Münchner Polizei warnt:Falsche Polizisten machen Millionen-Beute bei Senioren

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Bundesweit wird allein in diesem Jahr mit 100 Millionen Euro Schaden durch falsche Polizisten gerechnet. (Foto: Stephanie Pilick/dpa)
  • Hundert Anrufe von falschen Polizisten gehen derzeit täglich bei Senioren in München ein.
  • Die Anrufer geben sich als Beamte aus und behaupten, Einbrecher seien unterwegs und das Geld der Angerufenen sei in Gefahr.
  • Die Polizei rät, sich bei der 110 rückzuversichern - doch selbst dafür haben die Betrüger inzwischen eine Masche entwickelt.

Von Isabel Bernstein und Martin Bernstein

Hundert Anrufe von falschen Polizisten pro Tag. So viele Betrugsversuche gehen bei der Polizei derzeit täglich allein für München ein. Wahrscheinlich sind es viel mehr, aber oft sagen Opfer aus Scham selbst Angehörigen nichts. Fast eine halbe Million Euro haben Betrüger in den vergangenen zweieinhalb Wochen Münchner Rentnern abgenommen, vier Millionen waren es im vergangenen Jahr.

Mit immer derselben Masche: Die Anrufer geben sich am Telefon als Polizisten aus - sie nennen sich "König", "Bader" oder wie im Fall eines Pasingers, der am Donnerstag 4000 Euro verlor, "Adam Berg" und "Jürgen Müller" - und machen alten Leuten Angst. Einbrecher seien unterwegs und das Geld oder der Schmuck der Angerufenen sei in Gefahr. Manchmal wird behauptet, ein Mitglied der Bande sei mit einem Adresszettel erwischt worden, dann wieder sollen die Opfer angeblich helfen, die Bande dingfest zu machen. Und, dieser Trick ist neu und besonders perfide, zuletzt wurden Angerufene erst ausgenommen und sollten dann per telefonischer Anweisung durch den angeblichen Kriminalkommissar selbst zu Geldboten der Täter gemacht werden.

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Im Fall des über 75-jährigen Pasingers hieß es, er müsse die Wertsachen zur Aufbewahrung übergeben, ein angeblicher Polizist holte sie ab. Offenbar derselbe Mann schlug am Donnerstag gleich ein zweites Mal zu und ließ sich von einer Seniorin in Schwabing 10 000 Euro in Gold aushändigen. Keine Einzelfälle: Einen anderen Mann brachten die Täter dieser Tage sogar dazu, Goldbarren im Wert von mehr als 100 000 Euro in einer mintgrünen Badetasche unter einer Parkbank zu deponieren. "Die meisten Opfer übergeben ihr gesamtes Hab und Gut und sind dann mittellos", sagt Jens Liedhegener. Er leitet die Arbeitsgruppe "Phänomene", die versucht, die Betrüger zu schnappen. In diesem Jahr konnten Tatverdächtige "im niedrigen zweistelligen Bereich" festgenommen werden, doch die Hintermänner sitzen in der Türkei und treiben weiter ihr Unwesen, Tag für Tag.

Es ist der blanke Psychoterror, den die Täter am Telefon ausüben. Über Tage gibt es immer neue Anrufe, immer verbunden mit einem Schweigegebot, weil es sich angeblich um eine "geheime Operation" handele. Teils werden die Senioren über Stunden am Telefon gehalten, eingeschüchtert und es wird an ihre Hilfsbereitschaft appelliert. "Die arbeiten mit enorm viel Druck", sagt Liedhegener.

Nicht nur in München beobachtet er seit Anfang Oktober einen starken Anstieg an Betrugsversuchen. Bundesweit wird allein in diesem Jahr mit 100 Millionen Euro Schaden durch falsche Polizisten gerechnet. Die Betrüger haben sogar die Skepsis ihrer Opfer inzwischen schon einkalkuliert. Wenn die Opfer sich bei der 110 rückversichern wollen, ob sie es wirklich mit der Polizei zu tun haben, ermutigt der Betrüger sie am Telefon vordergründig sogar. Nur: Er legt anschließend nicht auf, sondern täuscht das Freizeichen vor. Wenn das Opfer dann die Nummer wählt, meldet sich ein anderer Kollege und bestätigt, dass alles seine Richtigkeit habe. Oder der Täter vermittelt den Angerufenen selbst scheinbar bereitwillig an eine angebliche Telefonzentrale, nicht selten garniert mit Warteschleifenmusik. Ihren Tipp von vor zwei Wochen, sich bei der 110 rückzuversichern, hat die Polizei inzwischen ergänzt: "Achten Sie darauf, das vorangehende Telefonat auch wirklich zu trennen." Und: "Die Polizei hält Sie nicht stundenlang am Telefon fest."

© SZ vom 10.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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