Fallschirmspringen in der Halle:Schwebendes Verfahren

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Der Turm ist nicht nur Wahrzeichen der Jochen-Schweizer-Arena bei Taufkirchen, in ihm werden auch die Aufwinde erzeugt, die das Body-Flying ermöglichen. (Foto: Claus Schunk)

Wettrüsten auf dem Freizeit-Sektor: In der Region entstehen derzeit gleich zwei Body-Flying-Anlagen, eine in Neufahrn und eine in Taufkirchen. In der dortigen Arena gibt es für Surfer dann auch noch die stehende Welle in der Halle

Von Günther Knoll

Zwei Baustellen, eine in Taufkirchen, die andere in Neufahrn: Beide liefern sich gewissermaßen ein sportliches Wettrennen. Im Süden Münchens nahe der Autobahn A 8 bei Taufkirchen entsteht die Jochen-Schweizer-Arena, und im Norden der Landeshauptstadt an der A 92 auf dem Weg zum Flughafen wächst ein turmähnliches Gebäude in die Höhe, in dem Interessenten das Gefühl des freien Flugs ähnlich wie beim Fallschirmspringen erleben können. Eine solche Anlage für das Body-Flying gehört auch zu Schweizers Vergnügungspark in Taufkirchen.

Bei beiden Projekten sind die Erwartungen groß: Während Hallenbäder und Tennishallen wegen mangelnder Rentabilität schließen, werden die Ansprüche der Freizeitgesellschaft nach sportlichen Herausforderungen im geschützten Innenbereich offenbar immer größer, die Angebote entsprechend ungewöhnlicher. Geld spielt dabei nur noch eine untergeordnete Rolle, Hauptsache, wenn der Erlebnisfaktor stimmt. Strampeln auf dem Ergometer mit Musik durch eine virtuelle Landschaft, was noch vor kurzem gefragt war, das ist heute schon wieder langweilig

Der Event-und Abenteuer-Spezialist Jochen Schweizer hat das lange schon erkannt, jetzt baut er eine Art Tempel für außergewöhnliche Indoor-Vergnügungen. Auch wenn die Eröffnung der nach ihm benannten Arena in Taufkirchen erst für den 4. März 2017 geplant ist, einen Flug im dort künstlich erzeugten Aufwind kann man bereits jetzt buchen. Im Sommer soll dann auch die Skydiving-Anlage im Neufahrner Gewerbegebiet fertig sein. Deren russischer Investor Alexander Parmanin betreibt bereits in St. Petersburg einen solchen Windkanal, dorthin kommt auch das Militär, um den freien Fall zu trainieren. Doch auch ohne Soldaten hofft man in Neufahrn auf eine genügend ausgelastete Anlage. Der Betrieb im Zylinder ist fast rund um die Uhr geplant: an 365 Tagen im Jahr jeweils 23 Stunden.

Die Luft strömt dabei in zwei Kreisläufen von unten nach oben durch den Turm und erreicht in der transparenten Kammer eine Geschwindigkeit von bis zu 300 Kilometern in der Stunde, so dass man sich von ihr tragen lassen kann. Das Ganze soll nach einer entsprechenden Einführung im wahrsten Sinn des Wortes "kinderleicht" sein, schon Kinder von vier Jahren an sollen sich den Traum vom Fliegen ermöglichen können. "Theoretisch kann das mit Anleitung jeder", sagt Projektleiter Aleksei Zaitcev. Weil aber echte Fallschirmsprünge nicht immer und überall möglich sind, hoffe man natürlich auch auf die Sportler "aus ganz Europa" als Kunden, die in dem Zylinder Formationsflüge üben und sich dabei von außen beobachten lassen können.

Von dem rund 30 Meter hohen Turm, der nachts von innen heraus blau strahlen soll, erhoffen sich die Neufahrner einen Nebeneffekt: Er soll ihr von Logistikhallen geprägtes Gewerbegebiet optisch aufwerten und damit auch das Image der Gemeinde aufpolieren.

Auch der Turm der Jochen-Schweizer-Arena ist gut zu erkennen, wenn man auf der A 8 aus München heraus nach Süden fährt. Auf rund 15 000 Quadratmetern entsteht direkt neben der Autobahnausfahrt Taufkirchen-Ost der bislang erste Freizeitpark dieser Art in Süddeutschland, der von außen so gut wie fertig ist. In Kooperation mit der Airbus Group errichtet die Jochen Schweizer Projects AG auf 28 00 Quadratmetern ein propellerförmiges Gebäude - nicht nur mit einem Windkanal für Body Flying, sondern auch mit einem Wasserbecken für eine künstliche Surfwelle und mit einem großen Konferenz-, Seminar- und Eventbereich. Dazu kommt im Außenbereich ein Spielplatz mit Hochseil-Klettergarten und Flying-Fox.

"Aktive Freizeitgestaltung im urbanen Umfeld" will das Event-Unternehmen dort seinen Kunden ermöglichen. Diese "Multierlebnisdestination" soll für die Firma ein Leuchtturm-Projekt darstellen. Für den Projektpartner Airbus Group ist das Flugerlebnis seit je Grundmotto. Der Windkanal ist zudem auch für Forschungszwecke interessant, in erster Linie soll er jedoch sportliches Vergnügen ermöglichen. Weil der untere Bereich des Zylinders durchsichtig ist, kommen auch Zuschauer auf ihre Kosten.

Die Eröffnung ist für März 2017 geplant, man sei genau im Zeitplan, heißt es bei Jochen Schweizer. Schon jetzt können Interessenten Gutscheine buchen für das Body-Flying, für das Surfen, aber auch für Eventpakete mit entsprechendem gastronomischem Angebot. Die Arena ist für solches Rundum-Vergnügen ausgelegt. Vier Flüge, jeweils eine Minute lang, kosten dann 89,90 Euro, Einweisung und Ausrüstung inklusive, laut Jochen Schweizer kann man sich damit den "Urtraum der Menschheit" ermöglichen. Das Indoor-Surfen ist billiger: 34,90 Euro für 45 Minuten, die Jahreskarte für die Welle kostet 999 Euro. Diese kann dem Können der Wassersportler nach eingestellt werden, ihr Wasser ist warm, Verletzungsrisiken gebe es nicht.

Mit der "City-Wave" in der Halle will Schweizer dem Eisbach Konkurrenz machen. Die Surfer dort aber haben ganz andere Befürchtungen: Wer erst einmal geübt habe in der Halle, der werde davon bald genug haben und auf die echte Welle wechseln wollen. Die Schlange der Surfer am Eingang zum Englischen Garten, die geduldig auf ihren Wellenritt warten, werde damit nur noch länger.

Wer nach ausreichend Flugstunden im Zylinder Lust auf echtes Fallschirmspringen bekommt, der braucht dafür eine spezielle Ausbildung samt Lizenz, eine nicht ganz billige Ausrüstung sowie eine ebenfalls kostspielige Transportgelegenheit. Deshalb werden sich in Sachen Skydiving höchstens die beiden Windkanäle Konkurrenz machen. Das Multi-Erlebnis dürfte dabei in Neufahrn etwas geringer ausfallen: Erstens ist der in der Anlage genehmigte Gastronomiebetrieb deutlich bescheidener als der in der Schweizer-Arena, und ob es ein Kinocenter mit Surfwelle und Hochseilgarten aufnehmen kann, sei dahin gestellt. Auch wenn man im Cineplex Neufahrn, das dort gleich neben der Skydiving-Anlage steht, nicht nur Filme schauen kann. Lasertag heißt das Freizeitvergnügen, das dort neben Bowling seit neuestem angeboten wird. Wer einmal 15 Minuten mit Laserpistole, Schutz und Brille auf der Jagd nach Punkten im Labyrinth war, hat sich - jedenfalls den Schweißausbrüchen nach zu urteilen - auch sportlich betätigt.

© SZ vom 09.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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