Feuerwerke an Silvester:Pffft? Oder BUMM?

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Illustration: Dennis Schmidt (Foto: N/A)

Jeder feiert Silvester anders: Während sich manche fast selbst wegsprengen oder Fremden Feuerwerke zwischen die Beine werfen, begnügen sich andere mit Wunderkerzen. Eine Typologie der Silvester-Feuerwerker.

Es gibt sie jetzt wieder zu kaufen, all die Raketen und Böller, die Knallerbsen und Heuler. Zum Jahreswechsel um Mitternacht verpulvern die Münchner dann all den Zündstoff, für den sie jedes Jahr wieder zusammengerechnet mehrere Millionen Euro ausgeben. Doch natürlich gibt es Unterschiede.

Der Rowdy

Ein Knall, ein Schrei, vielleicht noch ein derber Fluch, und dasselbe von vorn - so feiert der Rowdy. Der Anfänger in der Gruppe der Rowdys treibt sich zwischen Meuten von Feiernden herum und wirft den anderen Kracher zwischen die Füße. Der fortgeschrittene Rowdy postiert sich an einem erhöhten Platz, etwa auf dem Olympiaberg, oder am Isarufer seitlich neben einer Brücke. Um Mitternacht wirft er entweder von oben Sprengsätze auf die Leute weiter unten, oder er schießt von unten mit Raketen in Richtung der Feiernden da oben. Wenn er jemanden erschreckt, freut er sich diebisch - und ganz besonders, wenn einer flucht. Dass er andere verletzen kann, nimmt er in Kauf; allerdings will er in Wahrheit wohl kein Blut sehen. Dafür steht er zu weit entfernt, wenn seine Knaller oder Raketen hochgehen. Das muss er aber auch, damit ihn keiner erwischt.

Der Importeur

Der ganze Kram für Kleinkinder, der in hiesigen Supermärkten verkauft wird, ist nichts für den Importeur. Chinaböller hat er schon in der Grundschule krachen lassen, als Teenager hat er sich seine Böller selbst gebastelt, weil ihm die anderen zu langweilig waren. Dann ist er auf die Idee gekommen, die seine Silvesternächte nachhaltig verändert hat: Im Ausland, hat er sich gedacht, da haben die Spaßverderber von der zensierenden Bundesanstalt für Materialprüfung keine Handhabe, da mischen sie den richtig explosiven Stoff zusammen. Also fährt er nun Jahr für Jahr in die Nachbarländer und holt sich die Raketen und Kracher, für die man in Bayern einen Waffenschein bräuchte. Seitdem wird er zum Jahreswechsel schier wahnsinnig vor Glück, wenn beim Nachbarn die Dachziegeln wackeln, sobald seine illegale Ware rummst. Dass es ihm selbst fast einmal das Gartenhäuschen abgefackelt hätte - geschenkt!

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Der Artillerist

Die Verbundbatterie Wild Crackpot mit 272 Schuss, der Master of Universe 100, die Feuerwerks-Multieffekt-Batterie Blue Night Fire - und natürlich nicht zu vergessen: der Diamonds in the Sky 48. Nein, er hat im Baumarkt wieder nicht an sich halten können. Und so fährt er jetzt vor, den Kofferraum des Familien-Kombis randvoll gepackt. Zwei Stunden braucht er, bis er alles endlich abgefackelt hat. Anschauen, geschweige denn genießen kann er all die Raketen, die er da abfeuert, natürlich nicht. Dann bräuchte er ja vier Stunden, wenn nicht sogar fünf, bis der Kofferraum leer ist. Weiter, immer weiter also, lautet seine Devise: Batterie hinstellen, anzünden, nächste. Frau und Kind haben längst entnervt das Schlachtfeld geräumt. "Stalin-Organist" hat ihn vergangenes Jahr einer genannt, der sein Artillerie-Feuer beobachtet hat. Er hat es aber nicht gehört, es war gerade einfach zu laut.

Der Verweigerer

Er hat schon als Jugendlicher an "Brot statt Böller" gespendet, nur hat er das immer ernster genommen als die anderen. Er hat nicht weniger Böller gekauft, er hat keine gekauft. Niemals auch nur einen einzigen. Er ist kein Spaßverderber, er sieht gerne den Leuchtspuren der Raketen nach, die die anderen in die Nacht schießen. Aber selber beteiligt er sich nicht. Nie findet er Trittbrettfahren angemessener und sozialer als in der Silvesternacht, den Plastikbecher mit "Brot statt Böller"-Sekt in der Hand. Ja, den gibt es wirklich, unter diesem Motto sammeln die katholische und die evangelische Jugend in München seit drei Jahrzehnten Geld für Straßenkinder in Afrika. Einmal haben sie als Werbegag Papier-Brotzeittüten mit dem Aktionslogo bedruckt. Die hat er dann Punkt zwölf auf der Pilgersheimer Straße aufgeblasen und platzen lassen. Das war das einzige Mal, dass er es hat krachen lassen.

Der Ladykracher

Mit der Bengalo-Batterie den Balkon des Nachbarn beschießen? Den Kawumm-Kracher gegen die Hauswand abfeuern? Nein, mit dem ganzen Böller-Gedöns in der Silvesternacht hat der Ladykracher nichts am Hut. Am liebsten würde er vor 23 Uhr zu Bett gehen, durchschlafen bis morgen früh. Und dann ab in die Berge zum Schneeschuhwandern, wo doch so schön viel Neuschnee gefallen ist. Geht aber nicht. Weil alle wie gestört auf Mitternacht hinfiebern, sich dann zuprosten, abbusseln, in den Armen liegen - und? Ja, irgendetwas tun müssen bis um Viertel nach Zwölf! Also zündet auch er eine Wunderkerze an, die von den Bumm-Krach-Bäng-Fans gerne auch mal "Ladykracher" genannt wird, blickt verträumt in die verrauchte und verrußte Nacht. Und fragt sich, wann er nun endlich ins Bett gehen kann. Die Schneeschuhe stehen doch schon längst bereit.

Der Achtsame

Der Achtsame unter den Feuerwerkern gilt als wesensverwandt mit dem griechischen Dichter Aischylos. Der verließ sicherheitshalber sein Haus und begab sich aufs freie Feld, weil ein Orakel ihm den Tod beim Einsturz eines Hauses geweissagt hatte. Auf dem Feld wurde Aischylos jedoch von einem Schildkrötenpanzer erschlagen, den ein Adler im Flug fallen ließ. Der moderne Bedenkenträger begibt sich an Silvester sicherheitshalber auf eine verschneite Wiese im Englischen Garten, damit ihn ja kein Querschläger einer Feuerwerksrakete trifft. Dort liest er aufmerksam die Gebrauchsanweisung für die Wunderkerzen, bevor er sie, beschützt von feuerfesten Handschuhen, entzündet und weit von sich schleudert. Der Achtsame weiß natürlich auch, dass das unachtsame Öffnen einer Flasche Sekt ziemlich ins Auge gehen kann. Deshalb trinkt er ausschließlich Prosecco mit Drehverschluss.

Der Bastler

Pyromane - so haben sie ihn genannt, als er im vergangenen Jahr seine selbst geklebten Böller in Stellung brachte. Und ganz schnell stand er dann allein auf weiter Flur. Dabei geht's ihm überhaupt nicht ums Feuer, sondern ums Selbermachen. Und da hat er sich ganz schön blamiert, denn gezündet hat kein einziges dieser blöden Dinger, die er nach einer Anleitung aus dem Internet verbotenerweise hergestellt hatte. Diesmal aber ist es eine bombensichere Sache, in einer aufgelassenen Sandgrube hat er seine Versuche mit nur ganz wenig Schwarzpulver und anderem Zeugs schließlich mehrmals erfolgreich hochgehen lassen, so dass es ihm zum Schluss schon langweilig wurde. An diesem Jahreswechsel muss es einfach endlich klappen mit dem Feuerwerk Marke Eigenbau. Für den eigentlichen Knalleffekt hat er etwas anderes vorbereitet: selbst gemachten Sekt.

Der Schussel

Kann ja mal passieren - dass man das Feuerzeug in hohem Bogen wegwirft und dafür den Böller in der Hand behält. Derlei Pannen sind nicht selten an Silvester, und oftmals wirkt sich der Alkohol negativ auf die Konzentrationsfähigkeit des zwar experimentierfreudigen, aber eben schusseligen Feuerwerkers aus. Schief gehen kann ja nicht gerade wenig: Denn selbstverständlich müssen auch beschädigte Böller, Raketen ohne Lunte oder asiatische Billigprodukte ohne Zulassung gezündet werden. Und wenn gerade keine Sektflasche leer ist, kann man Raketen ja auch aus der Hand heraus aufsteigen lassen oder mit dem Stiel in die Erde stecken (was ihre Flughöhe zum Schaden der Umstehenden auf null reduziert). Der Schussel ist im Januar auf gute Freunde angewiesen - weil man mit bandagierten Händen nicht alleine auf die Toilette gehen kann.

© SZ vom 31.12.2014/wet/ffu/kast/mvö/anl/kg/dh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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