Anlaufstelle für suchtkranke Menschen:"Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe"

Lesezeit: 3 min

Eine Mal- und Kunstgruppe hat viel zur Gestaltung der Kontakt- und Begegnungsstätte (KoB) Freising beigetragen. Leiter Felix Hartl und Besucherin Elisabeth Sommer begutachten eines der Werke. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Kontakt- und Begegnungsstätte Freising feiert ihren zehnten Geburtstag. Leiter Felix Hartl ist stolz auf die Erfolge der Einrichtung und darauf, dass anfängliche Bedenken in der Nachbarschaft schnell abgelegt worden sind.

Von Henrike Schulze-Wietis, Freising

Heiliggeistgasse 1, ein leer stehendes Gebäude im Rohbau. Die Wände sind unverputzt und die Stromkabel hängen von der Decke: Felix Hartl, Leiter der Kontakt- und Begegnungsstätte (KoB) Freising, erinnert sich an die Anfangsphase seiner Einrichtung 2009. Heute erstrahlt sie in bunten Farben, selbst gemalten Bildern und vor allem viel Leben. An diesem Montag feiert die Begegnungsstätte ihren zehnten Geburtstag. "Es ist wie ein Teil von mir. Ich war von Anfang an dabei und habe das Haus aufgebaut", erinnert sich Hartl. Die KoB Freising war die erste von insgesamt drei Einrichtungen des Prop e.V., die suchtgefährdeten und -kranken Menschen aus dem Landkreis die Chance gibt, Struktur, Zwischenmenschlichkeit und ein Leben in einer Gemeinschaft zu erfahren. Neben der psychologischen Begleitung stehen den Besuchern verschiedene fördernde Aktivitäten offen, sei es ein gemeinsames Mittagessen, die Teilnahme am Malkurs oder das gemeinschaftliche Musizieren in der KoB-Band. Die Besucher betätigen sich handwerklich oder haben einfach eine Ort, um mit anderen Menschen zusammen zu sein.

Eine von ihnen ist Elisabeth Sommer. Im Herbst 2009 findet sie den Weg in die Begegnungsstätte. Die Moosburgerin erzählt, dass sie zunächst vor dem falschen Eingang des Gebäudes stand, jedoch letztendlich auf den richtigen Weg geleitet wurde - in jeder Hinsicht. Angefangen hat Elisabeth Sommers Geschichte mit ihrer Sucht, der sie entgegenwirken wollte. "Jetzt gehst du einfach hin, hab ich zu mir gesagt. Und seit dem ersten Tag wusste ich: Das tut mir gut und hier bleibe ich", erzählt die 62-Jährige. Besonders das weitgefächerte Angebot der KoB begeisterte Elisabeth Sommer. Sie besucht bis heute die Mal- und Kunstgruppe, die ihr eine Aufgabe im Leben gibt. "Das hat mich richtig motiviert, dass ich wieder was zu tun habe und nicht mehr zu Hause sitze und wieder auf dumme Gedanken komme", so Sommer. Die Einrichtung hat ihr neue Struktur und vor allem neues Selbstbewusstsein geschenkt. Auch beruflich konnte sie sich weiterentwickeln und arbeitet nun noch einen Tag die Woche mehr in ihrer Tätigkeit in der Wäscherei.

Beratungsstelle zieht Jahresbilanz
:Prop bleibt eine wichtige Anlaufstelle

883 Personen suchen 2018 Hilfe, weil sie selbst oder Angehörige abhängig sind

"Jeder braucht eine Heimat und seinen eigenen Platz"

Solche Erfolge verzeichnet die Einrichtung häufig. Felix Hartl erzählt von einzelnen Besuchern, die es aus der Arbeitslosigkeit hin zum Hausbesitzer geschafft haben. Die KoB bietet einen suchtfreien Raum. Das bedeutet, dass zumindest im Zeitraum von 8 bis 15 Uhr keinerlei Rauschmittel in der Einrichtung konsumiert werden dürfen. Darüberhinaus werden Therapien zur Entgiftung vermittelt. Grundsätzlich gehe es darum, den Menschen einen neuen Lebensinhalt und ein soziales Umfeld zu ermöglichen. Jeder braucht eine Heimat und seinen eigenen Platz", erklärt Felix Hartl. Auf diesen Platz beharrten manche Besucher dann auch am Essenstisch, gibt er mit einem Augenzwinkern zu.

Natürlich sei die Arbeit an manchen Tagen auch anstrengend, da viele verschiedene Charaktere in der KoB zusammentreffen und individuelle Unterstützung benötigen würden. Trotzdem sind es die kleinen Erfolge, die Hartl jeden Tag motivieren. Er zitiert den Philosophen Khalil Gibrian: "Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe." Elisabeth Sommer hat in der Einrichtung jedenfalls ihr zweites Zuhause gefunden. Sie ist stolz, an den Projekten teilnehmen zu können. "Neuneinhalb Jahre komme ich nun immer wieder, weil ich es einfach liebe." Sie wünscht sich, dass Anlaufstellen wie die KoB weiterhin gefördert und errichtet werden, denn es gibt immer Menschen, die Hilfe benötigen, wie sie sagt.

Auch Hartl freut sich in seiner KoB über helfende Hände. Jeder, der möchte, kann sich beispielsweise in der Küche engagieren. Vor allem, weil es immer wieder neue Besucher gibt, die die Hilfe der Einrichtung in Anspruch nehmen. "Seit zehn Jahren leite ich die KoB und es gab keinen Tag, an dem unsere Einrichtung nicht gut besucht war", betont Hartl. Bis zu 20 Menschen finden täglich den Weg in die Heiliggeistgasse 1. Besonders freut Hartl die Akzeptanz von außen. Anfängliche Bedenken gegenüber der Einrichtung für Suchtkranke wurden nach wenigen Tagen abgelegt, seien es die direkten Nachbarn oder die angrenzende Förderschule: Die Einrichtung werde mit offenen Armen empfangen.

Um die erfolgreichen, aber doch anstrengenden zehn Jahre der Kontakt- und Begegnungsstätte zu feiern, findet an diesem Montag, 6. Mai, ein Jubiläumsfest statt. Vorträge, Musik und Live-Kunst gehören zum Rahmenprogramm. Gäste wie der Freisinger Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher und der stellvertretende Bezirkstagspräsident Rainer Schneider sind zur Feier eingeladen. Auch KoBs aus anderen Teilen Bayerns, sowie Partner wie beispielsweise die Caritas feiern das zehnjährige Bestehen der Einrichtung.

© sz.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: