Mut, so definiert es der Duden, ist "die Fähigkeit, in einer gefährlichen, riskanten Situation seine Angst zu überwinden; Furchtlosigkeit angesichts einer Situation, in der man Angst haben könnte". Und Mut, so lehrt uns ein Sprichwort, kann man nicht kaufen. Den hat man. So wie die Bewohner eines Hauses in der Dorfmitte von Langenpreising. Die hatten - ja, man kann es wirklich so sagen - den Mut, vor ihrem Haus an einem langen Fahnenmast eine schwarz-gelbe Vereinsflagge von Borussia Dortmund zu hissen.
Die weht da also nun, tagein, tagaus, mitten in einem oberbayerischen 3000-Einwohner-Ort im Landkreis Erding. In unmittelbarer Nähe von Pfarrkirche und Oberwirt. Unweit der Landeshauptstadt München und im Herzen des FC-Bayern-Lands. Ein Statement. Ein Hauch von Borsigplatz.
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Und das in einer Gegend, in der an jeder Supermarktkasse drei bis sieben Halbwüchsige im Harry-Kane- oder Jamal-Musiala-Trikot drauf warten, dass Mama endlich gezahlt hat. In der ausgewachsene Mannsbilder in Bayern-Bettwäsche schlafen und die Nächte bis zum nächsten Champions-League-Auftritt der Roten runterzählen. Und in der Hardcore-Bayern-Anhängerinnen sich zuweilen einen modisch geschwungenen FCB-Schriftzug in den Nacken tätowieren lassen.
Aber alles kein Problem. Denn das ist sie, die wahrhaftige "Liberalitas Bavarica", die Weltoffenheit und Toleranz im selbstverständlich schönsten Bundesland der Welt, in dem man auch sportlich Fehlgeleitete, Irrläufer der Fankultur, gewähren lässt. Wessen Verein schon seit einem guten Jahrzehnt Bundesliga nicht mehr kann und nur ab und zu in der europäischen Königsklasse mal ein kleines Ausrufezeichen setzt, so wie jüngst in Mailand, dem sei so eine Extravaganz wie eine BVB-Flagge im Vorgarten vergönnt, mag man sich wohl in der FCB-Gemeinde denken.
Nur keinen Ärger mit der Frau riskieren
Da nimmt man es dann auch in Kauf, dass der Trainingspartner in einem Moosburger Sportverein regelmäßig mit BVB-Shorts in der Halle erscheint. Auf diese Missachtung der ungeschriebenen Kleiderordnung angesprochen, hat er - neben der Tatsache, dass sein Geburtsland China eher nicht im FC-Bayern-Kerngebiet liegt - übrigens eine entwaffnende Ausrede parat: Er habe die Hose von seiner Frau geschenkt bekommen. Wer will schon, dass der gute Mann Ärger daheim bekommt.
Von wem ein weiterer Vereinskollege seine optische Verfehlung (selbe Farben, anderer Verein) geschenkt bekommen hat, ist nicht überliefert. Aber selbst wenn die Frau in diesem Fall nicht als Urheberin geltend gemacht werden kann, gilt auch für ihn: Leben und leben lassen. Er trägt im Training nämlich gerne mal ein Trikot von Dynamo Dresden. Dritte Liga. Hier greift neben der "Liberalitas Bavarica" auch der Mitleidsbonus.