Erster Zunftmeister:"Es will sich keiner mehr binden"

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Großer Auftritt: Herbert Wildmoser mit Frau Theresia beim Wiesnumzug. (Foto: privat)

Herbert Wildmoser sieht die Zukunft der "Geselligen Bürgerzunft Alt Monachia" ernsthaft in Gefahr

Interview von R. Winkler-Schlang, München

Die "Gesellige Bürgerzunft Alt Monachia" macht was her, regelmäßig bereichern die Damen und Herren in ihren edlen Biedermeiergewändern den Trachtenzug zur Wiesn und repräsentieren für die Gäste aus aller Welt damit eine wichtige Münchner Epoche. 1924 wurde diese Zunft gegründet, doch nun droht ihr Ende. Der Erste Zunftmeister Herbert Wildmoser, ein waschechter Truderinger und mit seinen 76 Jahren einer der Jüngsten im Verein, will das verhindern und sucht in der ganzen Stadt nach Nachwuchs.

SZ: Gehrock und Zylinder, die Weste mit echten Silberknöpfen, ein weißes Hemd mit Stehkragen und gerüschtem Schmissettl statt Krawatte, die Damen in Samt und Seide und Strohhut - das ist doch sicher teuer?

Herbert Wildmoser: Rund 1500 Euro muss man schon rechnen für das Gwand, die Herren vielleicht ein bisschen günstiger. Aber wir haben auch Leihgewänder, die verstorbenen Mitglieder gehörten, im Schrank. Meine Frau Theresia ist Schneiderin, sie kann vieles anpassen. Und die Mitgliedschaft ist nicht teuer, 60 Euro im Jahr.

Mancher gibt für seine Wiesn-Tracht ja auch so viel aus, warum findet dann Ihr Verein so schwer nur Nachwuchs?

Es will sich keiner mehr binden, die Leute wollen kommen, wenn sie Lust haben. In unserer Satzung bestehen wir auf Anwesenheit bei den regelmäßigen Treffen. Das war früher auch so, das wurde auch alles im Zunftbuch vermerkt. Und wir machen da ja kulturelles Programm. Leichter hätten wir es aber sicher auch, wenn wir Frauen aufnehmen würden.

Bei Ihnen werden tatsächlich nur Männer aufgenommen?

Wir sind eine alte Zunft, in der Berühmtheiten wie der Weiß Ferdl, Sepp Prell, der Kirchenbaumeister Josef Berlinger oder der Autor Josef Maria Lutz Mitglied waren. Schon 1924 wurde die Gruppe gegründet, hatte bis zu 100 Mitstreiter. Damals waren Frauen als Mitglied verpönt, da hieß es "Frauen sind Untertanen, und wir sind die Herren". Frauen waren und sind nur Gäste, sie werden eingeladen, aber haben nichts zu sagen. So ist das bis heute. Ich würde ja gerne Frauen aufnehmen, denn wir sind nur noch acht Mitglieder. Wenn einer stirbt und keiner nachkommt, müssen wir uns auflösen, das sagt die Satzung. Doch andere im Zunftrat des Vereins sehen das mit den Frauen nicht so.

Was haben Sie interessierten Männern denn zu bieten?

Tradition. Ein Neuer wird erst einmal Wanderer, da kann er noch kommen, wann er will. Dann Lehrling ohne Gwand, ohne Rechte und Pflichten. Früher ging das zwei Jahre, aber das haben wir nun schon auf ein Vierteljahr verkürzt. Bei der Aufnahme haben alle Mitglieder eine weiße und eine schwarze Kugel in der Hand - bekommt der Kandidat mehr weiße, ist er akzeptiert und wird "eingezünftet" mit gewissen Ritualen. Zum Bespiel fragt der Herold mit Stab, Wappen und Zunftzeichen: "Bist Du bereit, in guten und in schlechten Zeiten unsere Freundschaft zu pflegen..." Dann überreicht der Kandidat dem Verein sein Meisterstück. Zu den schönsten zählen unsere Kasse mit dem Münchner Kindl oder der Holzkasten für die Zunftglocke. Es kann auch ein Gedicht sein. Bei mir war es eine verzierte Kerze.

Ihnen macht sowas Spaß?

Ich denke gern an diese alte Zeit und kann mir das Lebensgefühl von damals vorstellen. 1984 hab ich mit dem Schreiben von Mundart begonnen, mein damaliger Verleger Joseph Baumgartner war der Vorsitzende. Es interessiert mich, diese Menschen aus der Zeit von König Ludwig I in ihrem Sonntagsgewand zu verkörpern. Meiner Frau macht es ebenfalls große Freude, flanierend dabei zu sein, etwa bei großen Jubiläen in der Stadt wie "200 Jahre Englischer Garten". Das wollen ja viele - dabei sein bei den Umzügen und bewundern werden. Aber keiner will die Pflichten.

Was wäre denn ihr Wunschmitglied, würden sie auch Ausländer integrieren?

Wir suchen Herren, die zu uns passen, Münchner mit Leib und Seele mit Interesse an König Ludwig und dem Biedermeier. Auch Menschen aus anderen Regionen sind uns willkommen, wenn sie gerne etwas beitragen. Ich habe kein Problem mit Ausländern, wenn sie sich dieser Tradition anschließen können.

Was passiert, wenn nichts mehr geht?

Dann bekäme das Stadtarchiv unsere Schätze, das Vereinsvermögen würde aufgeteilt. Aber das will ich unbedingt verhindern, ich führe die Tradition weiter, solange es geht. Und wenn nicht, gründe ich gleich den nächsten Verein mit demselben Zweck - "Freunde der Biedermeierzeit" oder so. Diesmal mit Frauen. Vielleicht kämen ein paar junge mit 19, 20 Jahren - das wäre schön, das hätte Zukunft.

Die "Gesellige Bürgerzunft Alt Monachia" trifft sich im Gasthaus Goldener Stern in Trudering, Gartenstadtstraße 6, immer am letzten Freitag im Monat jeweils um 19 Uhr. Zunftmeister Herbert Wildmoser ist zu erreichen unter Telefon 42 84 68 oder per E-Mail: h.wildmoser@t-online.de.

© SZ vom 30.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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