Flughafen München:Im Tiefflug unter der Aschewolke

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Erste Langstreckenjets fliegen wieder nach MUC. Doch die Verluste für den Flughafen sind enorm - und exotische Früchte gehen aus.

D. Hutter und J. Bielicki

Am Mittag hat sie wieder getagt - jene Arbeitsgruppe, in der sich Flughafen, Flugsicherung, Wetterdienst und die Fluggesellschaften seit Tagen beraten. Es gab nichts Neues. Die Aschewolke aus Island hält sich hartnäckig am Himmel über dem Erdinger Moos. Das Flugverbot wurde erneut verlängert, zunächst bis Dienstag, 2 Uhr.

Weiterhin heißt es am Münchner Flughafen für die meisten: warten. (Foto: Foto: dpa)

Die Fluggesellschaften ließen dennoch erstmals wieder einige Maschinen fliegen - strikt unterhalb der Aschewolke und gestützt auf eine Ausnahmegenehmigung des Luftfahrt-Bundesamts.

Den Anfang machte Air Berlin mit zwei Maschinen von Mallorca nach München, die am Nachmittag im Erdinger Moos aufsetzten. Am frühen Abend dann verkündete auch die Lufthansa, mehrere Interkontinentalmaschinen sowohl in München als auch in Asien und in Amerika starten zu lassen. Die Piloten sollen im Bereich der Aschewolke unterhalb von 3000 Metern im kontrollierten Sichtflug navigieren, auf dem Rest der Strecke ganz normal im Instrumentenflug.

Am Dienstagmorgen werden die ersten Touristen aus fernen Ländern in "MUC" erwartet. Mit dem "Tiefflieger-Trick" kann allerdings keineswegs der gesamte Luftverkehr wieder aufgenommen werden. Das Aufkommen am Münchner Flughafen, so berichtet Martin Köppl von der Deutschen Flugsicherung, sei nur nach Instrumentenflugregeln zu bewältigen. Zudem kann man nur bei schönem Wetter auf Sicht fliegen.

Am Münchner Flughafen geht es am Montag sehr ruhig zu. Noch 200 Gestrandete harren in den Terminalhallen aus, 20 davon dürfen mangels deutscher Einreiseerlaubnis den Transitbereich nicht verlassen. Die Betreibergesellschaft FMG hat viele ihrer Mitarbeiter nach Hause geschickt. "Sie bauen Überstunden ab oder haben Urlaub genommen", berichtet Sprecher Robert Wilhelm.

Nur noch zehn Prozent der Vorfeldarbeiter seien vor Ort. "Die anderen sind aber alle erreichbar und können in kurzer Zeit am Flughafen sein." Schließlich will man gewappnet sein, wenn der Flugbetrieb wieder in vollem Umfang startet.

Die Deutsche Flugsicherung nutzte die Gelegenheit, an einer der verwaisten Pisten eine Sendeanlage des Instrumentenlandesystems auszutauschen. Solche Arbeiten sind sonst nur in der nächtlichen Betriebsruhe möglich. Ausnahmsweise bei Tageslicht konnten auch die Bahnen selbst sowie ihre Befeuerung kontrolliert werden.

Die wirtschaftlichen Folgen der tagelangen Totalsperre haben inzwischen eine erkleckliche Größenordnung erreicht. Allein die FMG rechnet mit Verlusten von zwei Millionen Euro pro Tag. Einnahmeausfälle, weil keine Start- und Landeentgelte mehr entrichtet werden, weil niemand mehr in die Parkhäuser fährt und weil die Kauf- und Esslust von 200 Leuten nicht kompensieren kann, was an normalen Tagen von rund 100.000 Leuten ausgegeben wird.

Die meisten Geschäfte und Restaurants im Sicherheitsbereich sind längst geschlossen, und offenbar profitiert nicht einmal das Hotel Kempinski von dem Flugverbot. Denn da München am Freitag lange Zeit der letzte noch offene Flughafen Deutschlands war, konnten nach Auskunft von Hotel-Sprecherin Kathrin Schumacher die bereits ausgecheckten Gäste zwar noch ab-, ihre Zimmer-Nachfolger aber nicht mehr anreisen.

Auch nach kompletter Aufhebung des Flugverbots ist noch mit tagelangem Chaos und viel Passagierfrust zu rechnen. In dem dann zu erwartenden Andrang haben laut FMG-Sprecher Wilhelm zunächst die Flugzeuge Vorrang, die ganz regulär im Flugplan stehen. Die aber darf nur besteigen, wer es rechtzeitig nach Aufhebung des Verbots bis zum Flughafen schafft.

Und wer ein Ticket für diesen Flug hat. Einige Passagiere waren aus diesem Grund gleich mehrmals in den vergangenen Tagen an den Schaltern und haben immer wieder umgebucht. Eng zugehen dürfte es in jedem Fall, da nicht nur die Gestrandeten nach Hause wollen, sondern auch verschobene Reisen absolviert werden. Nach SZ-Informationen sind in den kommenden Tagen von Peking nach München keine Tickets mehr erhältlich. Auch bei der Fracht hat sich inzwischen einiges angestaut. Seit Freitagabend konnten laut Wilhelm rund 2000Tonnen nicht befördert werden, vor allem Lebensmittel, Blumen und Autoteile.

Für Herbert Stoffel ist das Flugverbot "schlecht, ganz schlecht, eine Katastrophe!" Von einem Stand in Halle 2 des Münchner Großmarktes beliefert sein Unternehmen Früchtewelt Münchens gehobene Gastronomie mit exotischen Früchten aus aller Welt. Bei ihm gibt es fast alles, was in den Tropen wächst, Früchte mit Namen wie Karambole oder Pitahaya.

Doch auch für Kunden wie Dallmayr und Käfer hat er in diesen Tagen nur noch wenig anzubieten. "Wenn nichts reinkommt, kann ich auch nichts verkaufen", sagt Stoffel. Siebzig Prozent seiner Ware kommen mit dem Flugzeug - oder eben gar nicht. Mindestens 20.000 Euro kostet ihn das Ausbleiben der Frachtflugzeuge aus Asien, Afrika und Südamerika schon jetzt, und wann er wieder an seine Tropenfrüchte kommt, ist noch nicht absehbar: "Am Freitag", so hofft er, aber dafür müsste das Flugverbot schon am heutigen Dienstag fallen.

Andere Händler sind gelassener. Das Flugverbot treffe den Handel "nur marginal", glaubt Marcus Niebisch von der Firma Zelger. Betroffen sei allein die hochpreisige, zumeist auf Bestellung eingeflogene Flugware, ganz frische Mangos etwa, die im Delikatessengeschäft fünf Euro das Stück kosten. Das mache jedoch, so schätzt Niebisch, "weniger als ein Prozent" des Handels aus. Das billige Überseeobst, das beim Discounter zu haben ist, kommt mit dem Schiff: "Die Ernährungslage der Stadt ist nicht gefährdet", spottet der Händler.

© SZ vom 20.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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