SZenario:Waller und Wallungen

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Ministerpräsidentenkinder unter sich: Franz Georg Strauß und Gloria-Sophie Burkandt, älteste Tochter von Markus Söder. (Foto: Robert Haas)

Kabarett, Kernsanierung, Krieg: Das sind die Themen beim Aschermittwochs-Fischessen im Franziskaner

Von Philipp Crone

Was Franz Josef Strauß über diese Nachbarschaft wohl denken würde? Die Büste des früheren Ministerpräsidenten residiert an einer der besten Ecken im Franziskaner, also einer, von der aus man fast alles im Blick hat und in der man von allen gesehen wird. Darum geht es an diesem Abend, dem traditionellen Fischessen der Wirtefamilie Reinbold am Aschermittwoch. Strauß selbst sagt zwar nichts mehr, als man ihm eine schwarze Chanel-Tasche zur Seite stellt auf dem Fensterbrett, aber dafür sein Sohn Franz Georg. Und überhaupt geht es an diesem Abend mehr ums Sagen als ums Essen, mehr um die Nachbarn als um einen selbst, und natürlich, weil es eine urmünchner Einladung ist, zu gleichen Teilen um das Sehen und Gesehen werden. Das dürfen immerhin 800 ausgewählte Gäste am Mittwoch zelebrieren. Wobei dabei weniger spannend ist, wer sich zum Thunfischtatar niederlässt, das sind zum Teil seit Jahrzehnten die gleichen Gäste, sondern worüber sie reden.

Es gibt wahrscheinlich kaum einen gesellschaftlichen Anlass in München, zu dem die Gäste pünktlicher kommen als zum Franziskaner. Während also noch das obligatorische Fisch-mit-Wirten-Bild gemacht wird, fluten Männer und Frauen in Tracht die Räume. Zwei Waller und ein Stör, dazu zwei Söhne und ein Vater, das ist das Foto, das benötigt wird. Dabei ist nicht der zweite Waller spannend, die ganze Fischplatte bringt 85 Kilo auf die Waage, man könnte also glauben, dass Vater Eduard Reinbold beide Söhne braucht, um die Speisen zu halten, aber es ist eher so, dass Sohn Ludwig nach überstandener Auseinandersetzung mit den Gerichten der Stadt wieder vom Vater gesellschaftlich zugelassen ist.

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Ludwig Reinbold wurde zu einer Geldstrafe wegen Drogenkaufs verurteilt und fehlte im vergangenen Jahr beim Fischessen, an diesem Abend ist er nun wieder Co-Gastgeber und überblickt das Geschehen, das einem mittleren Wiesn-Samstag zur Zeltöffnungszeit gleicht. "80 Prozent sind Stammgäste", sagt er, und manche würden ihren erkämpften Tisch, die begehrtesten sind im Studentensaal, an ihre Kinder weiterreichen. Die Generationen sind an diesem Abend gut zu unterscheiden, vereinfacht tragen die Alten das Haar auf dem Kopf, so es noch welches gibt, und nicht am Kinn, die Jungen genau andersherum. Alle zusammen werden gleich 850 Kilo Fisch verspeisen, aber vorher, wenn man noch von Tisch zu Tisch schlendern kann, sich mit möglichst vielen austauschen. Mitten im Studentensaal steht dabei ein Sohn, der phänotypisch selbst zur älteren Generation gehört, und wirkt etwas betrübt.

Der Studentensaal im Franziskaner am Mittwochabend. (Foto: Robert Haas)

Franz Georg Strauß, 61, geht es gar nicht so sehr um die gefährliche politische Lage. Im vergangenen Jahr stand das Fischessen kurz vor der Absage, weil Putins Angriffskrieg gerade losgegangen war. "Jetzt haben wir mitten in Europa seit einem Jahr Krieg", sagt er kopfschüttelnd und hört seinem Satz nach. Sein Vater Franz Josef habe ihn einmal zu einem Besuch beim damaligen russischen Außenminister Eduard Schewardnadse mitgenommen.

"Schewardnadse sagte damals zu meinem Vater: Alles in Rüstung zu investieren, hat bei uns nie funktioniert." Und auch sonst hat er eher betrübliche Themen im Gesprächsangebot. Strauß ist ab und an in der Lach- und Schießgesellschaft, "obwohl das Kabarett ja nie nett zu unserer Familie war", wie er lächelnd sagt, "wobei Kabarett ja natürlich auch nicht konservativ sein darf". Er sieht die nun angemeldete Insolvenz der Bühne mit dem Blick eines Fischessen-Stammgasts: "Dann müssen eben notfalls ein paar Leute das finanziell retten."

Der Studentensaal wird noch in diesem Jahr abgerissen

Ein paar Leute wären da auch zugegen an diesem Abend, die sich das Wallerfilet für 39,90 gönnen. Vielleicht der Unternehmer Thomas Haffa, der die Boulevard-Kollegen auf Trab hält, weil er mit seiner Freundin Pia da ist, der Tochter des verstorbenen früheren VW-Vorsitzenden Carl Hahn. Gloria-Sophie Burkandt, Tochter von Markus Söder, gesellt sich neben den Mit-Ministerpräsidenten-Nachwuchs Strauß und begutachtet das Treiben. Im Studentensaal schieben sich Kellner und Platzsuchende verzweifelt aneinander vorbei, und mittendrin seufzt Strauß: "Das ist wohl das letzte Mal." Dass im Studentensaal der Fisch gefeiert wird. Dieser Teil des Gebäudes wird noch in diesem Jahr abgerissen, bestätigt Eduard Reinbold, und ob man ihn nach dem Wiederaufbau noch einmal dazu miete, müsse man noch sehen. Strauß Senior wäre sicher schwer dafür, obwohl seine Büste mittlerweile zwischen Chanel und einer Hermes-Tasche fast verschwunden ist.

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