Explosion in Forstenried:"Als wäre eine Bombe hochgegangen"

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Die Nachbarn flüchteten in Panik vor den Flammen, nach der Explosion ist alles schwarz: Eindrücke vom Ort des Unglücks in Forstenried.

Susi Wimmer und Bernd Kastner

Bei der Explosion in einer Wohnung in Forstenried sind am Montagabend zwei Menschen ums Leben gekommen, die 24-jährige Mieterin und wahrscheinlich ihr 28-jähriger Ex-Freund. Das anschließende Feuer zerstörte das Appartement in dem achtstöckigen Haus vollständig, vier weitere Personen wurden verletzt. Die Ermittler vermuten, dass es sich bei der Explosion um eine Rauchgas-Verpuffung gehandelt haben könnte. Wie diese zustande kam, ist noch unklar.

Ein Polizeibild der total ausgebrannten Wohnung in einem Hochhaus im Münchner Stadtteil Forstenried. (Foto: Foto: dpa)

Die Blaulichter kreisen noch um ein Uhr früh vor dem Haus in Forstenried, rot-weiße Absperrbänder sind großräumig um den Hauseingang gespannt, die Feuerwehr hat eine Drehleiter ausgefahren, die in den fünften Stock hinaufragt.

Dort oben wurden durch die Explosion die Fenster aus den Stöcken gesprengt, die Splitter liegen noch gut 40 Meter weiter im Gras, der Putz hängt in großen Lappen von dem rot-braunen Hochhaus. Eine Frau mit langen blonden Haaren steht noch immer fassungslos vor dem Gebäude an der Forstenrieder Allee 26 und starrt nach oben. "Ich wohne da, einen Stock drüber", sagt sie. Zur Unglückszeit, kurz nach 22.30 Uhr, sei sie noch nicht zu Hause gewesen.

"Überall waren Flammen"

Sonja Zvonkovic schon. Die Verkäuferin, die genau über der Wohnung der 24-jährigen Frau lebt, hatte sich kurz zuvor auf ihre Bettcouch gelegt und war schon eingeschlafen, als sie plötzlich wach wurde. "Ich hab die Augen aufgemacht, und überall waren Flammen", erzählt sie. Das Feuer kam aus dem Stockwerk unter ihr, die Flammen waren in einem Überschlag nach oben gelodert. Panisch rannte die Verkäuferin aus der Wohnung ins dunkle und verrauchte Treppenhaus. Zusammen mit anderen Nachbarn flüchtete sie sich bis zum Eintreffen der Feuerwehr in einen Verbindungsgang zum Nachbarhaus.

Als die Feuerwehr gegen 22.40 Uhr an der Forstenrieder Allee eintrifft, stehen einige Anwohner auf ihren Balkonen und schreien verzweifelt um Hilfe. Ihnen ist der Weg durch das total verqualmte Treppenhaus abgeschnitten. Mit übergezogenen Rettungshauben werden zunächst etwa 30 Bewohner in Sicherheit gebracht. Sie warten in einem Großraumwagen der Berufsfeuerwehr, während die Retter die Flammen bekämpfen.

Völlig zerstörte Wohnung

Noch bevor der Einsatzleiter "Feuer aus" vermelden kann, machen die Rettungskräfte eine schreckliche Entdeckung: In der Wohnung finden sie zwei Menschen, bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, die Gliedmaßen abgerissen. Gegen 1.30 Uhr werden die Leichen der beiden Menschen mit der Feuerwehrdrehleiter aus der verbrannten Wohnung transportiert. "Die Leichen lagen dicht beieinander", berichtet anderentags die Polizei. Nach der Obduktion am Dienstag war klar, dass es sich um die 24-jährige Mieterin handelt und "mit großer Wahrscheinlichkeit" um ihren ehemaligen Lebensgefährten. Sie starben an den Folgen ihrer Brandverletzungen.

Tags darauf zeigt die Polizei einen kurzen Videofilm vom Ort der Explosion. Man sieht eine völlig zerstörte Wohnung, 30 Quadratmeter groß. Auf der Leinwand erkennt man die Reste eines Bettgestells, einer Waschmaschine, in einem Küchenregal stehen noch die üblichen Kochutensilien. Alles ist schwarz.

Explosion in Münchner Hochhaus
:Tödlicher Schwelbrand

Bei einer Explosion in einem Hochhaus in München sind zwei Menschen ums Leben gekommen. Wahrscheinlich ist die 24-jährige Wohnungsinhaberin unter den Opfern.

"Es war, als wäre eine Bombe hochgegangen", sagt Veronique Aimee. Die Frau wohnte Tür an Tür mit der 24-Jährigen. Aimee stand gerade in ihrer Küche, als die Explosion das Haus erschütterte und die Druckwelle auch ihre Haustüre zerstörte. "In dem Augenblick ist sogar die gläserne Küchentür zersprungen", sagt sie. Aimee steht in einer völlig zerstörten Wohnung, überall ist Ruß, Dreck, Chaos. "Meine Kleider, all die schönen Sachen", klagt sie.

Erinnerungsstücke aus der Zeit, als sie noch mit Rudolph Moshammer befreundet war. Jetzt weiß sie nicht, wie es weitergehen soll. "Die Nacht hab' ich im Krankenhaus verbracht, was jetzt wird, keine Ahnung." Auch Sonja Zvonkovic steht vor dem Nichts. In ihrer Wohnung haben Ruß und Hitze gewütet, es stinkt nach Rauch, die Wände sind schwarz, der Schrank ist angekokelt, die Badfliesen sind abgesprungen. "Die Hausverwaltung will eine Bleibe suchen, vorerst", sagt sie. Die ganze Nacht habe sie nicht geschlafen. Ein Techniker kommt herein, um den Fernsehanschluss zu überprüfen.

Spezialisten suchen nach der Ursache

Die Polizei rätselt am Dienstag noch, wodurch die Explosion ausgelöst wurde. Eine Aussage dazu sei derzeit "sehr schwierig", zu zerstört ist die Wohnung, sagt Harald Pickert am Dienstag. Er leitet im Polizeipräsidium München das Kriminalfachdezernat 1, unter anderem auch zuständig für das Kommissariat der Brandermittler. Derzeit untersuchen seine Spezialisten und Physiker des Landeskriminalamtes die Überreste auf Hinweise zur Brandursache.

Sicher ist bisher nur, dass eine gewöhnliche Gasexplosion ausgeschlossen werden kann, da es in dem Haus keinen Gasanschluss gibt. Offiziell vermuten die Fahnder, dass ein Schwelbrand, der im Wohn- und Schlafbereich des Appartements entstanden sein dürfte, Auslöser war. So ein Schwelbrand kann zu einer Rauchgasexplosion führen, wenn plötzlich Sauerstoff in die Wohnung strömt, etwa weil ein Fenster aufgrund der großen Hitze zerbirst. Aber all das sind am Dienstag nur Vermutungen, betont Pickert. "Man kann nichts ausschließen." Im Klartext heißt das, dass die Explosion auch vorsätzlich ausgelöst worden sein könnte. Laut Pickert habe es "Beziehungsprobleme" gegeben.

"Sie war so ein hübsches und nettes Mädchen", beschreibt Aimee die 24-jährige Nachbarin, auch den Ex-Freund habe sie gekannt, "vom Sehen her". Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hatte sich die 24-Jährige vor einigen Monaten von dem gebürtigen Afghanen getrennt, war aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen und hatte das Appartement an der Forstenrieder Allee gemietet.

Die meisten der übrigen Bewohner kamen mit dem Schrecken davon, zwei von ihnen erlitten Rauchvergiftungen und wurden in ein Krankenhaus gebracht. Etwa 25 Bewohner des Komplexes mit rund 100 Wohnungen wurden von der Feuerwehr in Sicherheit gebracht. Ein Feuerwehrmann verletzte sich leicht, ein Polizist erlitt eine Rauchvergiftung. Insgesamt waren 80 Feuerwehrleute und Rettungskräfte sowie 50 Polizeibeamte im Einsatz. Den Schaden schätzen die Ermittler auf rund 300.000 Euro.

© SZ vom 04.03.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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