Diözesanmuseum:Die Krippe als Sehnsuchtsort

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Die neapolitanische Krippe gehört zu den Höhepunkten der Ausstellung. (Foto: Marco Einfeldt)

Das Freisinger Diözesanmuseum präsentiert seine Krippenausstellung mit vielen Exponaten aus Bayern, Böhmen, Tirol und Neapel. Mit dabei ist auch Kardinal Marx - als Tonfigur.

Von Francesca Polistina, Freising

In der Weihnachtszeit des Jahres 1223, vor genau 800 Jahren, inszenierte Franz von Assisi in einer in die Felsen geschlagenen Höhle in Mittelitalien ein Krippenspiel mit lebenden Tieren. Der Heilige ist zwar nicht der Erfinder der Krippe, obwohl er häufig so präsentiert wird, denn Darstellungen von der Geburtsszene Jesu gab es schon davor. Aber indem Franz von Assisi das Krippenspiel und somit das Menschwerden erlebbar machte, trug er dazu bei, es zu emotionalisieren und populärer zu machen.

Für das Freisinger Diözesanmuseum unter der Leitung von Christoph Kürzeder ist das ein erfreulicher Zufall: Denn im Oktober eröffnete es auf dem Domberg eine Schau über San Francesco, die bis Anfang Januar zu sehen ist. Nun präsentiert das Museum nach vielen Jahren der Schließung auch wieder seine Krippenausstellung: Dazu gehören zahlreiche Weihnachtskrippen, die schon seit Jahren zum festen Bestand der Sammlung gehören, sowie Neuerwerbungen. Ungefähr 80 Exponate werden darin gezeigt, vor allem Krippen aus Bayern, Böhmen und Tirol aber auch Gemälde und Skulpturen. Zu sehen ist diese Ausstellung bis zum 2. Februar.

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Zu den Highlights der Sammlung gehört sicher die große neapolitanische Krippe mit barocken Figuren. Neapel ist weltberühmt für seine Krippenkunst, in der Altstadt haben viele Krippenbauer immer noch ihre Läden und Ateliers. Die Geschichte dieser Tradition reicht in das Mittelalter zurück, aber besonders das 18. Jahrhundert gilt als goldenes Zeitalter, als die neapolitanischen Adelshäuser und das reiche Bürgertum eine Art Krippenwettbewerb initiierten und immer prunkvollere Inszenierungen gestalteten, mit echtem Schmuck und edlen Stoffen.

Auch die über 200 Freisinger Figuren stammen aus dieser Zeit. Das Diözesanmuseum hat sie in den Achtzigerjahren gekauft, nun präsentiert es sie in der Neuinszenierung des Krippenkünstlers Giuseppe Ercolano, der mit dem Szenografen Bruno Alfano extra aus Italien angereist ist. Die neapolitanische Krippe zeichnet sich traditionell durch sehr viele Figuren aus und besteht aus drei Hauptszenen, erklärt Ercolano: links die Verkündigung an die Hirten, rechts die "Taverna", also das Wirtshaus, von dem die schwangere Maria weggeschickt wurde und das in der allegorischen Krippensprache das Materielle und die Sünde symbolisiert.

Die Geburt Jesu ist in der Mitte zu bestaunen: In der neapolitanischen Tradition spielt die Szene nicht in einem Stall oder in einer Höhle, wie es häufig der Fall ist, sondern auf römischen Ruinen, um die Entstehung einer neuen Epoche, und zwar des Christentums, zu symbolisieren. Alle Figuren sind historisch - mit einer Ausnahme: Kardinal Reinhard Marx, der etwas abseits in der rechten Ecke das Gewirbel des neapolitanischen Alltags beobachtet. Krippenkünstler Ercolano, der die Marx-Figur selbst realisierte, verzichtet normalerweise auf zeitgenössische Protagonisten, aber auf Wunsch des Diözesanmuseums machte er diesmal eine Ausnahme.

Kardinal Marx ist die einzige zeitgenössische Figur in der neu inszenierten neapolitanischen Krippe. (Foto: Marco Einfeldt)

Während die neapolitanische Krippe mit ihrer Fülle und Vitalität beeindruckt, suggerieren andere Krippen in der Ausstellung eine ganz andere Stimmung. So etwa die große, detailreiche Tiroler Krippe, in der Orient und heimatliche Landschaften aufeinandertreffen, oder die Münchner Krippe. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde München zu einem Zentrum des Krippenbaus, dazu gehören nicht nur normale Tiere wie Hirsch, Rind, Schaf oder Fuchs, sondern auch Fabelwesen wie das "Succurath", das bei Gefahr seine Jungen auf dem Rücken trägt und sie in Sicherheit bringt. Das Succurath steht symbolisch für die Flucht Marias und Josefs vor dem Kindermord von Bethlehem: Charakteristisch für Münchner Krippen ist eben die reiche Vielfalt an Tierfiguren, die vor allem die Nebenszene der Flucht nach Ägypten ausschmücken.

Für Steffen Mensch, Sammlungsleiter und Kurator der Ausstellung, ist die Krippenkultur, so wie wir sie heute verstehen, in der Zeit nach der Reformation entstanden. Besonders die Jesuiten legten großen Wert auf Krippen und nutzen sie als Mittel, um den christlichen Glauben zu vermitteln. Ähnlich wie in Neapel begeisterte sich auch der hiesige Adel für die Krippenkunst, bereits für die 1570er Jahre ist eine Krippe am Münchner Hof dokumentiert. Seine Blütezeit fand die Krippe auch hierzulande im Barock, von dem sie übrigens beeinflusst wurde. Nach der Säkularisierung von 1803 wurde ein staatliches Krippenverbot erteilt: Die Weihnachtskrippe wechselte infolgedessen aus den Kirchen und Höfen in die privaten Häuser und wurde zur Privatsache. Sie wurde kleiner, intimer, auch biederer.

Die Weihnachtskrippe aus Grulich (Tschechien) besteht aus bunten Holzfiguren. (Foto: Marco Einfeldt)

Verschwunden ist diese Tradition aber noch lange nicht, wie die vielen Krippenwege, die in den vergangenen Jahrzehnten entstanden sind, und das zahlreiche Publikum bei der Eröffnung der Ausstellung am Samstagnachmittag - darunter auch Kardinal Marx und Staatsminister Florian Herrmann - zeigen. Den Grund dafür hat der Museumsdirektor selbst zusammengefasst: "Die Krippe ist ein Sehnsuchtsort", sagte er am Samstag. Ein Sehnsuchtsort nach einer friedlichen und harmonischen Welt, die in vielen Gegenden beinahe verschwunden zu sein scheint. Auch dort, wo die Geburt Jesu tatsächlich geschehen ist.

Krippenausstellung: "Das Christkind kommt!" Bis zum 2. Februar im Diözesanmuseum, Domberg 21, Freising.

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