Orgel-Restaurierung:"Das ist spannend von A bis Z"

Lesezeit: 4 min

Mit viel Enthusiasmus hat Hans Lengl mit einigen Mitstreitern Spenden für die Restaurierung der Barockorgel gesammelt - und das sehr erfolgreich. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Barockorgel aus Achering wird aufwendig restauriert - auch für Benedikt und Franz Schreier ist das kein gewöhnlicher Auftrag. Das Geld für die Arbeiten hat eine Initiative um Hans Lengl in nur einem Jahr gesammelt.

Von Petra Schnirch, Freising

Es ist ein wahres Schmuckstück, das allerdings sehr in die Jahre gekommen ist. Seit Jahrzehnten ist auf ihr nicht mehr gespielt worden, doch das soll sich bald ändern: Die Barockorgel in der Acheringer Kirche Sankt Peter und Paul wird in den kommenden Monaten aufwendig restauriert. Die dafür benötigten 80 000 Euro haben die Acheringer fast beisammen. Am Montag haben die beiden Orgelbauer Benedikt und Franz Schreier aus Thierhaupten mit dem Abbau des Instruments begonnen. Im Frühsommer 2024 wird es voraussichtlich zurückkommen und feierlich eingeweiht.

Vorsichtig nimmt Benedikt Schreier Pfeife für Pfeife aus dem grünen Holzgehäuse, nachdem er die ersten Blenden entfernt hat. Mit kleinen Aufklebern und Zeichnungen dokumentieren die beiden Orgelbaumeister exakt das Innenleben des Instruments. Eine Woche wird der Abbau dauern, es wird komplett zerlegt. Sorgfältig verpackt, werden die Einzelteile in die Werkstatt gebracht. "Eine Orgel hat immer einen logischen Aufbau", sagt Franz Schreier. Klingt einfach, doch für jeden anderen wäre das am Ende ein unlösbares Puzzle.

Schritt für Schritt bauen Franz (vorne) und Benedikt Schreier die historische Orgel in der Acheringer Kirche ab, rechts Hans Lengl. (Foto: Marco Einfeldt)
Der Erbauer der Orgel, Johann Pfaffenbichler, hat sich auf einem Brett der Verkleidung verewigt. (Foto: Marco Einfeldt)

Dass bei dem Instrument einiges im Argen liegt, dafür genügt ein kurzer Blick. Viele der Pfeifen sind verbogen und weisen Dellen auf. Franz Schreier zeigt, dass ihr oberer Rand, der mit Ausnahme der Stimmung eigentlich komplett sein sollte, an vielen Stellen eingerissen ist. Die Zinnblei-Legierung ist sehr weich, der Bleianteil relativ hoch, auch damals musste gespart werden. Einige Pfeifen sind aus Holz oder aus günstigem Zink, Letztere kamen wohl während oder kurz nach dem Ersten Weltkrieg dazu. Die Originale seien gebraucht worden, um Kugeln zu gießen, erzählt Hans Lengl von der Kirchenverwaltung. Er ist Mitinitiator der Restaurierung und weiß fast alles über das Instrument.

Die Barockorgel stammt aus dem Jahr 1785, in fast allen Teilen ist sie noch original erhalten - und sie hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Sie gilt als einzige noch erhaltene Orgel des Erbauers Johann Pfaffenbichler aus Götting im Landkreis Rosenheim. Nach Achering kam sie wohl 1804, nach der Säkularisation. Zuvor stand sie im Chiemgau, in welcher Kirche genau, konnte Hans Lengl bisher nicht ermitteln. Verglichen mit anderen Instrumenten wirkt sie relativ zierlich, sie ist nur 1,80 Meter breit, 2,75 Meter hoch und 1,20 Meter tief. Orgelbauer Benedikt Schreier will noch weiter recherchieren. Vielleicht gibt auch das Instrument selbst das Geheimnis seines ersten Einsatzortes noch preis.

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Denn viele Ereignisse sind auf der Rückseite der Verkleidung dokumentiert, das zeigt sich beim Abbau, darunter Hinweise auf mehrere Restaurierungen im 20. Jahrhundert. Auch Johann Pfaffenbichler hat sich darauf selbstbewusst - vorne und gut sichtbar - als Messner und Orgelbauer aus "Getting" mit verschnörkeltem Schriftzug verewigt. Pfleglich behandelt wurde das Instrument im Laufe der vergangenen Jahrzehnte nicht. Als in den Fünfzigerjahren eine neue Kirchendecke eingezogen wurde, hat man den oberen Aufbau der Orgel kurzerhand eingemauert, die größte Pfeife klemmt direkt unter der Decke und ist gar nicht so einfach herauszunehmen. Zwischenzeitlich war sogar einmal erwogen worden, die unbrauchbar gewordene Orgel abzumontieren und zu verbrennen, wie Lengl erzählt.

Davon ist längst keine Rede mehr, inzwischen wissen die Acheringer, was sie an ihrem Instrument haben. Hans Lengl erzählt mit Begeisterung von den Besonderheiten und kleinen Kuriositäten. Zum Beispiel, dass die Ortschaft Achering aus 249 Einwohnerinnen und Einwohnern besteht - genauso viele wie die Orgel Pfeifen hat. Wobei nur Letztere tatsächlich Pfeifen sind, betont Lengl und lacht.

Mit der Zeit ist er zum Orgelexperten geworden. Was ihn fasziniert, ist das handwerkliche Können des Erbauers. Mittlerweile wirft Lengl in allen Kirchen, die er besucht, auch einen Blick auf die Orgel, wie kürzlich in England. "Das kann einen schon fesseln", meint er. Was ihn an Vater und Sohn Schreier begeistert, ist die Kombination von "Erfahrung und jungem Enthusiasmus".

Franz Schreier begutachtet eine der Orgelpfeifen aus Holz. (Foto: Marco Einfeldt)
Die Pedale baut Orgelbaumeister Benedikt Schreier ab. (Foto: Marco Einfeldt)

Trotz großer Schäden ist die Barockorgel nach Aussagen von Fachleuten sehr erhaltenswert. Erste Gedanken an eine Restaurierung kamen bereits vor zehn Jahren auf, auch Gutachten ließ die Pfarrei damals erstellen. Aus Kostengründen verlief die Initiative im Sand. Vor vier Jahren kam dann wieder Bewegung in die Sache. 2021 beschloss die Kirchenverwaltung, die Renovierung anzugehen, sobald die Finanzierung gesichert ist. Nach dem Tag des offenen Denkmals 2022 nahm das Ganze seinen Gang. In dem Landtagsabgeordneten Benno Zierer, Freisings OB Tobias Eschenbacher und dem ehemaligen Dommusikdirektor Wolfgang Kiechle fanden die Acheringer bekannte Unterstützer. Und Hans Lengl putzte unermüdlich Klingeln, wie seine Frau Monika erzählt.

Sogar ein Badegast aus München hat für die Orgel gespendet

Firmen- und Privatspenden, Zuschüsse und Orgelpfeifenpatenschaften bilden die drei Säulen der Finanzierung. Inzwischen fehlen nur noch wenige Tausend Euro. "Wir hätten nicht damit gerechnet, dass das so schnell geht", sagt Lengl. Die Fan-Gemeinde des besonderen Instruments ist groß: Sogar ein Münchner, der im Sommer regelmäßig mit dem Fahrrad zum Pullinger Weiher fährt und dabei an der Kirche vorbeikommt, habe sich "gut beteiligt", erzählt Lengl.

Restauriert werden muss nicht nur das Instrument, auch die etwas zu niedrige Decke soll geöffnet werden. Die Orgelbauer werden unterdessen die Pfeifen restaurieren und teilweise ersetzen, ebenso die Klaviatur. Auch die Windanlage wird erneuert. Da trifft es sich gut, dass Benedikt Schreier für seine Meisterprüfung eine solche historische Anlage bauen musste.

"Es soll künftig wieder Freude machen, auf der Orgel zu spielen", sagt Schreier. Wie genau sie klingen wird, kann aber auch er noch nicht sagen. Eine so alte Orgel zu restaurieren, ist auch für die Experten ein besonderer Auftrag. "Da muss man mit Geduld und dem nötigen Respekt rangehen." Es sei so viel kaputt, sagt Benedikt Schreier, "das ist und bleibt spannend von A bis Z".

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