf Fenster schaue.

Charlotte Reitsam (Grüne) meinte, der Turm sei "der Hammer", über den Vorschlag werde es noch viele Diskussionen geben. Wichtig ist ihr, dass dieser öffentlich zugänglich sein wird, um Offenheit zu demonstrieren.

Der neue Anbau und die Loggia sollen etwas zurückversetzt werden, damit der historische Bau besser zur Geltung kommt. (Foto: Büro Bruno Fioretti Marquez)

Moderator Ludwig Wappner bilanzierte zum Schluss des Kolloquiums, dass Piero Bruno "viele Antworten gegeben" habe. Dies seien die Bausteine, mit denen man nun weiter arbeiten könne. Für ihn ist der Neubau keine Erweiterung, sondern "ein neues Haus". Er fragte aber, ob dieses nicht etwas niedriger werden sollte. Bruno erwiderte, dass es dann zu wenig Zimmer im Bildungszentrum gäbe.

Auch für die Erzdiözese hat der Domberg in Freising eine besondere Bedeutung. Es gebe im Erzbistum keinen anderen Ort, "der auf eine so lange, ungebrochene Kontinuität des Zusammenwirkens von Gesellschaft, Kultur und Religion zurückblicken kann", so Generalvikar Klingan. Hier gelte es, Geschichte fortzuschreiben "nicht nur im Sinne von Konservieren und Restaurieren, sondern auch von Aufbruch und Innovation". Als "ecclesia semper reformanda", so war sein Beitrag überschrieben, als immer wieder zu erneuernde Kirche, müsse sich die Kirche den Fragen nach der Zukunft stellen: "Was wird bewahrt, was wieder hergestellt, was muss neu gedacht werden, welche Wege gilt es im Blick nach vorne jetzt zu beschreiten? Nur wer sich diese Fragen stellt, kann Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einen produktiven Austausch bringen und notwendige Erneuerung gestalten."

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