Altstadt:München ist schon im Vorweihnachtsrausch

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Weihnachtssterne an den Straßenlaternen leuchten den Weg zum Rathaus. (Foto: Florian Peljak)
  • München ist beim Vorglühen vor der Vorweihnachtszeit immer vorne mit dabei, in diesem Jahr aber besonders früh.
  • Die Schaufenster zeigen idyllische Winterlandschaften, die ersten Glühweinstände sind eröffnet und der Christbaum steht auf dem Marienplatz bereit.

Von Thomas Anlauf

Santa Claus war schon längst da. Zumindest hat das irgendwer mit schwarzem Filzstift auf den Stamm der Weißtanne vor dem Münchner Rathaus gekritzelt - zwei Tage, nachdem der in diesem Jahr ziemlich mächtige statt sonst oft eher magere Christbaum auf dem Marienplatz aufgestellt worden ist. Noch ist es eine Woche bis zum ersten Adventssonntag, der diesmal so früh liegt wie seit Jahren nicht. Doch München befindet sich bereits jetzt im Vorweihnachtsrausch. Die ersten Glühweinstände sind eröffnet, glitzernde Fassaden und schrille Schaufenster künden schon jetzt von der einstmals staden Zeit, die uns bevorsteht.

"Es geht heuer schon ziemlich früh los", sagt Sabine Fischer. Die junge Frau mit dem hellblauen Schal sitzt auf einer Bank am Stachus und schnürt ihre weißen Schlittschuhe. "Und dann bei den Temperaturen - das ist ja fast wie Skifahren an Ostern", sagt sie und grinst. Die Sonne scheint bei milden 13 Grad auf die Szene am Stachus, wo am Freitagvormittag zum 16. Mal der "Münchner Eiszauber" eröffnet worden ist.

Etwa 70 000 Schlittschuhläufer sollen jeden Winter vor dem Stachusrondell ihre Runden auf dem Eis drehen. An diesem Freitag wagen sich zunächst einige Frauen auf die Eisfläche, die von kleinen Weihnachtsbäumen und drei seltsamen Plastik-Eisbären flankiert sind. Sabine Fischer, für die der Eröffnungstermin der Glühwein-, Würstel- und Eislaufanlage dennoch ein fixer Termin im Jahr ist, verlässt aber schon am Mittag den "Eiszauber" von Wiesn-Wirt Siegfried Able: Ein paar Runden auf dem Eis drehen, der erste alkoholfreie Punsch und dann geht es in die Fußgängerzone zum Weihnachtseinkaufsmarathon.

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Dort verwandelt sich gerade die Einkaufsmeile wieder in eine Glitzerwelt. In den Schaufenstern liegt meist weißes Zeug, das wohl Schnee darstellen soll. Vor dem Kaufhof am Marienplatz betrachten Kinder und so gut wie ausschließlich asiatische Touristen das plüschige Wunderland hinter Glas. Da wackeln Hase und Bär im "Knusperstüble", der Affe formt in der Manier des Sisyphos eine Schneekugel, die schon längst rund ist, und im Nachbarhaus von Frau Gorilla, die am Balkon die Decke schüttelt, weht die Fahne des FC Bayern.

Um die Ecke in der Weinstraße geht es noch kitschiger zu. Über der "Münchner Geschenkestuben" schwebt wie eine bedrohliche Wolke ein dicker roter Santa Claus, im kleinen Schaufenster fletschen Nussknacker die Zähne und wetteifern Nikoläuse mit ihren Bärten. An der Fassade von "Bettenrid" hängen kuschlige Christbäume und schräg gegenüber beim Eingang zur Kunsthalle setzen silbern glitzernde Engel mit stilisierten Posaunen einen ungewollten Kontrast zum Ankündigungsplakat für die Ausstellung über Spaniens goldene Zeit. Halleluja.

Allüberall wird geschraubt und gehämmert, auch im Kaiserhof der Residenz, wo schon am Montag die Ministerpräsidentengattin Karin Seehofer das Weihnachtsdorf mit der überdimensionalen Weihnachtspyramide samt Flügelrad eröffnen wird. Zumindest die Bayerische Staatskanzlei findet, dass es sich hier um einen der "stimmungsvollsten Münchner Christkindlmärkte" handelt. So ist das mit dem Münchner Advent, der noch nicht einmal begonnen hat: Superlative, wohin das Auge blickt. Der traditionelle Christkindlmarkt, so sagt es Wirtschaftsreferent und Bürgermeister Josef Schmid (CSU), "gehört zu den größten und bekanntesten Weihnachtsmärkten in Deutschland". Gefühlt erstreckt er sich längst von Aubing bis Riem, zumindest wächst er jedes Jahr ein Stückchen mehr.

Wer nämlich glaubt, dem adventösen Altstadttrubel am Viktualienmarkt zu entkommen, wird in diesem Jahr enttäuscht. Dort ist es Mitarbeitern des Kommunalreferats gelungen, vor einigen Tagen erstmals zwei Dutzend Bretterbuden zwischen die Marktstandln zu pressen. Ein wahres Kunststück, weshalb die Budenstadt, die am Donnerstag offiziell eröffnet, wohl auch "Winterzauber auf dem Viktualienmarkt" genannt wird. Die Betreiber finden die neue Entwicklung hingegen nicht sonderlich zauberhaft. "Wir sind doch ein Verbraucher- und kein Weihnachtsmarkt", sagt Marktsprecherin Elke Fett. Sie steht vor ihrem Duftstandl und hängt gerade noch etwas Weihnachtsdekoration an die Decke ihres kleinen Reichs.

Nicht nur die neuen Buden ärgern Elke Fett, die so eng aufgestellt wurden, dass eine Markthändlerin zunächst nicht einmal mehr in ihren Stand gekommen sein soll. Die Stadt hat zudem den Händlern eine echte Konkurrenz vor die Nase gesetzt: Ganz in der Nähe von "Münchens kleinster Gaststätte", wo im Advent seit Jahren Heidelbeerglühwein verkauft wird, hat nun vorzeitig ein kleiner Glühwein- und Punschstand eröffnet.

Ein paar Schritte weiter ist München schon längst über das Stadium des Vorglüh-Advents hinaus. Am Donnerstagabend drängen sich mehr als einhundert vorwiegend junge Münchner im kleinen Budendorf des "Alpen-Wahn", der schon seit einigen Jahren seine Heimat neben der Schrannenhalle hat. Dort gibt es den Alpenglüher mit Rot- oder Weißwein, Crêpes und Würstel in klassischer, käsiger oder chilliger Variante.

Es muss offenbar im Münchner Advent von allem etwas mehr oder etwas Besonderes geben. Selbst bei der Weihnachtsbeleuchtung übertrumpft sich die Stadt jedes Jahr aufs Neue. 2006 begann die Unternehmensinitiative "City Partner", mit Geschäftsleuten, Hausbesitzern und Anwohnern Altstadtstraßen und -plätze im Advent festlich auszuleuchten. Mittlerweile erstrecken sich die Lichtermeilen vom Odeonsplatz über die Maximilian- und Theatinerstraße bis hinunter zum Sendlinger Tor. Für City-Partner-Geschäftsführer Wolfgang Fischer ist die illuminierte Altstadt Werbung der besonderen Art. Die Stadt hat nun sogar mit den Unternehmern eine Werbeoffensive in Österreich, Italien und der Schweiz gestartet, um in den kommenden Wochen zahlungskräftige Touristen anzulocken. In Österreich werben Radiospots fürs Adventsshopping in München, in der Schweiz buhlt die Stadt sogar auf Zugtickets um Gäste.

Aber braucht's das ganze Gebimmel überhaupt? Wie als eine Antwort steht auf der "Glühwein-Oase" in der Guglhupf-Passage: "So schee scho!". Mal sehen, was der Advent bringt, wenn er denn erst beginnt.

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(Foto: Florian Peljak)

Die ersten Glühweinstände haben geöffnet.

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(Foto: Robert Haas)

Eislaufen geht auch schon.

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(Foto: Florian Peljak)

Erhellend: Bereits jetzt sind viele Straßen in der Münchner Altstadt festlich beleuchtet.

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(Foto: Florian Peljak)

Die weihnachtlichen Auslagen stimmen ebenfalls auf die Adventszeit ein.

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(Foto: Florian Peljak)

Christbaumkugeln als Schaufensterschmuck: In der Innenstadt weihnachtet es schon.

© SZ vom 19.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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