SZ-Adventskalender:Hängebauchschwein Hansi ist der Publikumsliebling

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Legen die Hühner andere Eier als die, die im Supermarkt verkauft werden? Die Kinder haben beim Ausflug aufs Land viele Fragen. (Foto: Mark Siaulys Pfeiffer)

Sind in den Eiern Küken? Warum leben auf dem Bauernhof keine Giraffen? Der Ferlhof will Kindern das Landleben nahebringen. Ein Besuch mit Grundschülern aus Milbertshofen.

Von Sven Loerzer

Die Schafe! Wo bloß sind hier die Schafe? Das fragen sich nicht nur die Erwachsenen, die 28 Kinder aus der Grundschule aus der Bad-Soden-Straße in Milbertshofen ehrenamtlich auf dem Ausflug zum Ferlhof im Landkreis Pfaffenhofen begleiten. Auch die Schülerinnen und Schüler aus allen vier Klassenstufen, in denen sich die "Vorleser" um die Förderung kümmern, sind irritiert. Auf der Weide vor dem großen, gepflegten Biohof liegen zufrieden wiederkäuende Rinder, wo aber sind die Schafe? Ziegen gibt es wohl - aber da widerspricht Landwirtin Erika Demmelmair. Denn die Tiere, die so ausschauen wie Ziegen, das erklärt sie geduldig, das seien Kamerunschafe.

Das aber sind nicht die einzigen Irrtümer. Heu und Stroh verwechseln viele Kinder, sie wissen nicht, wo es herkommt. Und wenn die Schülerinnen und Schüler mit zum Eierabnehmen gehen zu den 7000 Legehennen, taucht unweigerlich die Frage auf, ob das andere Eier sind als die im Supermarkt verkauften: "Ist da ein Küken im Ei?"

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Dass der Ferlhof Gästehäuser unterhält, die unter der Woche als Schullandheim dienen und im Jahr durchschnittlich rund 100 Schulklassen, die meisten aus München, den Naturland-Betrieb erkunden lässt, geht auf Erika Demmelmairs Beobachtung zurück, dass selbst Landkinder immer weniger über Landwirtschaft wissen. Der Auslöser waren Erlebnistage, bei denen sie vor 15 Jahren feststellte, dass "Kinder vom Land nicht mehr erleben, was um sie herum passiert". Viele Höfe hielten gar keine Tiere mehr, zudem gebe es ohnehin immer weniger Bauernhöfe.

Vor 15 Jahren sei der Wissensunterschied zwischen Stadt- und Landkindern noch größer gewesen, aber "inzwischen gleicht sich das immer mehr an", sagt Erika Demmelmair. "Die Münchner Kinder leben in ihrer digitalen Welt, sie kriegen die grundlegenden Sachen nicht mehr mit." Demmelmair will den Kindern vermitteln, wie viel Mühe es bedeutet, Nahrungsmittel zu produzieren. Und weil das am besten funktioniert, wenn die Kinder Spaß dabei haben, stellt sie mit ihnen zusammen die mehrere Meter langen Spaghetti her, die dann die Kinder in einer langen Reihe staunend halten.

Rund 100 Schulklassen im Jahr begrüßt Erika Demmelmair in ihrem Schullandheim. Nach Corona habe es einen regelrechten Run auf den Hof gegeben. (Foto: Mark Siaulys Pfeiffer)

Nach der Corona-Pandemie sei ein richtiger Run auf die Schullandheim-Aufenthalte entstanden, berichtet Demmelmair. Der lange Lockdown blieb nicht ohne Folgen. "Das Miteinander der Kinder funktioniert nicht mehr so gut", sagt sie. Die Kinder hätten mehr Egoismus entwickelt, das sei etwa bei der Essensausgabe zu beobachten.

Das Hängebauchschwein Hansi ist bei Kindern der absolute Liebling, "obwohl man es nicht knuddeln kann", wie Demmelmair betont. An heißen Tagen liegt es träge im Schatten, so dass schon mal die Frage kommt: "Ist das Schwein tot?" Beim Essen gibt es eine "Hansi-Schüssel", dort kommt all das hinein, was die Kinder nicht aufessen. Es wird dann an Hansi verfüttert, und Demmelmair erklärt: "Deshalb ist es so dick und fett, es muss abnehmen." Das weckt den Ehrgeiz, nicht zu viel auf den Teller zu nehmen.

Bauernhof mit allen Sinnen erleben - das hat der Adventskalender für gute Werke ermöglicht. (Foto: Mark Siaulys Pfeiffer)

Den Ausflug für die Kinder hat der "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung" ermöglicht. "Das ist ein ganz großes Geschenk", sagt Cornel Haseitl von dem 2015 gegründeten Projekt "Die Vorleser". "Am Abend weiß jedes Kind: Auf einem Bauernhof gibt es keine Giraffen und Elefanten." Vor der Pandemie haben die Ehrenamtlichen "Kindern der ersten und zweiten Klassen in kleinen Gruppen vorgelesen".

Inzwischen sei der Bedarf an gezielter Förderung immer größer geworden. So kümmern sich die elf Ehrenamtlichen - die älteste unter ihnen ist 84 Jahre alt - um Einzelförderung, eine Stunde lang für ein Kind, jede Woche, vor allem in Deutsch und Rechnen. Da gehe es darum, "den Kindern zu helfen, Knoten zu lösen", und sie zu selbständigem Arbeiten anzuregen. "Es ist ein Highlight für die Kinder, dass sie mit einem reden können", sagt Juliane Kanzler-Haseitl, die sich in dem Projekt engagiert, das auch von der Abteilung Bürgerschaftliches Engagement des Sozialreferats unterstützt wird. Die Kinder brauchten jemand, der an sie glaubt, ergänzt ihr Mann, mit dem sie früher die Fachbuchhandlung Kanzler betrieb.

Die Vorleser suchen Verstärkung (Interessierte können sich per Mail melden: cornel.haseitl@t-online.de). Cornel Haseitl würde gerne noch mehr Unterstützung bieten, wie sie in diesem Schuljahr 37 Jungen und Mädchen bekamen. "Viele Kinder können dem Lehrstoff nicht folgen. Buchstaben, Wörter werden schön geschrieben, aber das Textverständnis fehlt." Für ihn sind das Notsignale, in vielen Schulen bleibe zu wenig Zeit für Einzelne: "Es sind nicht die Kinder, die versagen."

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