Filmfest München:"Blitzlicht zahlt keine Mieten"

Lesezeit: 3 min

Schauspieler Elyas M'Barek (Foto: Felix Hörhager/dpa)

Ersatzfilmball im Bayerischen Hof: Beim ersten "German Film Dinner" bestimmen Elyas M'Barek und die Branchenkrise den Abend.

Von Stefanie Witterauf

Sie sind alle gekommen: Die Stars, die Sternchen, die Produzenten, die Verleiher, die Filmschaffenden. Urgesteine wie Mario Adorf, Film-Stars wie Veronica Ferres und Politik-Sternchen wie die bayerische Staatsministerin Judith Gerlach. Zum ersten Mal findet die Spendengala "German Film Dinner" am Mittwochabend im Bayerischen Hof statt. Gesammelt wird für Notleidende in der Filmbranche. Und so manchem kommt eine derartige Benefizveranstaltung mit rotem Teppich und Abendrobe skurril vor. Denn da werde gegen Armut geprotzt.

Wegen der Pandemie hat der glamouröse Filmball, der sonst den Auftakt des Jahres in der Branche einläutet, drei Jahre in Folge nicht stattgefunden. Ist das nun sein Ersatz - oder gar sein Ende? Entwarnung gibt Christian Sommer, Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO), der zu diesem gesetzten Dinner mit Crémant-Empfang geladen hat. Den Filmball wird es nächstes Jahr definitiv geben. Und mit ihm soll die Sommervariante auch gar nicht mithalten.

Hier mit einem klaren Ziel: ein Selfie mit Elyas M'Barek.

Kein Smoking, keine Fliege, dafür leichte Sommerkleider, etwa weiß und gehäkelt wie von Aylin Tezel oder lila und schimmernd wie von Alice Dwyer. Dass Juni statt Januar ist, macht sich vor allem an der Garderobe bemerkbar. Gastgeber und Gästeliste hingegen gleichen dem Filmball, es moderiert Nina Eichinger, die sonst auch im Winter durch den Abend führt. Und blickt man sich um, sitzen auch die gleichen Nebendarsteller an den Tischen. Wie das Ehepaar Krissel aus Wiesbaden, das seit 36 Jahren keinen Filmball verpasst hat. Und wie üblich stehen schon Stunden vorher die Autogrammjäger und Selfie-Sammler vor der Drehtür am Bayerischen Hof. Der eine hat ein frisches Buch dabei. Die andere ist hier mit einem klaren Ziel: ein Selfie mit Elyas M'Barek.

Trotz hoher Promidichte scheint der Schauspieler, der mit "Fack ju Göhte" Rekorde im Deutschen Filmgeschäft gebrochen hat, mal wieder der Mann des Abends zu sein. Seine Rolle im Historienfilm "Der Medicus" hat er laut Produzent Christoph Müller von Constantin-Film auch an einem Abend wie diesem vor etwa zehn Jahren bekommen. Die beiden Männer sind ein eingespieltes Team. Sie haben zusammen bei "Der Fall Collini", einer Ferdinand von Schirach Verfilmung zusammengearbeitet und Müller war Gast auf M'Bareks geheimer Hochzeit vergangenen Herbst. Über seine hübsche Frau sprechen die Gäste, die neue schöne Wohnung des 41-Jährigen in New York, über ihn damals als frisch Volljähriger - und über seine angebliche Arroganz, die mit den Jahren und dem zunehmenden Erfolg gekommen sei.

Zeit, beim Treffen mal nachzufragen, wie es der Branche eigentlich gerade so geht. "Ich glaube Corona hat dem deutschen Kino nicht gutgetan. Und auch so ist die Stimmung gerade nicht mehr so freudig wie vor ein paar Jahren", sagt M'Barek. Sie sei sogar sehr getrübt. Doch weniger gefeiert wird deswegen nicht.

M'Barek ist an diesem Abend sogar scheinbar mehrfach da. Ein Produzent stellt den Nachwuchsschauspieler Mido Kotaini neben Veronica Ferres, ihre Tochter Lilly Krug und alle zusammen vor die Linse eines Fotografen und ruft: "Der neue Elyas M'Barek. Er sieht sogar noch besser aus!" Dieses Manöver funktioniert, Mutter und Tochter posieren, der Fotograf drückt ab. Eine geniale Art, alle Blicke auf sich zu ziehen, probiert an diesem Abend Tom Gerhardt aus. Fast so früh wie die Autogrammjäger kommt der Schauspieler, der als Hausmeister Krause im Fernsehen bekannt wurde, zum Atrium des Bayerischen Hofs und posiert allein auf dem roten Teppich. Der Nachteil: Die Fotografen müssen sich einschießen und blitzen, was das Material hält. Gerhardt sagt am Ende: "Mein Gott, bin ich abgeschossen." Später wird er aber natürlich doch ein weiteres Mal auf dem roten Teppich stehen, wenn Mario Adorf und Florian David Fitz sich fotografieren lassen. Man ahnt: Gerhardt hat was zu verkaufen - und schon erzählt er von einem abendfüllenden Theaterstück, einer Neuauflage mit seiner Fernsehfamilie Krause.

"Was die Streamer heute sind, waren früher die Privatsender"

"Blitzlicht zahlt keine Mieten", sagt Judith Gerlach in ihrer Rede. Sie erinnert an die Künstlerinnen und Künstler, deren Existenz bedroht ist. Für die sollen der Abend und die generierten Spenden ja auch eigentlich gedacht sein. Es gehe um Solidarität, ums Zusammenhalten. Auch SPIO-Geschäftsführer Christian Sommer spricht von der Krise, der Inflation, dem Fachkräftemangel. Wie schlecht es der Filmbranche wirklich geht, wird aber an so einem Abend nicht klar, denn es gehe ihr ja "immer schlecht", sagt Lena May Graf. Im September läuft ihr Regie-Debüt "Trauzeugen"; sie ist zum ersten Mal bei einer Gala eingeladen, sozusagen in den Club aufgenommen. "Es wurde nie von den goldenen Zeiten gesprochen. Was die Streamer heute sind, waren früher die Privatsender", sagt sie. Auch Florian David Fitz erzählt, dass schon vor zwanzig Jahren, als er angefangen hat, immer vom Ende gesprochen worden sei. Seine Agentin habe sogar damals hingeschmissen.

Das Ende, das ist an diesem Abend fließend. Für die letzten um zwei Uhr morgens, für Mario Adorf schon früher. Um elf tritt der Schauspieler seinen Heimweg an, geht durch das nun stille Foyer, vorbei am gar nicht mehr beblitzten roten Teppich, gibt draußen noch ein paar Autogramme und wird von den Münchner Filmfan-Ultras mit Stift und Fotomappe noch mit einem selig beschwingten Kompliment in die Nacht entlassen, als sie ihm nachraunen: "eine Legende".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: