FC Bayern:Guardiolas München-Abschied: "Ich liebe liebe diese Stadt"

Zirkus, Schumann's, Literaturhaus: Bayern-Trainer Guardiola war nur selten in München abseits des Fußballs zu sehen. Ein weiterer Beleg, dass er nie an der Isar ankam?

Von Philipp Crone

1 / 9
(Foto: dpa)

Guardiola habe die Herzen der Münchner nie erreicht. Er sei scheu, misstrauisch, arrogant, sein Abschied lasse die Fans auch deshalb kalt, und überhaupt: Hat der Mann überhaupt in München gelebt? Man hat ihn ja nie gesehen, abgesehen von einer Handvoll Veranstaltungen in drei Jahren. Also, der logische Schluss: Er mag die Stadt gar nicht. So sehen das nicht wenige. Vielleicht auch, weil sie zu Beginn glaubten, Pep und Bayern ist gleich jährliches Triple. Wie stand es nun um den Trainer und sein Verhältnis zu München? Eine Spurensuche an den Orten, die Guardiola abseits des Fußballs besuchte.

2 / 9
(Foto: Florian Peljak)

Guardiola war oft in der Stadt. Nur eben fast immer, ohne aufzufallen. Übrigens: Wie oft traten in ihrer Trainerzeit Jürgen Klinsmann, Jupp Heynckes oder Louis van Gaal medienwirksam in Erscheinung neben dem Platz? Genau. Zu Beginn seiner Trainerzeit ging es für die Boulevardreporter gut los. Guardiola kam zur Premiere in den Circus Roncalli, im Winter 2013. Dieser Mann, immer gut angezogen, war so eine Art richtiger Star an der Isar, in der VIP-Wertung auf gleicher Höhe mit Hauptdarstellern Hollywoods. Und er zeigte sich auch gleich mal, ließ sich die Nase rot anmalen. Aber der Mann wäre nicht Guardiola, wenn er so einen Auftritt ohne Grund zugesagt hätte. "Pep unterstützte damit den Verein Clowns ohne Grenzen", sagt Roncalli-Gründer Bernhard Paul. Guardiola hatte dem Verein als Schirmherr Aufmerksamkeit verschafft, und seine Tochter einen verzaubernden Abend im Zirkus verlebt.

3 / 9
(Foto: dpa)

"Ich habe ihn als jemanden kennengelernt, der sich für Dinge einsetzt, die ihm wichtig sind", sagt Paul. Unter anderem deshalb war Guardiola auch nie auf Premieren oder Galas. Er kann unterscheiden zwischen Feiern, deren wichtigster Sinn die Fotos auf dem roten Teppich sind, und denen, die etwas bewirken. "Ich habe ihn anschließend in meinen Wohnwagen eingeladen", sagt Paul, "und wir haben darüber gesprochen, was man tun kann für andere, wenn man auf der Glücksseite des Lebens steht. Er war sympathisch, überhaupt nicht abgehoben, einer, der nicht vergisst." Etwa die, denen es nicht so gut geht. Außerdem ist ein Zirkus ein wunderbarer Ort für Guardiola, es gibt dort so viele Kinder.

4 / 9
(Foto: Robert Haas)

"Mit Kindern hat er auch bei mir immer Fotos gemacht", sagt Charles Schumann von der Schumann's Bar. Bis zu zwei Mal in der Woche sei er mit seiner Frau in der Tagesbar gesessen, zum Frühstück, "wenn die Kinder in der Schule waren und er frei hatte". Das Schumann's und seine Tagesbar sind Orte in der Stadt, an denen die Gäste sich relativ sicher sein können, in Ruhe gelassen zu werden. Schumann achtet darauf. Ob Filmbosse die nächsten Blockbuster besprechen oder Guardiola mit Dortmund-Coach Thomas Tuchel Taktiktafel mit Salzstreuern spielt, es hat keinen zu interessieren.

5 / 9
(Foto: Robert Haas)

Im Winter 2013, in Pauls Zirkus-Wagen, fragte Guradiola den Roncalli-Chef nach etwas, was er selbst gut kennt: "Wie ich mit dem Druck umgehe, mit dem Zirkus an der Spitze zu bleiben." Roncalli feierte am 18. Mai sein 40-jähriges Bestehen und ist in der Zirkus-Welt so etwas wie der FC Bayern im Fußball, gewinnt Gold-Medaillen beim Festival in Monte Carlo wie der FC Bayern Pokale.

6 / 9
(Foto: imago sportfotodienst)

Eine gute Vorstellung ist im Zirkus eine, die einen staunend zurücklässt, die immer wieder etwas Neues bietet. Guardiola kennt das nur zu gut. "Ein unglaublich neugieriger Mann, der seine Antennen immer ausgefahren hat und alles aufnimmt", sagt Paul. Seine Antwort damals an den Katalanen: "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass alles, was man mit Liebe macht, auch geliebt wird." Wer nur für einen Ferrari spielen würde, hätte auf lange Sicht keinen Erfolg. "Und Guardiola merkt man an: Er lebt für den Sport und verachtet Leute, die ihre Bodenhaftung verloren haben." Davon traf er im Fußball und in München einige. Aber er traf auch Charles Schumann, so oft wie kaum jemanden sonst außerhalb des FC Bayern und seines spanischen Freundeskreises. Schumann sagt: "Ich weiß sehr wenig über ihn, obwohl er oft da war." Und das von einem Mann, der seine Bar so lange führt wie Paul Roncalli-Chef ist. Zwei Macher, die gelernt haben, Menschen schnell einzuordnen. "Ich bin ihm oft sehr nahe gewesen, dann aber wiederum doch nicht", sagt Schumann.

7 / 9
(Foto: Christof Stache/AFP)

Guardiola zeigte sich in der Stadt, wenn er helfen konnte, wenn er etwas bewegen konnte. Den Clowns ohne Grenzen konnte er im Roncalli helfen, im Circus Krone war er einmal für einen guten Zweck, und als sein Landsmann, Sänger José Carreras, in München ausgezeichnet wurde, kam er auch. Ansonsten war Guardiola auf der Wiesn mit seiner Mannschaft. Er war beim Basketball des FC Bayern. Und im Literaturhaus, wo er Lyrik des Katalanen Miquel Martí i Pol im Literaturhaus vorlas. Fußball und Lyrik habe überhaupt nichts miteinander zu tun, sagte er damals. Ein starkes Indiz dafür, dass sich Lyrik also sehr für den Fußballtrainer Guardiola dafür eignet, vom Fußball auch mal abzuschalten.

8 / 9
(Foto: Bongarts/Getty Images)

Guardiola wirkt wie ein Trainer-Typus, den es in jeder Sportart gibt: Einer, der versucht, seinen Sport völlig zu durchdringen, der in endlosen Video-Analysen jede Position, jeden Spieler und jeden Gegenspieler verstehen will und daraus immer wieder den nächsten Match-Plan entwickelt. Solche Typen sprechen nicht mit jedem über ihren Sport, schlicht deshalb, weil sie davon überzeugt sind, dass ihnen kaum ein Gespräch neue Erkenntnisse bringt, außer vielleicht mal mit Tuchel. Das wirkt schnell arrogant, gerade bei einem Sport, den fast alle Münchner auch zu kennen glauben. Ist aber nur professionell. Auf dem Rathausbalkon hat Guardiola gesagt: "Ich dachte immer, der Trainer spricht durch seine Spielweise und seine Spieler." Nicht durch Worte, wobei er natürlich guardiolisch sprach: "Worte, Worte, Worte". Im gleichen Gespräch sagte Guardiola: "Ich liebe liebe diese Stadt", und auch wenn man seine Wiederholungen als freundlich gemeinte Übertreibungen aus dem Satz rausrechnet, ist da schon etwas dran. München sei "klein und perfekt", die Leute auf der Straße seien sehr freundlich und seine Kinder traurig, wegzumüssen. Aber er werde zurückkommen, "zum Oktoberfest vielleicht". Seine Wohnung in der Innenstadt will er behalten. Mehr Liebeserklärung an München geht bei diesem Mann nicht.

9 / 9
(Foto: Bongarts/Getty Images)

Bernhard Paul sagt: "Zum Fußball kann ich wenig sagen, ich bin ja Österreicher. Aber dass man ihn kritisiert, weil er nicht immer alles gewinnt, ist absurd. Das gibt es in keinem Sport, dass einer immer Erster ist." Vielleicht blieben einige in der Stadt auch deshalb auf Distanz zu Pep Guardiola, weil ihnen dieser Mann bis heute ein Rätsel geblieben ist. Weil er sich nicht einbayern ließ. "Die Leute haben ein Problem, weil sie Guardiola nicht fassen können", sagt Paul. "Aber das ist ja nicht sein Problem." Und Schumann glaubt: "Man hat ihm übel genommen, dass er nicht volksnah war." Und das bei einem Trainer im deutschen Volkssport. Darf man jemandem so etwas übel nehmen? Dass er anders ist und bleibt, als es die Leute erwarten. Dass er sich voll auf das konzentriert, wofür er gekommen ist, und ansonsten mit der Familie die Stadt genießt? Auch Bernhard Paul und Charles Schumann haben Guardiola wohl nicht ganz durchschaut. Aber sie erkennen, wenn einer etwas aus Liebe macht. Aus Liebe zum Sport, nicht zur Stadt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: