Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU:Unangemessene Horrorszenarien

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Seit 1. Januar dürfen Bulgaren und Rumänen ohne Hindernisse in der EU einen Job annehmen. Weder die Hilfsorganisation Renovabis noch die Arbeitsagentur Freising erwarten einen Massenansturm.

Von Birgit Goormann-Prugger

Die Fahnen von Rumänien (2.v.r) und Bulgarien wehen hier neben Flaggen der EU. Rumänien und Bulgarien sind seit 2007 in der EU, seit diesem Jahr haben die Bürger das uneingeschränkte Recht, in allen EU-Staaten einen Job zu suchen. Foto: dpa (Foto: dpa)

Seit Jahresbeginn gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU auch für Menschen aus Bulgarien und Rumänien. Im Unterschied zu früher müssen sie nun nicht erst eigens eine Arbeitserlaubnis bei der Arbeitsagentur beantragen, wenn sie eine Beschäftigung aufnehmen wollen, sondern können sich diese selbst suchen und sie dann auch sofort annehmen. Finden sie selbst keine Arbeit, können sie sich auch sofort bei der Agentur als arbeitssuchend melden "Das ist der kleine, aber feine Unterschied", erklärt das Robert Winkler vom Freisinger Landratsamt. Auch bei Renovabis auf dem Freisinger Domberg, eine katholische Hilfsorganisation, die sich um die Lebensbedingungen der Menschen in Osteuropa kümmert, wird die Lage der Migranten aus Bulgarien und Rumänien beobachtet.

Für völlig unangemessen hält man bei Renovabis Horrorszenarien von Hunderttausenden Menschen, die jetzt nach der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Rumänien und Bulgarien den Arbeitsmarkt in der Region überschwemmen würden. Es werde natürlich eine von niemandem exakt voraussagbare zunehmende Arbeitsmigration geben, sagt dazu Renovabis-Geschäftsführer Burkhard Haneke. Aber die habe es auch in den 25 Jahren nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs" immer gegeben. "Und man kann wirklich nicht sagen, dass diese Zuwanderung von Arbeitskräften aus Osteuropa uns wirklich geschadet hat", so Haneke weiter. Als im Mai 2011 die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Polen und Tschechen gekommen sei, sei auch vor einem Massenansturm gewarnt worden. "Wie sich herausstellte, waren das absolut übertriebene Befürchtungen". Die rumänischen und bulgarischen EU-Bürger, die bisher schon auf der Suche nach Arbeit nach Deutschland gekommen seien, hätten Einiges auf sich genommen, wenn sie ihre Heimat und ihre Familien verlassen, erklärt Haneke weiter. "Viele von ihnen haben das auch getan, weil sie trotz guter Ausbildung in ihrem Land keine adäquate Beschäftigung gefunden haben und unterstützen ihre Familien nun finanziell von hier aus und verbessern so deren prekäre Lebenssituation." Teilweise verrichteten sie auch Tätigkeiten, für die sich kaum deutsche Arbeitskräfte finden lassen würden, wenn man nur an den immens steigenden Bedarf im Pflegebereich denke.

Bei der Arbeitsagentur in Freising erwartet man nach Auskunft von Sprecherin Christine Schöps derzeit nicht "den großen Run" von Arbeitssuchenden aus Rumänien und Bulgarien. Aktuell seien in Freising 24 Bürger aus Rumänien und zehn Bürger mit bulgarischer Staatsangehörigkeit arbeitssuchend gemeldet. "Da ist alles dabei, Leute, die einen Helferjob suchen und auch solche mit Hochschulabschluss". Grundsätzlich werde in der Region qualifiziertes Personal dringend gesucht. "Da ist es egal, ob derjenige aus Deutschland kommt oder Ausländer ist", so Christine Schöps. Schwierig werde es für Arbeitssuchende ohne Qualifikation. "Auch das gilt für Deutsche und Bürger aus dem Ausland gleichermaßen." Wichtig seien deutsche Sprachkenntnisse. "In der Weiterbildung, auch mit Deutschkursen für Migranten, sehen wir in diesem Jahr auch eine unserer Aufgaben", erklärt Christine Schöps weiter. Aber dafür müsse man zunächst wissen, wie hoch der Bedarf sei. "Das ist derzeit nicht absehbar".

Traditionell ziehe es ausländische Arbeitsmigranten zunächst in die Großstädte. Entweder, weil man sich dort bessere Arbeitschancen erwarte oder weil schon Familienmitglieder dort leben würden. Schwierig könne es für rumänische und bulgarische Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich werden, wenn sie in der Region rund um Freising eine Wohnung suchen würden. "Die Lebenshaltungskosten sind hier einfach sehr hoch", erklärt Christine Schöps.

© SZ vom 03.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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