Förderung:Dank EU-Unterstützung auf Ungeziefer-Jagd

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Viele nehmen die Europäische Union als bürokratisches und kompliziertes Konstrukt wahr. Doch es geht auch ganz konkret: Ein Schädlingsbekämpfer hat einen wichtigen Kredit aus Brüssel bekommen.

Von Pia Ratzesberger

Wenn Thomas Veh vorfährt, sind die Ratten meist schon da. Die Kakerlaken, die Bettwanzen. Seine Kunden bitten ihn manchmal, eine Straße weiter zu parken, damit niemand sieht, wer da ins Haus kommt. Die Schrift auf seinem schwarzen Wagen klebt er dann ab, die Gäste halten ihn meist für irgendeinen Handwerker - müsse ja auch niemand wissen, dass er gerade Giftköder ins Hotel trägt. Thomas Veh nämlich, 30, ist Schädlingsbekämpfer. Und dass er seine eigene kleine Firma führt, hat auch viel mit der Europäischen Union (EU) zu tun. Denn von der bekam er sein erstes Geld.

Die Europäische Union nehmen viele Menschen vor allem als kompliziertes Konstrukt war, fern in Brüssel, mit viel zu vielen Institutionen, sodass kaum einer noch den Unterschied zwischen Europäischem Rat und Rat der Europäischen Union kennt. Was von den Nachrichten aus Brüssel bleibt, ist meist die Bürokratie, die Vermessung von Gemüse. Ab und an fällt im Urlaub vielleicht noch ein blaues Schild auf, ein von der EU geförderter Wanderweg. Eigentlich aber könnte man solche Schilder in der ganzen Stadt verteilen, denn es fließt viel Geld aus Brüssel in konkrete Projekte, auch in München. Zum Beispiel gründen Menschen wie Thomas Veh mit diesem Geld eine eigene Firma.

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Veh sitzt gerade im Biergarten im Hotel zur Post in Pasing, er hat jetzt Feierabend und geht noch einmal seine Abrechnungen durch. Das Geschäft läuft. "Mit dem Kapital habe ich den ersten Gifteimer gekauft. Also jetzt symbolisch gesprochen." Veh trägt eine kleine Brille, auf seinem schwarzen Pullover seine drei Markenzeichen: Maus. Käfer. Ameise. Als Veh vor drei Jahren seinen Businessplan der ersten Bank vorlegte, lehnte die einen Kredit ab. "Vielleicht war ihnen die Kreditsumme zu unbedeutend." Er bewarb sich also bei einem Gründerprogramm der EU aus dem sogenannten Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) - dieser Fonds soll unter anderem Firmen fördern, die sich mit Erneuerbaren Energien beschäftigen, mit digitalen Netzen, aber eben auch besonders kleine Unternehmen wie das von Thomas Veh.

Sein Antrag wurde damals angenommen, er bekam dann einen Kredit über 15 000 Euro, mit äußerst niedrigen Zinsen. Er kaufte ein Dachgestell für seinen Wagen, die ersten Sprays, Arbeitskleidung, solche Dinge. Heute macht Veh weit mehr Umsatz, als er sich damals in seinen Businessplan schrieb, auch einen Mitarbeiter in Teilzeit hat er angestellt - "aber da werden wir bald aufstocken müssen."

Die EU will mit solchen Krediten die Wirtschaft stärken, Arbeit schaffen und gerade deshalb besonders kleine Firmen fördern. Beispiele wie das von Thomas Veh gibt es mehr in der Region, da ist zum Beispiel eine Firma für umweltfreundlichere Grillkohle, ein Unternehmen für Bio-Strohhalme. Eine Statistik aber, wie viele Münchner Firmen Brüssel bisher gefördert hat, gibt es nicht - schon gar keine Statistik über die kleinen Firmen.

Beim Europäischen Fonds für strategische Investitionen geht es insgesamt um mehr als 315 Milliarden Euro, so viele Investitionen soll er allein bis zu diesem Jahr innerhalb der EU anstoßen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte diesen Fonds forciert, deshalb nennt man ihn in Brüssel auch den "Juncker-Fonds". Der Plan ist: Wenn Geld investiert wird, die Wirtschaft erstarkt, werden sich am Ende die Unterschiede innerhalb der Europäischen Union verringern. Wenn Thomas Veh dann aber von seinem Businessplan erzählt, fragt man sich schon: Warum fördert solch ein Fonds eigentlich Projekte in München, einer Stadt mit einer starken Wirtschaft? In einem reichen Bundesland?

Ruft man im Referat für Arbeit und Wirtschaft an, Sachgebiet Europa, heißt es dort, die Förderungen in München fielen zum einen nicht wirklich ins Gewicht, wenn man auf die gesamte EU blicke. Zum anderen: Wenn alle Staaten zu einem Fonds beitragen, müssten natürlich auch alle davon profitieren, da könne man niemanden ausschließen. Beim Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, kurz EFRE, sei München bis vor vier Jahren zum Beispiel nicht antragsberechtigt gewesen, aber auch das habe sich geändert.

Man habe die starken Städte nicht mehr ausschließen wollen, da gerade von dort viele Innovationen kämen. Zudem hätten es sehr kleine Firmen auch in München oft schwer, an Kredite zu kommen - wie viele Firmen in der Stadt bisher mit EU-Mitteln gegründet wurden, kann man allerdings auch im Wirtschaftsreferat nicht sagen. Es liefen so viele Projekte gleichzeitig - die großen Fonds, einzelne Aktionsprogramme, extra Kreditförderungen.

Thomas Veh, der Schädlingsbekämpfer, sitzt vor seinen Abrechnungen im Hotel zur Post, er hat mittlerweile mit weitaus größeren Summen zu tun, als mit seiner Kreditsumme von damals. Aber mit der hat alles angefangen. Gerade kümmert er sich vor allem um Taubenabwehr, um Ameisen, auch um Wespen, die Saison geht jetzt los. Er blickt auf sein Glas und zieht mit dem Daumen ein Insekt aus dem Zuckerwasser. "Wieder so ein Viech." Ob sich sein Bild von der Europäischen Union durch den Kredit geändert habe? "Nicht wirklich", sagt Veh, er gebe ja schließlich auch was zurück, zahle Steuern und stelle Leute an. Aber wenn ihn jemand fragt, wie er seine Firma gegründet habe, erzählt er den Leuten natürlich schon die Geschichte mit der EU. Wahrscheinlich kann alleine das manchen Blick auf Brüssel verändern.

Denn fragt man bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern nach, heißt es dort, es meldeten sich noch viel zu wenige Gründer, in München würden die verfügbaren EU-Mittel noch nicht ausgenutzt. Und es gehe dabei ja nicht nur ums Geld, sondern auch um das Netzwerk, den Kontakt zu Unternehmern aus vielen anderen Ländern. Um ein gemeinsames Europa.

© SZ vom 20.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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